Die deutsche Museumslandschaft ist mit etwa 6000 Museen fast unüberschaubar groß und thematisch äußerst vielfältig. Die Museen selbst sind dabei manchmal nicht sehr groß, haben aber immer etwas Besonderes zu zeigen und sind liebevoll gestaltet. Der Internationale Museumstag will diese Vielfalt der Museen präsentieren und zu einem (Familien-)Besuch anregen. Die nmz hat schon im vergangenen Jahr eine Reise durch deutsche Musikmuseen angetreten. Nach Schleswig-Holstein und Hamburg besuchen wir in diesem Jahr zwei kleine feine Sammlungen in Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen.

Musikalische Jahrestage. 19. Mai. Internationaler Museumstag
Musikalische Jahrestage (8) – 19. Mai – Internationaler Museumstag

Der Alleinunterhalter – er bewegt seine Finger und sein Akkordeon zur Musik. Aber auch seine Lippen und seine Augen – man fühlt sich beobachtet!. © Ralf-Thomas Lindner
Am Internationalen Museumstag, der weltweit am 18. Mai begangen wird, sollen die doch so unterschiedlichen Sammlungen besonders in den Blickpunkt gerückt werden. Ausgestellt wird dabei (fast) alles vom kleinen (urzeitlichen) Samenkorn bis zum hochtechnisierten unsinkbaren Seenotrettungskreuzer – angelehnt an die Worte Pablo Picassos „Gebt mir ein Museum, und ich werde es füllen“. Tatsächlich sollte für Jeden und Jede etwas dabei sein, was das persönliche Interesse, aber auch die Erweiterung des eigenen kleinen Dunstkreises bereichern.
Zentrale Eröffnungsveranstaltung
In Deutschland übrigens findet der Internationale Museumstag, der in diesem Jahr zum 47. Mal begangen wird, abweichend von der internationalen Regelung immer am 2. oder 3. Sonntag im Mai statt. Schirmherr(in) des Museumstages ist der jeweilige Bundesratspräsident bzw. die Bundesratspräsidentin. In diesem Jahr wird Manuela Schwesig den Aktionstag mit einer zentralen Feier im Fritz-Reuter-Literaturmuseum im Schloss Stavenhagen eröffnen. In Ihrem Grußwort spricht sie von Lernen und Erinnern, aber auch von Freude und Auseinandersetzung.
Unser erstes Museum, das wir heute vorstellen, liegt auch in Mecklenburg-Vorpommern, genauer in Kröpelin, einer kleinen Stadt mit knapp 5000 Einwohnern in 16 kleinen ländlichen Ortsteilen. Und doch ist so etwas wie das Zentrum einer Musikrichtung, die – obwohl die innerdeutsche Grenze schon lange gefallen ist – noch immer weiterlebt, dem Ostrock. Hier in Kröpelin hat sich das Ostrockmuseum angesiedelt, gleichzeitig gab es ab 1996 über 25 Jahre im Ortsteil Schmadebeck (mit immerhin 80 Einwohnern) das Festival „Dorfrock“. Im Herbst dieses Jahres soll dort wohl wieder etwas festivalartiges wiederbelebt werden. Das Ostrockmuseum teilt sich mit dem Kröpeliner Stadtmuseum und der Stadtbibliothek ein Haus. Gemeinsam werden sie von der Kommune finanziert und mit nur einer hauptamtlichen Kraft geführt.
Die Kreuze macht ein Funktionär
Das Dilemma in der DDR war, dass man dort in seiner eigenen Blase lebte und den Westen in gewisser Weise verteufelte und ihm keinen politischen und kulturellen Einfluß einräumen wollte. Daraus resultierte etwa das Verbot, Westsender im Radio zu hören. 1974 textete die Ostrock-Gruppe Renft: „Seine Kinderjahre / Lagen ihm im Magen / Wie Steine, doch er weint nicht mehr / Manchmal sagt Otto / Leben ist wie Lotto / Doch die Kreuze macht ein Funktionär.“ Am Ende des Liedes schreit Otto: „Hol mich nach Norden / Hol mich oder ich flieh.“ Fast hätte man es vorhersehen können – 1975 wurde die Gruppe Renft in der DDR verboten.
Die Musikszene in DDR war vollständig staatlich kontrolliert – Politik und Musik ließen sich nicht trennen. Gleichzeitig hatte die Politik einen hohen Qualitätsanspruch an die Musik. Wer im Osten der Republik Musik machen wollte, musste ein Hochschulstudium vorweisen. Das war für die Musik nicht immer von Vorteil. Vieles Musikalisches war zu akademisch, mit anspruchsvollen und selbstverständlich ausschließlich deutschsprachigen Texten, dafür aber oft nicht tanzbar. Immerhin konnte die DDR so für sich in Anspruch nehmen, die erste deutschsprachige Rockmusik vor Udo Lindenberg hervorgebracht zu haben.
