Wie schön, wenn ein Sponsor nicht nur ein gut gefülltes und weit geöffnetes Portemonnaie mitbringt, sondern darüber hinaus eine außergewöhnliche Kuriosität ausleiht: Das Sächsische Staatsweingut Schloss Wackerbarth ließ es sich nicht nehmen, die Präsentation der diesjährigen Musikfestspiele Potsdam Sanssouci durch einen riesigen runden Holztisch zu bereichern.
Er ist die Replik eines wahrlich königlichen Möbels. Sachsens Kurfürst August – auch beim Trinken der Starke – gründete einst eine „Gesellschaft zur Bekämpfung der Nüchternheit“ und lud als einen der ersten Gäste den Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. ein, der am 13. März 1728 offizielles Mitglied der hochkarätig besetzten Trinkrunde wurde. Gebechert wurde an einem vom Architekten Matthäus Daniel Pöppelmann entworfenen runden Tisch mit Platz für zwölf Personen. Als Gastgeber fungierte Graf von Wackerbarth. Die Satzung der neu gegründeten Gesellschaft sah unter anderem vor, dass alle Förmlichkeiten und Sorgen, aller Ärger und die Eifersucht dem Tische fern blieben. Fröhlichkeit und Freude sollten hier herrschen. Zweideutigkeiten und unbestimmte Antworten waren verboten. Alles, was in dieser Runde gesprochen wurde, unterlag der Geheimhaltung. Darum prangte in der Tischmitte eine unter dem Wort „sub“ intarsierte Rose. „sub rosa“ bedeutete damals „unter den Siegel der Verschwiegenheit". Ein Gegenstück zu dem Dresdner Tisch ließ August als Zeichen nicht nur weinseliger Verbundenheit nach Berlin liefern.
Friedrich Wilhelm genoss das sächsische Hofleben in vollen Zügen, vor allem die Treibjagden und die Besichtigungen der Festungsanlagen. Kronprinz Friedrich, der seinen Vater auf der Reise begleitete und in Sachsen seinen 16. Geburtstag feierte, zeigte sich im Gegensatz zu seinem Vater vom Glanz Sachsens und der feinen Lebensart des Dresdner Hofes begeistert. Seine spätere Hofkapelle eiferte unverblümt dem berühmten Vorbild an der Elbe nach, und als preußischer König Friedrich II. schreckte er auch nicht davor zurück, den Flötisten Joachim Quantz und den Geiger Franz Benda von dort abzuwerben. Dass er einst als zielstrebiger und rigoroser Kriegsherr mit seiner Armee ins neutrale Sachsen einfallen und Dresden mit Kanonen bombardieren würde, stand damals noch in den Sternen. Preußens kriegerisches Gloria lag noch in weiter Ferne.
Im Hinblick auf das Friedrich-Jahr, das 2012 dessen 300. Geburtstag begehen wird, stellen die Musikfestspiele unter dem Motto „Sachsens Glanz trifft Preußens Gloria“ diesmal ganz das friedliche Neben- und Miteinander der beiden Metropolen in den Mittelpunkt der musikalischen Ereignisse. Während sich Preußen in jener Zeit vor allem dem Ausbau seiner militärischen Überlegenheit widmete, war Sachsen zur Kulturhochburg aufgestiegen, deren Schwerpunkt neben der Architektur das Musikschaffen wurde. Die Potsdamer Musiktage lassen in 16 hoffentlich warmen und trockenen Vorsommertagen ein musikalisches Porträt Dresdens erstehen. Zwischen dem 11. und 26. Juni schlägt das Programm einen weiten Bogen: Er reicht von der protestantischen Kirchenmusik eines Johann Walter und Heinrich Schütz über die verschwenderisch besetzten Konzerte des Barock, die Opern von Carl Maria von Weber, der ab 1817 Operndirektor in Dresden war, und Richard Wagner, eine Generation später dort Kapellmeister, über die Kammer- und Hausmusik der Romantik bis hin zur Avantgarde in Hellerau und zur Trauer um die zerstörte Stadt bei Rudolf Mauersberger.
Die Jahrhunderte verbindend durchzieht die Dresdner Hofkapelle das Programm von der Gründung 1548 bis heute. Entdeckungen sind die Opernproduktionen des Festivals: Im Schlosstheater des Neuen Palais erlebt Giovanni Bontempis vielfarbige Hochzeitsoper „Il Paride“ (1662) – die erste italienische Oper in Deutschland- ihre moderne Erstaufführung. Ein neues Musiktheaterprojekt wird an der originalen friderizianischen Spielstätte des Gartensalons aus der Taufe gehoben: Die Reihe „Junge Barockoper Sanssouci“ eröffnet die Festspiele für die ganze Familie und junge Hörer ab zwölf Jahren mit eben jener italienischen Musikkomödie, mit der man schon Kronprinz Friedrich in Schloss Pillnitz entflammte: Alberto Ristoris turbulenter „Calandro“ von 1726. Eine Reihe von Konzerten folgt den Verbindungslinien Dresdens nach Prag, Warschau, Venedig und zum glorreichen Nachbarn Brandenburg-Preußen. Andere Konzerte stellen die sich sprunghaft entwickelnde Virtuosität auf Violine, Laute und im Orgelbau in den Mittelpunkt. Die Liste der Ensembles und Solisten ist erlesen. Es gehören unter anderem. dazu: L’aura soave Cremona unter Sergio Azzolini, Cantus Cölln unter Konrad Junghänel, Lautten Compagney Berlin unter Wolfgang Katschner und natürlich die Sächsische Staatskapelle Dresden unter Andres Orozco-Estrada, die Mezzosopranistin Vivica Genaux, der Countertenor Daniel Taylor, der Gitarrist Juan Manuel Canizares, der Klarinettist Lorenzo Coppola und nicht zuletzt der Schauspieler und Kabarettist Uwe Steimle.
Die Musikfestspiele sind eine Potsdamer Institution. Seit 1955 bespielen sie die prachtvollen Schlösser und Parks der Stadt. Wurden die musikalischen Darbietungen früher vornehmlich von passionierten Musikkennern und -liebhabern goutiert, möchte man nun schon seit Jahren mit zeitgemäßen Programmen für Kinder und die ganze Familie, für Schau- und Hörlustige aller Altersstufen und musikalischen Vorbildungen und Vorlieben das Spektrum der Zuhörergemeinde in jede Richtung erweitern. Ein Open Air „Mit Pauken und Trompeten“ à la Hoffest zu Zeiten Augusts des Starken, ein „WeinBergfest“ zur Festival-Halbzeit mit sächsischem Wein und Dresdner Küche, das „Fahrradkonzert“ zu 21 Orten mit 14 Konzerten und eine „Orgelwanderung“ auf den Spuren des Orgelbauers Gottfried Silbermann werden den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci den gewünschten Erfolg sichern.