Natürlich gab und gibt es Bedenkenträger, nicht erst von Anfang an, sondern sogar schon lange davor. Denn die Idee einer von den Ländern unabhängigen, vom Bund finanzierten Kulturstiftung entstand, unter ganz anderen Voraussetzungen, schon in den siebziger Jahren und wird Günter Grass und Willy Brandt zugeschrieben. Das Projekt scheiterte zunächst vor allem an vehementen Einsprüchen von Seiten der Länder, die ihre verfassungsmäßig garantierte Gestaltungshoheit im Kultur-Sektor bedroht sahen. Als Staatsminister Julian Nida-Rümelin ein Vierteljahrhundert später zur Frühjahrs-Tagundnachtgleiche 2002 die Kulturstiftung des Bundes ins Leben rief, war diesem Vorgang eine rege Debatte und erheblicher Widerspruch vorausgegangen, munitioniert gleichermaßen aus Arsenalen älterer Zeiten und neuerer Verhältnisse.
Erstens war da der Verdacht, eine Regierungs-Kunststiftung werde Staatskunst bevorzugen – ein vager und darum unausräumbarer Vorbehalt, der gleichermaßen ästhetische wie politische Dimensionen hatte und sehr prinzipiell, aber letztlich amorph daher kam. Zweitens gab es Bedenken, eine Kulturstiftung des Bundes könnte einer populistisch gestimmten, künstlerisch grundierten Volkspädagogik den Vorzug geben vor dem Experimentellen oder – drittens – gerade umgekehrt.
Die Idee, die Bundeskulturstiftung mit der Kulturstiftung der Länder, 1987 gegründet und ebenfalls teilweise vom Bund finanziert, zu fusionieren, war am traditionellen intransigenten Widerstand einiger Länder gescheitert, so dass die Annäherung zwischen den beiden – nicht unähnlichen – Stiftungen sich schließlich auf die Definition einer Arbeitsteilung beschränkte: Die patrimoniale Bewahrungsarbeit wird vor allem von der Kulturstiftung der Länder übernommen, die „Förderung innovativer Programme und Projekte im internationalen Kontext“ (Satzung) ist Schwerpunkt-Aufgabe der Kulturstiftung des Bundes. Bleibt anzumerken, dass die Gründung der Bundeskulturstiftung ihrer älteren Schwester auch Bundesmittel entzogen hat.
Die Bundeskulturstiftung ist von ihrer Konstruktion her ein Instrument der Politik. Die Zusammensetzung des Stiftungsrates – in dem elf Vertreter politischer Körperschaften drei „Persönlichkeiten aus dem Bereich von Kunst und Kultur, die von der Bundesregierung berufen werden“ (Satzung), gegenüber sitzen – ist recht eindeutig gewichtet. In den ersten zehn Jahren ihres Bestehens gab es allerdings keinen unüberwindbaren Konfliktfall und entsprechend keine nach außen erkennbaren Gelüste des Stiftungsrates, von seiner Weisungsbefugnis gegenüber dem Stiftungs-Vorstand Gebrauch zu machen.
Die Einrichtung eines Stiftungsbeirats von Fachbeiräten und Jurys folgt einerseits einer sinnvollen und gängigen Praxis und zweitens der Einsicht, dass es im zeitgenössischen Kulturbetrieb Fachleute gibt und nicht nur Geschmacksurteile. Zyklische Rotation in den Gremien verhindert die Herausbildung dauerhafter Förderkanäle und Bevorzugungen. Aber nichts und niemand könnte ernsthaft die Vertreter der Politik davon abhalten, die Kulturstiftung zu behandeln wie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wenn so ein Verhalten, aus welchen Gründen auch immer, verlockend erschiene.
Dass die Bundeskulturstiftung zurzeit in der Öffentlichkeit hoch geschätzt und respektiert wird, hat mit ihrer bisher gleichermaßen konsensfähigen wie souverän profilierten Förderungspraxis zu tun. Dass der Etat – für das Jahr 2012 stehen 35 Millionen Euro zur Verfügung – keine Unsummen umfasst, sondern sich im Rahmen der Saison-Förderung eines nicht ganz kleinen Opernhauses hält, trägt dazu sicher bei. Ein vergleichsweise kleiner Etat erlaubt keine Gießkannenförderung, sondern braucht Klarheit und Präzision in den Entscheidungen, so dass jede Vergabe von Fördermitteln zugleich auch ein Akt der Selbstkonstitution der Stiftung ist.
Das Profil und das Management der künstlerischen Direktorin Hortensia Völckers und ihr damit zusammenhängendes Image im Kulturbetrieb tragen Erhebliches zur Position der Kulturstiftung bei. Hortensia Völckers verfügt über eine wache, intellektuell zugespitzte Wahrnehmung gesellschaftlicher und künstlerischer Prozesse, tendiert nicht zum Populismus, begegnet Künstlern und Politikern gleichermaßen auf Augenhöhe. Wenn so der Konsens aussieht, zu dem sich die Berliner Republik in Sachen Kultur, die sie fördern will, durchgerungen hat, dann gibt es dagegen kaum sinnvolle Einwände.
Die Bundeskulturstiftung fördert nicht allein nach eingehenden Anträgen, sondern erarbeitet seit je auch eigene Programme, oft in Kooperation anderen Institutionen des Kulturbetriebs. Schon in ihren Anfängen setzte sie die „schrumpfenden Städte“ auf die thematische Tagesordnung und begab sich damit zunächst in einigen Gegenwind. Das Thema aber ist heute ein Grundstock im Problembewusstsein von Architekten und Stadtplanern. An diesem Maßstab wird die thematische Arbeit der Stiftung in Zukunft gemessen werden.
Ihre Mittel vergibt die Bundeskulturstiftung fast ausschließlich in Form von Projektförderung, das heißt in der Regel einmalig oder über einen von vornherein begrenzten Zeitraum. So kann es passieren, dass eine sinnvolle Arbeit, deren Institutionalisierung und Fortsetzung sinnvoll erscheint, von einem Augenblick auf den anderen nicht mehr getan wird. Besonders bedauerlich war das im Falle des Netzwerks Neue Musik, dessen Förderung Ende 2011 nach fünf Jahren beendet war, was eine große Leerstelle und allerlei Ratlosigkeit hinterließ. Die einzigen Ausnahmen von diesem Prinzip macht die Stiftung im Falle der so genannten Leuchttürme – etwa Documenta, Ensemble Modern, Donaueschinger Musiktage, Theatertreffen. Die Frage allerdings, welche Kultur der Bund fördern will, ist immer nur für einen begrenzten Zeitraum beantwortet. Und die ebenso wichtige Frage, ob die Förderung auch da ankommt, wo sie hin soll, wird die Stiftung als Kriterium ihrer Legitimation permanent begleiten.