Das neue Bonbon-Logo der Bonner Beethovenhalle mag dem Puristen missfallen – doch verspricht jenes Konzept viel, mit welchem der neue Bonner GMD Stefan Blunier seinem künftigen Publikum die Musik vermitteln will. Zuvor hatte der gebürtige Schweizer das Darmstädter Staatstheater geleitet, außerdem macht sich Blunier seit seinem Studium an der Folkwang-Hochschule für die Etablierung zeitgenössischer Musik im Konzertleben stark.
Bei seinem Debut in der Beethovenhalle sprühte Stefan Blunier vor Vitalität und Tatendrang. Hörer wie Ausführende forderte er gleichermaßen bei seinem Taktstock-Debüt – mit Györgi Ligetis „Lontano“, den fünf Orchesterstücken von Arnold Schönberg sowie der monumentalen Alpensinfonie von Richard Strauss, deren Aufführunng mit 137 Musikern inklusive Fernorchester einem „Happening“ – so Blunier – gleichkommen sollte.Fortan will Stefan Blunier jeder Aufführung ein erkenntnisleitendes Motto voranstellen, das fördere die tiefgreifendere Rezeption. Beim Debüt sollte es um das Aufspüren von „Klangfarben“ im Spannungsfeld synästhetischer Empfindungen gehen, wie er zur Einführung erläuterte. Jedes Konzert bekommt künftig sein Einführungsreferat vom Maestro persönlich.
Entsprechend gut präpariert konnte das Publikum in der vollbesetzten Beethovenhalle in ein exeptionelles Mammutprogramm eintauchen: Ligetis „Lontano“ fasste Blunier als feinsinnige Studie von der Genese eines Klangereignisses auf. Dieses wird von artverwandten Instrumenten generiert und wächst im subtilen Crescedo bei ständiger Veränderung der akustischen Oberfläche. Berühmt wurde diese Komposition als Filmmusik zu Stanley Kubricks Horror-Meisterwerk „Shining“ – dort transportiert das Orchester Angstzustände, die das Blut in den Adern gefrieren lassen. Blunier geht mit seinem „neuen“ Orchester einen etwas anderen Weg. Sein Dirigat dosiert die Dynamik, er dämpft behutsam und mildert die Schärfe der Klänge zugunsten eines deutlich subtileren Ausdrucks – dieses Musizieren zielt auf eine tiefe innere Ruhe ab.
Kontrolliert und impulsiv musizierte das Orchester dann Schönbergs expressionistische Orchesterstücke ein. Die Sinfoniker agierten flexibel und wendig genug, um das Fragmentarische, fast Collagenhafte dieser sinfonischen Skizzen herauszukehren.
Viele Konzertprogramme bewegen sich in ihrer musikhistorischen Chronologie vorwärts. Auch diese Konvention bürstet Blunier gegen den Strich. Mit der Alpensinfonie von Richard Strauß beschloss das „konservativste“ und gleichzeitig monumentalste Werk den Abend. Es beginnt in der Nacht – mit einem verhaltenen Choralmotiv. Blunier dosierte gerade hier wieder feinfühlig die leisen Töne und baute dann das sinfonische Panorama im wohlkalkulierten Breitwandformat auf – mit kontrolliertem Pathos, vereinzelten Unsicherheiten und leuchtenden Klangfarben, denen begeisterte Ovationen entgegen gebracht wurden.
Sicherlich schöpfen Blunier und das Beethovenorchester zurzeit noch längst nicht alle Potenziale aus, aber die Spielkultur wird sich unter dieser künstlerischen Leitung ausbilden – darauf lässt dieses Debüt hoffen.