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„Suor Angelica“ aus Puccinis „Trittico“ im Theater an der Wien. Foto: Werner Kmetitsch
„Suor Angelica“ aus Puccinis „Trittico“ im Theater an der Wien. Foto: Werner Kmetitsch
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Modulationsfähige Containerkunst mit starken Stimmen: Puccinis „Trittico“ mit Rani Calderon und Damiano Michieletto im Theater an der Wien

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„Das Theater braucht Mannigfaltigkeit, denn nur sie ist erfolgreich“, meinte Giacomo Puccini – und verhielt sich entsprechend. Und da ihm Gleichförmigkeit als Unheil für die Oper vorkam, wälzte er lange die Idee, einen Opernabend mit drei heterogenen Einaktern zu bestücken. Er ventilierte bei seinen Librettisten, ob sie ihm zum Beispiel aus Maxim Gorkis Kurzgeschichten über das Leben einfacher Leute eine entsprechende Vorlage schneidern könnten – oder aus dem „Inferno“ der im frühen 14. Jahrhundert von Dante Alighieri geschriebenen „Commedia divina“.

Aus dem Gorki-Projekt wurde nichts. Dem Dante-Kontingent entsprang immerhin ein Einakter. Der bildete, als das „Trittico“ im Kriegsjahr 1918 an der Metropolitan Opera in New York herauskam, das Schluss-Stück. Mit der kleinen Trilogie stellte Puccini die ganze Palette seiner kompositorischen Möglichkeiten unter Beweis. Die Dramaturgie des Werks folgte dem Modell der seit 1897 für Sensation sorgenden Pariser Grand-Giugnol-Produktionen: Eine Schauertragödie, ein sentimentales Rührstück und eine Burleske wurden kombiniert.

Das „Trittico“ lebt also nicht zuletzt von den Kontrasten zwischen der hart veristischen Exposition „Il tabarro“ („Der Mantel“ – basierend auf einem Gegenwartsstück des Jahres 1910 von Didier Gold) und einer partiellen „mystischen Entrücktheit“ der Musik zur Klosterwelt des 17. Jahrhunderts im zweiten Stück („Suor Angelica“ ruht in Fragen der Mutterschaft, Frömmigkeit und nicht ganz wunschfreien Askese) bzw. vom finalen Gegensatz, der sich mit heiterer Turbulenz im dritten Teil einstellt (mit „Gianni Schicci“ ging es nicht zuletzt um Anknüpfung an die commedia dell’ arte, wie sie z.B. Ferruccio Busoni bereits entwickelt hatte). Alle drei Texte befassen sich mit zugespitzten Situationen von Liebe und Tod – in Form einer Eifersuchtstragödie um den Binnenschiffer Michele und dessen Frau Giorgetta in Paris, einer Fokussierung auf die vermutlich in Oberitalien zwangsweise ins Kloster gesperrte junge Adelige Angelica, die nach dem Tod ihres kleinen Sohns Suizid begeht, und in Gestalt einer altflorentiner Erbschleicher-Komödie.

Das stofflich Disparate wurde von Puccini freilich nicht nur durch verbindende Gesten des Tonsatzes zusammengehalten, sondern auch durch die Doppel- oder Dreifachbesetzungen gerade bei den zentralen Gesangspartien. Bei denen zeichnen sich jetzt im Theater an der Wien vornan Roberto Frontali als rasend eifersüchtiger Lastkahnbesitzer und zugleich als toskanisch-bauernschlauer Gianni Schicchi mit geschmeidigem Bassbariton aus, die junge russische Sopranistin Ekaterina Sadovnikova durch kleinere Auftritte in den ersten beiden Teilen und als vorzeitig schwangere Braut Lauretta im dritten.

