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Foto: Bregenzer Festpiele
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Multimediales Crossover-Ritual: François Sarhans „Home Work“ bei den Bregenzer Festpielen

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Sein Schaffen als reiner Komponist ist dem 1972 geborenen französischen Künstler François Sarhan nach eigenen Angaben schon vor Jahren zu eng geworden. In Interviews erklärt er, dass nicht nur die Musik, sondern auch die Literatur, das Sprechtheater und der Film seine großen Lieben seien. Deshalb ist er seit einiger Zeit mit seinen interdisziplinären Produktionen unterwegs.

Wie so ein multimediales Werk aus der Feder Sarhans aussehen kann, zeigte nun die bei den 66. Bregenzer Festspielen uraufgeführte überarbeitete Fassung seiner Produktion „Home Work“, die er genretechnisch als „Ritual für 6 Musiker“ bezeichnet. Hinter dieser schlichten Definition verbirgt sich ein Gesamtkunstwerk, das auf originelle Weise von Musik der verschiedensten Stile, Rezitationen und Video-Einspielungen geprägt ist.

Francois Sarhan schuf hier gleich im doppelten Sinne eine Collage. Zum einen, weil die Musik in seiner Komposition verschiedene Abschnitte mit unterschiedlichsten Stileinflüssen enthält. So reicht das Spektrum hier von der Body-Percussion über das rockige Spiel einer verzerrten E-Gitarre und Elemente des Jazz bis hin zu Anlehnungen an die Romantik und die Moderne der Klassik sowie Rezitationen im Stil eines Poetry-Slams. Insgesamt kann man diesen durchkomponierten Crossover-Stil trotz all seiner Facetten aber durchaus noch der modernen Klassik zuordnen.
Zum anderen – und das ist das eigentlich Spannende an der Geschichte – besteht die Collage in dieser Produktion nicht nur durch die Musik selbst und damit durch die zeitliche Abfolge unterschiedlich beeinflusster Klangpassagen, sondern auch in räumlicher Hinsicht. So agieren jeweils zwei der insgesamt sechs Musiker auf einem von drei Bühnensegmenten, die wie auf einer Drehbühne angeordnet sind. Nur ist es hier das Publikum, das sich bewegen muss, um alle Bühnenakteure sehen zu können.

Da lohnt es sich dann auch hin und wieder mal einen Blick auf das Publikum zu werfen, das es am Anfang noch leicht hat, wenn nur jeweils ein Bühnensegment beleuchtet und bespielt wird. Dann aber beginnt die im wahrsten Sinne des Wortes konzertante Aktion auf allen drei Abschnitten, die nicht alle gleichzeitig einsehbar sind. Da stellt sich dann jedem einzelnen Besucher die Frage, ob er mit oder ohne dem zur Verfügung gestellten Papp-Hockerchen vor diesem Abschnitt der Bühne verweilen will oder rund um die zentral in den Raum gestellte Bühne wandert.

Aber nicht nur in dieser Hinsicht beweist Sarhan Humor. So agieren Perkussionist Gerrit Nulens und E-Bassist Géry Cambier im Bühnenbild einer Garage, E-Gitarrist Tom Pauwels und Posaunist Daniel Ploeger in einer Einbauküche, während Saxophonist Mathieu Metzger und Pianist Jean-Luc Plouvier im Wohnzimmer mit Jugendstil-Touch ihre Performance über die Bühne bringen. Der Perkussionist rezitiert während seiner Body-Percussion eine Bauanleitung für ein mechanisches Spielzeug, der Saxophonist sinniert darüber, was bei seiner Verabredung schief gehen könnte und der Gitarrist wundert sich abstrakt als „Hobby-Chef“ über so manchen elektronischen Effekt. Dazu kommen Auszüge aus alten Filmen und alles ist irgendwie absichtlich kurios bis unpassend und bildet doch ein faszinierendes Ganzes.

Das lag an diesem Abend auf der Werkstattbühne des Bregenzer Festspielhauses auch an den sechs Musikern des Brüsseler Ensembles „ICTUS“, die trotz der räumlichen Trennung – allerdings ausgestattet mit dem berühmten Knopf im Ohr – eine hervorragend abgestimmte Bühnen-Kommunikation und Geschlossenheit boten.

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