Während Lied- und Chorgesang vor und nach 1945 infolge massiver ideologischer Belastungen als Inbegriff dumpfer musikalischer Reaktion galten, besann sich die junge internationale Nachkriegsavantgarde in den 50er-Jahren auf die Geburt der Musik aus dem Geiste des Gesangs und schuf auf der Grundlage konkreter Sprachlaute und Artikulationsweisen sowie Dank der Unterstützung experimentierfreudiger Ensembles eine neuartige Vokalmusik im schillernden Zwischenbereich von Klang, Affekt, Bedeutung und Sprache, in dem sich die Neue Musik bis heute besonders produktiv zeigt.
Das Festival Neue Musik Stuttgart „Eclat“ bringt anlässlich des 80. Geburtstags des Gründers und langjährigen Leiters der legendären Schola Cantorum Stuttgart Clytus Gottwald am 9. Februar neue Chorwerke in Interpretationen des inzwischen ebenso verdienten SWR Vokalensembles Stuttgart: Gottwalds Chorbearbeitungen von drei Liedern Alban Bergs, Heinz Holligers „Utopie Chorklang für drei zwölfstimmige Chorgruppen (im Drittelton-Abstand)“ und Hans Ulrich Lehmanns „Annäherungen an Helmut Heißenbüttel für gemischten Chor a cappella“.
Bis zum 12. Februar präsentiert das Festival im Stuttgarter Theaterhaus neben Uraufführungen von Johannes Boris Borowski, Wolfgang Florey, Alberto Hortigüela, Stefan Keller, Olga Neuwirth, Wolfgang Rihm, Dieter Schnebel und Shirui Zhu weitere neue Vokalwerke von Walter Zimmermann und Georg Friedrich Haas, die für die Neuen Vokalsolisten Stuttgart in Kombination mit dem Cellisten Jean-Guihen Queyras und dem Bratschisten Garth Knox entstanden.
Auch andernorts zeigt man sich sangesfreudig: Am 1. Februar erklingt in Manchester erstmals Hugh Woods „Song Cycle“ für Tenor und Klavier und am 3. Februar in der Münchner St. Michaelskirche Wilfried Maria Danners „Requiem aeternam – in memoriam Marcello Viotti“. Es folgen am 6. Februar Reinhard Febels „Zwei Lieder“ für Frauenstimme und Ensemble in Edinburgh, am 8. Februar José M. Sanchez-Verdús „La rosa y el ruiseñor“ für Sopran, Bariton und Orchester beim Festival de Canarias in Las Palmas sowie am 20. Februar im Sendesaal Bremen Burkhard Friedrichs „Reigen-songs of love and sorrow“ für Mezzosopran, Violine und Klavier und – zuzüglich eines Saxophons – Oliver Trötschels „Drei Gesänge nach Rainer Maria Rilke“.
Weitere Uraufführungen
2.2.: Dimitri Terzakis, Diptychon für Klavier, Musikhochschule Frankfurt
12.2.: Stefan Thomas, Toys für Orchester, Stadthalle Osnabrück
14.2.: Matthias Pintscher, Cellokonzert Reflections on Narcissus, Radio France Paris
15.2.: Arvo Pärt, La Sidone für Orchester, Turiner Dom anlässlich der Olympischen Winterspiele
16.2.: Charlotte Seither, Visible thoughts für Trio, Saarbrücken
17.2.: Rebecca Saunders, Neues Werk für zwei Kontrabässe, Konzerthaus Dortmund
23.2.: Mark André, das ist mein Leib für Violoncello und Live-Elektronik, Haus der Deutschen Ensemble Akademie Frankfurt
23.2.: Karlheinz Stockhausen, 1st Natural durations for piano from the 3rd Hour of KLANG, Holy Trinity Church New York