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Edward Said National Music Conservatory, Ramallah
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Music on Troubled Soils – Der Europäische Musikrat in Ramallah und Jerusalem

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Politische Unterdrückung, gewaltsame Zerstörung und Bombenattentate bestimmen die Pressemeldungen über den Krisenherd im Nahen Osten. Die täglichen Nachrichten vermitteln ein trauriges Bild von Krieg, grenzenlosem Hass und erschreckender Hoffnungslosigkeit. Doch wie überall in der Welt sehnen sich auch hier die Menschen nach Frieden; und ein paar besonders mutige Akteure setzen sich trotz zahlreicher realer Grenzen und psychischer Barrieren für ein friedliches Miteinander mit ihren Nachbarn ein.

Vom 22. bis 23. Oktober tagte der Vorstand des Europäischen Musikrates (EMC) im Edward Said National Music Conservatory in Ramallah, deren Direktor Suhail Khoury einen Einblick in das Schaffen der Musikschule gab. „Es ist unser Ziel die Musikschülerinnen und -schüler in ihrer eigenen Kultur zu stärken, um eine Alternative zu Hass und Gewalt anzubieten“, so Khoury. Er hofft sehr, dass einige der Schüler später als Lehrer an die Musikschule zurückkehren werden.

Im Anschluss an die Vorstandssitzung veranstaltete der EMC gemeinsam mit dem Israelischen Musikrat im Jerusalem Music Center in Israel vom 23.-26. Oktober die Konferenz Music on Troubled Soils. Hier wurde einem Teil der musikalischen Friedensaktivisten ein Forum für einen intensiven Austausch über Musik als Medium zur Völkerverständigung geboten.

Die Konferenz gestaltete sich als Projektbörse, bei der ein Großteil der circa 50 Teilnehmenden die eigene Arbeit auf dem Podium präsentierte. Angereist aus Südafrika, den USA sowie einer Vielzahl europäischer Länder wie Deutschland, Schweden, Portugal und Zypern versammelte sich eine internationale Gruppe engagierter Musikschaffender. Die vorgestellten Projekte finden u.a. in Palästina, Israel, Zypern, dem ehemaligen Jugoslawien und Saudi Arabien statt.

"Wir haben uns schon oft über die Grenzen gesungen", erzählte Laura Hassler, Gründerin von Musicians without Borders, eine Anekdote, wie sie mit dem Musikbus als fahrendes Klassenzimmer voller Instrumente Schwierigkeiten hatten, die Grenze zwischen Kroatien und Bosnien-Herzegowina zu passieren. Gemeinsam mit einer Gruppe niederländischer und internationaler Musiker hat die gebürtige Amerikanerin zunächst mit dem regionalen Schwerpunkt "Balkan" eine Vielzahl unterschiedlicher Musikprojekte durchgeführt und den Menschen vor Ort dabei geholfen, sozio-kulturelle Zentren aufzubauen. Mit dem Ziel der Nachhaltigkeit und der Hilfe zur Selbsthilfe bildet neben Workshops mit Kindern auch die Ausbildung von Musikpädagogen einen zentralen Inhalt ihrer Arbeit. Derzeit wird der Aktionsradius der Organisation auf Palästina und Zypern ausgeweitet.

