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Sonderausstellung "B+A+C+H = 14" Bachhaus Eisenach
Sonderausstellung "B+A+C+H = 14" Bachhaus Eisenach
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Mathematik nach Noten – Die neue Ausstellung im Bachhaus Eisenach erkundet musikalische Zahlenrätsel

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Im Barock spielte man gern mit dem Zahlenalphabet, das die Buchstaben der Reihe nach durchnumeriert. Die Summe B+A+C+H ergibt dann 14. Ist es Zufall, dass Johann Sebastian Bach 14 Kanons für die Goldberg-Variationen oder 14 Fugen für die „Kunst der Fuge“ komponierte? Im Bachhaus Eisenach eröffnete eine Sonderausstellung, die sich Bachs Beschäftigung mit Zahlenrätseln widmet, einem sehr umstrittenen Forschungsgebiet.

Einig sind sich die Experten zumindest darin, dass Bach um die Bewandtnis der Zahl 14 wusste. Nicht zufällig trägt er auf dem bekannten Bild des Malers Haußmann 14 Westenknöpfe. Aber die Zahlenspiele wurden ja viel weiter getrieben. Kombiniert man etwa das Zahlenalphabet mit Notennamen, so lässt sich jeder Note eine bestimmte Zahl zuweisen. So konnte man auch Begriffe aus der Bibel in die Musik einschleusen.

Viele solcher Botschaften waren für Bachs Zeitgenossen offensichtlich: Wenn etwa in der Matthäus-Passion Jesus den Jüngern verkündet, dass er verraten würde, fragt der Chor elf Mal „Herr, bin ich’s?“ – Judas, der zwölfte Jünger, schweigt. Versteckt ist die Zahlensymbolik hingegen im Credo der h-Moll-Messe, wo der Chor 43 Mal das Wort „Credo“ singt. Nach dem Zahlenalphabet ist 43 die Buchstabensumme von CREDO.

Bachhaus-Direktor Jörg Hansen räumt ein, dass sich nicht genau feststellen lässt, wie weit sich Bach letztendlich der Zahlensymbolik verschrieb. „Noten, Takte, Einsätze ... In der Musik gibt es einfach zu viel, das sich zählen lässt“, meint er. „Man kommt ins Uferlose. Es kam sogar mal die Idee auf, Bach hätte sein eigenes Todesdatum prophezeit.“

Ein Lehrstück in angewandter Zahlenanalyse bot Wolfgang Wiemers Vortrag anlässlich der Ausstellungseröffnung. Der Ludwigsburger Professor sprach erstmals über seine neue Deutung von Bachs letztem Werk, dem Cembalo-Zyklus „Die Kunst der Fuge“. Die eingewobene 14 steht hier Wiemer zufolge nicht in erster Linie als Bach-Zahl, sondern symbolisiert Christus – die Noten bilden ein liegendes Kreuz. Das Grundthema mit den Anfangstönen D-A-F-D wiederum deutet auf den biblischen König David. „Die Musik enthält christliche Glaubensinhalte als zweite Schicht“, resümiert Wiemer. „Das Werk ist nicht nur Bachs kompositorisches, sondern auch sein theologisches Vermächtnis“.

Die Exponate der Ausstellung verdeutlichen, wie verbreitet derlei Zahlenrätsel zu Bachs Zeiten waren. Der Besucher findet ein „Rechen Büchlin vom EndChrist“ des Luther-Freundes Michael Stifel und Daniel Schwenters „Mathematische Erquickstunden“, 1636 erschienen, wo ebenfalls Zahlen- und Notenalphabete stehen. Dass Bach mit solchen Dingen in Berührung gekommen sein muss, belegt ein Lehrbuch mit Zahlenalphabeten seines Librettisten Menantes.

Umso verwunderlicher ist es, dass die zahlensymbolische Dimension in Bachs Werk erst im 20. Jahrhundert erforscht wurde. Ende der Siebziger verbreitete sich der Ruf von Bach als Mathematiker durch Douglas R. Hofstadters Buch „Gödel, Escher, Bach“, das vor allem unter Informatikern und Programmierern Furore machte. Pionier der Bach-Zahlenforschung war jedoch schon in der Nachkriegszeit der Theologe Friedrich Smend, dessen wegweisenden Untersuchungen die Ausstellung breiten Raum einräumt.

Ein Trickfilm veranschaulicht Smends Analyse des Notengedichts, das auf Bachs Trinkkelch eingraviert ist. Außerdem entschlüsselte Smend den sechsstimmigen Rätselkanon, den Bach auf seinem bekannten Porträt in der Hand hält. Nur drei Stimmen sind dargestellt; der Rest muss erraten werden, wobei die Melodien auch rückwärts, spiegelverkehrt oder in verändertem Tempo erklingen können. Auch dieses Rätsels Lösung wird in einem kurzweiligen Trickfilm gelüftet.

Zwei Ausstellungstafeln erläutern schließlich den Aufbau der 14 Rätselkanons aus den Goldberg-Variationen. Der Besucher findet auch mit Notenzeilen bedruckte Plexiglas-Schablonen, die sich nach Belieben drehen und wenden lassen. Da kann jedermann selbst probieren, aus geometrischen Spielereien Musik zu machen.

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