Wie allemal, wenn eine „Trittico“-Premiere ansteht, stellte sich auch an der linken Wienzeile die Frage, ob es der Regisseur mehr mit der Heterogenität der Stoffe und Werkteile hält oder eher auf Homogenisierung bedacht ist. Damiano Michieletto aus Venedig wählte einen „compromesso storico“. Er ließ den Bühnenbildner Paolo Fantin eine sich auftürmende Installation von sieben Container für die eng begrenzte Transportunternehmerwelt Micheles entwerfen. Die Landschaft der auf der Bühne sehr wuchtig wirkenden Transportkisten wird im Laufe des Abends variiert, kehrt am Ende aber in der Ausgangsposition wieder.

Der am Seine-Ufer bei Paris ankernde Kapitän, dessen Ehe sich nach dem Tod des einzigen Kindes zerrüttete, bestraft die untreu gewordene Ehefrau durch die Tötung von deren Liebhaber (Maxim Aksenov ist der Dritte im Bund der starken Stimmen). Giorgetta – die in der Höhe nicht immer ganz zielsichere Patricia Racette – bleibt verzweifelt vor den abgeschabten und angerosteten riesigen Metallbehältern stehen. Die öffnen sich und geben den Blick frei auf eine Verwahranstalt für Frauen, die zeitlich und geographisch nicht genau verortet wird: Die Oberin und zwei Unteroffizierinnen des Ordens setzen mit kalter Herrschaftstechnik, Prügel und eiskaltem Psychoterror die rigideste Ordnung, Disziplin und Sauberkeit durch. Neben einer mit Devotionalienbildern geschmückten kargen Zelle zeigt sich ein Waschraum mit vielen Trögen, an denen die Schwestern Fleiß und Selbstvergessenheit unter Beweis stellen müssen. Nicht alle Schwestern sind dem Druck gewachsen. Eine erstickt sich bald unter einer Plastiktüte – und Suor Angelica, die Pflanzenheilkundeexpertin, gibt sich nach den niederschmetternden Nachrichten aus der Außenwelt mit etwas Selbstgebrautem den Rest. Die von Michieletto entwickelten Bilder und seine Personenführung konterkariert den Wärmestrom des Tonsatzes nach besten Kräften.

Für die abschließende altflorentiner Geschichte um den steinreichen Buoso Donati und dessen Erbengemeinschaft überziehen sich die Container-Elemente mit altväterlichen Seidentapetenmustern und die Terrassenlandschaft füllt sich mit wertvollem ‚antikem‘, aber offensichtlich nicht systematisch oder gar geschmackssicher gesammeltem Mobiliar. In diesem stilistischen Kauderwelsch profiliert sich Marie-Nicole Lemieux als Zita und stärkste der starken Stimmen. Sie brilliert, wie zuvor schon in „Suor Angelica“, in den Partien der hartherzigen und eigensüchtigen Tante, d.h.: sie schlägt ggf. mit voller Wucht zu. Aber sie fügt sich auch ins Ensemble, wenn auf nicht ganz gesetzeskonforme Weise das Testament geändert wird und Puccini in die bewährten Bahnen seiner Erfolgsrezepte einkehrt. Am Ende fragt Signor Schichi, der Sieger im Erbe-Poker, in einem kurzen Epilog das Publikum, ob es sich mit der Vielfalt der drei Stücke des Abends gut bedient fühle. Da klappen die Container wieder zu und verweisen so auf einen permanenten Kreislauf bei der Erörterung der Spannungsverhältnisse von Liebe und Tod – ein Coup de théâtre, wie er fürwahr nicht alle Tage gelingt.

Dem „Trittico“ wird wegen der Espressivität der Melodieführung, den differenzierten Gesten und dem Facettenreichtum der Orchesterfarben der Rang eines „Hauptwerks“ zugesprochen. Der als Ersatzmann eingesprungene Dirigent Rani Calderon realisiert die verschiedenen „Tinten“ der Puccinischen Schreibweise mit dem ORF-Orchester klar und plausibel. Calderon sorgt für Schwung und feine Nuancen. Es können einem in diesem Wiener Einakter-Abend kalte Schauer über den Rücken laufen und Mitleidsattacken zu schaffen machen, bis sich dann ein ordentlich traditionsgestütztes Vergnügen der wohlbürgerlichen Sorte einstellt.

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