Hauptrubrik
Banner Full-Size

Meister der Verschmelzung: Richard Galliano und Gonzalo Rubalcaba im Bayerischen Hof

Publikationsdatum
Body

So einfach, aber leider viel zu selten: Ein ganz und gar unverstärktes Konzert, bei dem kein Tonmann, kein Mikro, kein Mischpult, kein Kabel die natürliche Balance zweier Musiker und ihrer Instrumente stört. Aber nicht nur klanglich kam die Begegnung zwischen Richard Galliano und Gonzalo Rubalcaba im Nightclub des „Bayerischen Hofs“ dem Traum von einer perfekten Duobegegnung nahe.

Was der Akkordeonmeister aus Frankreich und der in den USA lebende Klaviervirtuose aus Kuba boten, war ein Wunder der Verschmelzung – stilistisch, improvisatorisch, klanglich. Wo andere ihren weltmusikalisch inspirierten Jazz allzu oft im Baukastenverfahren zusammensetzen – was oft nach musikalischem Multikulti, nach Legostein- und Bauklotzmusik klingt – schöpfen Rubalcaba und Galliano ihre Musik aus der Assimilation. Dabei ist Jazz für die beiden manchmal nur eine Methode, ein Schmelzverfahren, um aus dem Feuer und der Melancholie des Tango, der Beschwingtheit des Musettewalzers und vielfältigen Einflüssen aus der Klassik etwas bruchlos Neues entstehen zu lassen, was über längere Passagen manchmal gar nicht wie improvisierte Musik, sondern wie auskomponierte Kunstmusik in der Nachfolge eines Debussy oder Satie klingt.

Mit ihrem klassischen Hintergrund, der Verwurzelung in romanisch-lateinamerikanischen Musiktraditionen, die sie beide jeweils für den Jazz geöffnet haben, und ihren vielfältigen Erfahrungen mit Duo- und Soloprojekten sind sich Galliano und Rubalcaba ausreichend ähnlich, um auf gleicher oder zumindest sehr ähnlicher Wellenlänge zu musizieren. Andererseits sind sie verschieden genug, um ihre quasi-telepathische Harmonie mit der Spannung des Unterschiedlichen und Verschiedenen zu würzen. Beide sind Meister der Selbstversenkung, aber Rubalacaba grübelt mit seinen nachttrunkenen, ungemein differenziert intonierten Akkorden noch impressionistischer vor sich hin als Galliano. Rubalcaba kann die Töne so mikroskopisch fein anschlagen, dass diese manchmal fast unwirklich transparent klingen. Über „Sérénité“ etwa – eine von mehreren Kompositionen aus Gallianos aktuellem Album „Love Day“ (Milan), das in weiten Teilen den Spannungsbogen des Konzertes ausmachte – spielte er Arpeggien, die so dünn und fragil wie Spinnfäden im Raum hingen.

Galliano wiederum ist über seine Musettewalzer, die sich immer wieder in BeBop-Läufen Bahn brechen, ein Meister der Ornamentik und der Variation. Vor allem aber ist er ein unübertroffener Meister der Verwandlung, der sein Akkordeon wie ein Multiinstrumentalist spielt. Wenn er sich und den Klang seines Instruments ganz klein macht, klingt er abwechselnd wie Toots Thielemans auf der Mundharmonika oder Sidney Bechet auf der Klarinette, um im nächsten Moment in die Rolle eines Pianisten zu schlüpfen. Und wenn er so richtig Luft holt, stecken gleich zwei Orgeln in Gallianos Akkordeon. Eine brodelnd swingende Hammond und eine Kirchenorgel, die den Hörer mit gewaltigen Schlussakkorden in ein Gewölbe aus Tönen taucht.

 

Die nächsten Konzerte:

1. November in Zürich: Richard Galliano Quartett mit Gonzalo Rubalcaba, George Mraz und Clarence Penn (jazznojazz)

7. November in Berlin: Richard Galliano Quartett mit Gonzalo Rubalcaba, George Mraz und Clarence Penn (JazzFest Berlin)

10. November in Wien: Richard Galliano Quartett mit Gonzalo Rubalcaba, George Mraz und Clarence Penn (Wiener Konzerthaus)

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!