Music on the Water im Starnberger See. Es ist ein märchenhaftes Ambiente, in dem fast zaghaft die ersten Töne des Vibraphons und des Basses erklingen. Sie scheinen die Akustik des offenen, von Peter Joseph Lenné und Franz Jakob Kreuter ab 1850 künstlich erschaffenen Naturraumes zu erkunden, der in das warme Licht der späten Sommersonne getaucht ist. Auf der grünen Wiese, dunkelblau mit Günsel gesprenkelt, in der Kulisse hundertjähriger Bäume unter strahlend blauem Himmel und vor dem Prospekt der königlichen Villa haben sich drei Jazzmusiker vor dem Oval von 180 voll besetzten Stühlen eingefunden, um die Einheit von See, Flora und Fauna musikalisch zu zelebrieren.
Dieses musikalische Projekt mit Lars Danielsson am Bass, Christopher Dell am Vibraphon und Nils Landgren an der Posaune könnte hier seinen Ursprung gehabt haben, hier auf der sommerlichen Roseninsel, dem wieder erstandenen Kleinod vor Feldafing. Doch es begann auf dem holsteinischen Gut Salzau am Ende des Festivals JazzBaltica 2005, von Siegfried E. Loch, Bürger von Feldafing, Produzent und Chef des Plattenlabels ACT initiiert. Entstanden ist dabei die wunderbar stimmungsvolle Live-CD „Salzau Music on the Water“ (ACT 9445-2).
Diesmal war Loch an dem neuerlich einmaligen Ereignis aber weitgehend unschuldig. Ganz unbeteiligt aber doch nicht, denn diese Aufnahme ist eine Lieblings-CD des Feldafinger Bürgermeisters Bernhard Sontheim, der nicht ganz zufällig auch der Vorsitzende des eingetragenen Vereins „Jazz am See“ ist. Der entstand nämlich vor neun Jahren und einem Monat zum 150-jährigen Jahrestag von Parks, Rosenrondell und Villa auf der Insel und ihrer Öffnung für die Öffentlichkeit. Schließlich sollte das Jubiläum mit einem Jazzkonzert würdig begangen werden. „Music on the Water“ hier noch einmal erklingen zu lassen, war ein langgehegter Wunsch von „Jazz am See e. V.“ und seinem Vorsitzenden, der jetzt endlich bei schönstem Sommerwetter verwirklich werden konnte. Zum vierten Mal spielte das Trio dieses Programm, das Sontheim trotzdem zu recht als „Welturaufführung, die es so auch nicht mehr geben wird“ ankündigte.
Denn es gehört zum Konzept des Projektes, die Klänge der Natur mit einzubeziehen. Die Aufnahmen in Salzau entstanden am frühen Morgen ab 5 Uhr auf dem Installationskunstwerk „Music on the Water“ im Schlossteich. Diese filigrane Konstruktion und die von ihr ausgehende melancholische Stimmung haben das Aufnahmeprojekt und die Gemeinschaftskomposition und -Improvisation inspiriert. Zu Sonnenaufgang war daran auch ein vielstimmiger Vogelchor beteiligt. 13 Stunden und einige Jahre später gibt der beginnende und fortschreitende Abend die Stimmung vor und beeindruckt Musiker wie Zuhörer.
Die ersten zarten Klänge der drei Instrumente vor der pompejanisch-bayerischen Fassade der Casino genannten Sommerresidenz werden vom heiseren Krächzen einiger mehr oder weniger musikalischer Krähen untermalt, was das Zwiegespräch von Vibraphon und Bass nicht weiter stört. Nach dem Einfallen der Posaune antworten die Schwalben hoch in den Bäumen dem weichen Klang, den Landgren aus seinem Instrument schweben lässt. Schließlich fällt zur Freude von Musikern und Publikum auch der Chor der Frösche mit ein. „Die Tiere spielen mit. Das ist genau das, was wir haben wollten. Das haben wir so noch nie gemacht“, kommentiert der Posaunist zur Pause. „Dafür haben wir aber auch sehr lange geprobt!“, wirft Dell scherzend ein. Vielleicht hat ein verfrüht fallendes Buchenblatt Landgren dazu inspiriert, gegen Ende des Konzerts plötzlich „Autumn Leaves“ anzustimmen. Musik und Stimmung sind entspannt und heiter, mit einem Hauch von Melancholie.
Zum Glück beteiligen sich keine Moskitos an diesem einmaligen Konzert, sodass es ein ungestörter Musikgenuss bis in die beginnende Dämmerung hinein blieb. Ein „Highlight des Jahres“ nicht nur für „Jazz am See“. Auf das 10-jährige Jubiläum des Vereins im nächsten Jahr und das geplante Festival mit dem neu gegründeten Dachverein „See-Jazz“ Mitte August 2013 darf man sich freuen.