"Ich muss Ihnen zunächst gestehen, dass ich ein israelischer Jude bin, der mit Palästinensern arbeitet", leitet Danny Felsteiner seinen Vortrag zum Aufbau einer Musikschule im palästinensischen Stadtteil Silwan in Ostjerusalem ein. Der deutlich zynische Unterton in seinem Eingangsstatement erklärt sich durch die Schwierigkeit, überhaupt Teilnehmende für israelisch-palästinensische Kooperationsprojekte zu finden – eine Kooperation mit der jeweils anderen Seite wird von den eigenen Leuten allzu schnell als Verrat angesehen. Neben seiner pädagogischen Arbeit spielt Felsteiner in dem israelisch-arabischen Ensemble Derech As-Salaam oder Tariq Hashalom, was auf arabisch und hebräisch soviel wie "Weg des Friedens" bedeutet. Die vierköpfige Band eröffnete die Konferenz am Donnerstagabend mit einer Darbietung ihres Konzertrepertoires, das sich aus traditioneller arabischer Musik sowie eigenen Kompositionen mit hebräischen und arabischen Texten zusammensetzt. Für ihren Auftritt in Jerusalem konnte erfolgreich ein Aufenthaltsvisum für die Sängerin aus dem palästinensischen Flüchtlingslager Bethlehem beantragt werden; in der alltäglichen Arbeit des Ensembles lassen sich Proben und Konzerte grenzüberschreitend allerdings oft nur schwer realisieren.

Ein weiteres sehr bewegendes Konzert im Rahmen der Konferenz wurde von dem Mozaik Choir, einem Kooperationsprojekt zwischen dem palästinensischen Sawa Choir und dem israelischen Efroni Choir dargeboten. Die beiden Chöre, die fast ausschließlich aus Mädchen bestehen, singen gemeinsam Stücke in beiden Sprachen. Ein wichtiges Anliegen der israelischen und arabischen Chorleiter ist die Begegnung zwischen den Eltern der Sängerinnen in möglichst naher Zukunft, um so über die Musik hinaus den Dialog zwischen den Völkern anzuregen.

Der amerikanische Medien- und Musikpädagoge David Sanders zieht bei seiner kommentierenden Abschlussrede drei zentrale Folgerungen aus der Konferenz: Erstens sei es unbedingt notwendig ein engeres internationales Netzwerk zwischen den Akteuren zu knüpfen, um Erfahrungen auszutauschen, Best-Practice-Beispiele zu veröffentlichen und sich gegenseitig den Rücken zu stärken. Zweitens sollten die Medien besser genutzt werden, um eine größere Öffentlichkeit zu erreichen und mehr positive Meldungen von den Krisenregionen nach außen zu transportieren. Und drittens müssten begleitende Evaluationsstudien initiiert werden, um weitere Förderer und Sponsoren zu gewinnen.

Wenn auch vielfach die geografische Unausgewogenheit der Teilnehmer kritisiert wurde, war die Konferenz ein erster Schritt in die richtige Richtung und zweifellos eine sehr inspirierende und bewegende Veranstaltung. Wohl kein Konferenzbesucher blieb unberührt von dem scheinbar unermüdlichen persönlichen Einsatz und dem Engagement einzelner Personen für ein friedliches Miteinander zwischen verfeindeten Völkern. Trotz unterschiedlicher Schwerpunktsetzung in Zielgruppe und Dauer der Projekte, vereint alle Initiatoren dasselbe Ziel: Das gemeinsame Musizieren soll der Bevölkerung in Krisenregionen Freude und Selbstbewusstsein vermitteln, die Suche nach einer kulturellen Identität erleichtern, sowie ein Sprachrohr zur Kommunikation mit den Nachbarn und Mitmenschen bieten.

"Sie glauben also tatsächlich, dass Sie uns mit Ihrer Musik in diesem Land helfen können?", fragte amüsiert ein Sicherheitsbeamter bei der Ausreise am Flughafen in Tel Aviv, Israel. Natürlich ist es naiv zu glauben, dass wir mit ein bisschen Musik einen derzeit so auswegslosen Konflikt auf politischer Ebene lösen könnten. Und dennoch: Alle diese engagierten Musikerinnen und Musiker, die während der Konferenz in Jerusalem ihr Projekt präsentierten, können einen kleinen Samen der Hoffnung für mehr Menschlichkeit, Toleranz und Frieden säen! Wollen wir hoffen, dass diese Saat irgendwann Früchte trägt!

 

Mehr Informationen über die Konferenz, ihre Teilnehmer und vorgestellten Projekte finden Sie unter www.emc-imc.org/mots

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