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Nachdem Leipzig trotz seit Jahren totgesagter Buch-Branche immer noch höchst lebendig liest, hat man auch ein paar hundert Kilometer weiter westlich endlich verstanden: Frankfurt musiziert. Was einmal „Musikmesse“ hieß, zum drögen Handelsplatz von Hard- und Software verkommen war, hat sich zum globalen Zentrum musikkultureller und musikindustrieller Innovation gemausert.

Ausgelöst durch das Ableben der abgetakelten Berliner Plaudertasche „Popkomm“ fand bekanntlich die phonographische Wirtschaft eine neue Heimat in der Main-Metropole. Dank eines engen konzeptionellen Schulterschlusses mit der ortsansässigen Musikhochschule und ihren Außenstellen in Lhasa, Johannesburg, Wladiwostok und Auckland konnte dem einst provinziellen Musikpreis „Echo“ eine internationale und substanziell interkulturelle Prägung jenseits des platten Marketing-Events verliehen werden. Die frisch gewonnene Glaubwürdigkeit lockt allein an die zweihunderttausend ausländische Besucher alljährlich auf das Frankfurter Messegelände.

Begünstigt durch den Bau eines weiteren, akustisch optimal flexiblen Konzertsaales (Fassungsvermögen: 18.000) und klug geplanter Kooperation mit den regionalen Veranstaltungshäusern (Alte Oper, Jahrhunderthalle Höchst) finden die Musik-Präsentationen aller Couleur vor regelmäßig ausverkauften Häusern statt. Dieses Umfeld sorgt für ein hochmusikalisiertes Klima, in dem der Handel (die jährliche Verdoppelung der Umsätze auf der Messe spricht für sich) ebenso aufblühen konnte wie die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Musiklebens nicht nur in Deutschland.

Nebenbei finanziert allein die Lizenzierung dieses Veranstaltungskonzeptes an Städte wie Moskau, Shanghai, San Francisco oder Sydney mittlerweile die bundesweite Aktion „Jedem Kind ein Instrument“ komplett. Die Zahl der Musikschulen in der Bundesrepublik hat sich folglich binnen eines halben Jahrzehntes verdreifacht. Ihre Ausstattung gilt weltweit als vorbildlich – die Besoldung der Lehrkräfte auf Studienrats-Niveau als angemessen. Die hunderttausend neu geschaffenen zukunftssicheren Arbeitsplätze im Bereich Musikpädagogik, Instrumentenbau, Verlagswesen und Medien beleben die wirtschaftliche Gesamtsituation unseres Landes spürbar, gelten als ausgesprochener Wachstums-Motor.

Und so nimmt es kaum Wunder, dass Kanzlerin Gitta Connemann in Anwesenheit von Bundespräsident Wolfgang Rihm während ihrer Messe-Eröffnungs-Keynote das paritätische Zusammenwachsen von Geist und Geld, wie es die Musikszene vorgelebt habe, als „vorbildlich – nicht nur für die anderen Kunst-Sparten, sondern für alle gesellschaftliche Kräfte hierzulande“ apostrophierte. Die Live-Übertragung von Connemanns aktiver Teilnahme am dreitägigen Workshop „Musizieren 50+“ auf 3Sat erzielte Quoten-Rekorde. Sie lasen einen Bericht über die Frankfurter Musikmesse 2020.

Was gibt es vom diesjährigen Marktplatz zu berichten: Wieder ein bisschen mehr „Proll Light and Sound“, leichte Umsatzsteigerungen, sehr leichte angebliche Besucher-Zuwächse – the same procedure as every year (nmz 4/2006). Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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