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Titelseite der nmz 2014/02.
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Mehr Nimbus

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Nachruf auf Claudio Abbado
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Die Nachrufe auf Claudio Abbado in den Feuilletons durften noch einmal jene Textlänge beanspruchen, die der sogenannten E-Musik im Zeitalter von Entertainment, Pop und Rock schon seit langem immer schneller entzogen werden. Bei Abbado wagten es wohl selbst musikresistente Chefredakteure und Ressortleiter nicht, ihren Musikredaktionen den raumgreifenden finalen Hymnus zu verweigern. Eine Musikzeitschrift hat es da natürlich leichter, gehört doch die ausführliche Darstellung von Musik, Musikern und den Wirkungen, die die Beschäftigung mit Musik auszulösen vermag, zu den zentralen Aufgaben. In der vorliegenden Ausgabe der nmz findet sich ein Abbado-Nachruf auf Seite 3, den Corina Kolbe geschrieben hat.

Der Tod Claudio Abbados könnte über das persönliche Schicksal des Dirigenten und dessen umfassende Aktivitäten hinaus aber auch Anlass geben, über die „Institution Dirigent“ einmal aktuell nachzudenken. Als Karajan und Bernstein gestorben waren, klagten die Wiener Philharmoniker, die sich ihre Dirigenten bekanntlich selbst wählen, über die entstandene Situation. Wo ist ein würdiger Nachfolger? Talentierte Begabungen gäbe es zwar, aber kaum eine von ihnen strahle das aus, was man Charisma oder Aura nennen könnte. Die „Wiener“ samt ihrem Vorstand (den Alten natürlich) ratlos. Bis heute trauern speziell die noch aktiven älteren Orchestermitglieder den seligen Zeiten nach.

Wer landauf, landab viele Konzerte der großen und auch der ehrgeizigen mittleren sinfonischen Orchester erlebt, stellt oft und immer wieder fest: es wird meist technisch perfekt musiziert, junge Instrumentalisten sind heutzutage in der Regel hervorragend ausgebildet, und auch die jüngeren Dirigenten wirken kompetent und beherrschen ihr Metier. Was vielen abgeht, ist das, was Lulus alter Ziehvater Schigolch (in Alban Bergs Oper „Lulu“) von einem Künstler erwartet: „Mehr Nimbus!“

Diesen Nimbus hat sich Claudio Abbado als einer der wenigen Letzten noch einmal erarbeitet. Seine Arbeitsleistung allein ist schon imponierend, aber entscheidender war schließlich seine Einstellung zur Musik als einem existentiellen Medium für den Menschen. Besser: die Menschen, denn Abbado wollte immer nicht nur die speziell und ohnehin an Musik Interessierten bewegen, sondern auch die abseits Stehenden für die Botschaften der Musik öffnen. Dafür ist jedoch notwendig, dass man selbst an die verwandelnde Kraft der Musik glaubt, an ihre Utopien, an ihre Transzendenz. Claudio Abbado hat keine großen Worte darüber verloren, er galt immer als wortkarg, aber mit seinem Dirigieren entband er aus den Partituren der Komponisten deren utopische Geheimnisse. Besonders seine späten Auseinandersetzungen mit Mahlers Sinfonik, glücklicherweise in Aufnahmen bewahrt, künden von diesen Geheimnissen großer Musik, die für Abbado nicht allein in der Vergangenheit bewahrt ist, ebenso in unserer Zeit: Auch Luigi Nono komponierte „Große Musik“, die Abbado kongenial in den erlebbaren Klang übertrug – gleichsam als ein zweiter Komponist. Abbado wird uns fehlen, heißt es. Aber besser könnte er alle Musiker anspornen. Dann bliebe er lebendig für immer.

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