Natürlich konnte man den Musikbedarf in den Kneipen und Musikclubs der DDR nicht ausschließlich mit Hochschulabgängern leisten. Es gab auch eine Amateurmusikszene, die vor Ort sehr präsent war. Alle Musiker einte, dass sie sich der Kontrolle, den Vorgaben und der Zensur des Staates zu beugen hatten. So mussten zum Beispiel alle zwei Jahre die Amateurmusiker einem Gremium vorspielen, das ihnen quasi eine Lizenz ausstellte, die sie berechtigte, öffentlich Musik zu machen. In diesem Pass wurde auch vermerkt, wie viel der Musiker für seine Auftritte als Honorar verlangen durfte – irgendetwas zwischen 3,50 Reichsmark und 10 Reichsmark.
Brotlose Kunst?
Zwar erzielten die Musiker im Verhältnis zu anderen Bürgern ein erhebliches Einkommen, waren aber nicht renten- und sozialversichert. Manche Amateurmusiker spielten an sechs oder sieben Abenden in der Woche. Für die Versicherung hatten sie dann oft einen kleinen „Nebenjob“, der diese sicherstellte. Viel Geld konnten sie bei dieser Lebensweise, die aus abendlicher Musik, Schlaf und ein paar Stunden Nebenerwerb bestand, nicht ausgeben. So versuchten sie über Kollegen aus der Tschechoslowakei und Bulgarien, zu denen sie ja innerhalb des Ostblocks Kontakte pflegen konnten, bessere Musikinstrumente zu bekommen. Dabei wurde die Reichsmarkt oft im Verhältnis 1:5 bis sogar 1:10 in Westgeld umgetauscht.
In den fünf kleinen liebevoll gestalteten unter dem Dach gelegenen Räumen des Ostrockmuseums werden alle diese Aspekte des Ostrock-Lebens ausführlich vorgestellt. Man begegnet dabei Karat ebenso wie den Puhdys, Omega und vielen anderen. Vor Ort wurde vieles gesammelt, eine Dauerleihgabe aus Berlin rundet die Sammlung ab: Musikinstrumente, Noten, Schriftstücke, Tonbänder, Vinylschallplatten (die alten, echten!), Kleidungsstücke und vieles andere mehr zeichnen ein umfangreiches Bild einer Musikkultur, die ein wenig unter einer Käseglocke gelebt hat. – Die Gestaltung des Museums wurde in Zusammenarbeit mit Studenten der Hochschule in Wismar realisiert. Diese entwarfen im Rahmen von Seminararbeiten die Gestaltungsideen und durften diese dann vor Ort in Kröpelin auch realisieren.
Das Ostrockmuseum ist ein kleines Museum, für das man sich Zeit nehmen sollte – die Räume sind voll (aber nicht überfrachtet) und man kann an jeder Ecke etwas Spannendes entdecken. Am Internationalen Museumstag hat das Museum nicht geöffnet – aber man kann ja auch an anderen Tagen und „einfach mal so“ ins Museum gehen!
In Niedersachsen besuchen wir das Museum Mechanischer Musikinstrumente in Königslutter. Es ist eine Entdeckungsreise in die Zeit bevor unsere moderne Zeit mit Radio, Schallplatte, CD und Internet angebrochen ist. Mechanische Musikinstrumente haben einen – um es modern auszudrücken – Datenträger, der die Musik gespeichert hat. Drei gängige Systeme haben sich dabei eingebürgert: die Stiftwalze, die Lochplatte und die Lochbänder. Stiftwalzen kennt man von den kleinen Spieluhren, die man – mit „Happy Birthday“, dem Hochzeitsmarsch oder anderen „musikalischen Highlights“ – allüberall im Handel bekommt: eine Walze, die mit einer Kurbel gedreht wird. Auf der Walze sind erhabene Stifte, die auf einem Stimmkamm einzelne Lamellen anreißen, die dann erklingen und nacheinander gemeinsam eine Melodie produzieren. Das Loch System funktioniert letztlich ähnlich – da, wo auf Scheibe oder Band ein Loch ist, kann ein Ton aktiviert werden.
Seit dem 18. Jahrhundert sind Spieluhren weitverbreitet, anfangs als Flötenspielwerke in Uhren, ab etwa 1815 dann als selbständige Spielwerke ohne Uhr – zum ergötzlichen Zeitvertreib. Ihr Ursprung liegt in der Schweiz und sie wurden dann über ganz Europa vertrieben. Sie sind Spielzeuge einer wohlhabenderen Gesellschaftsschicht, sind Luxusartikel, was man schon an ihrem Preis erkennen kann. Oft werden sie in Schmuckstücke, Puder- und Tabakdosen eingebaut. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden sie für weitere Kreise erschwinglich, sind in alltäglichen Gebrauchsgegenständen wie Fruchtschalen, Nähkästchen, Fotoalben und sogar Kleiderbürsten zu finden. Das musikalische Repertoire bedient sich oft bei Opernarien und später auch im Bereich der Operette.
Das Museum in Königslutter wurde aus einer bestehenden Sammlung heraus im Jahr 2005 gegründet. Der Sammler Jens Carlson aus Braunschweig hatte in den 1960ern und 1970ern Musikautomaten gesammelt. Zu dieser Zeit waren sie oft günstig zu bekommen, da die Technik (Radio, Schallplatte) diese Maschinen überholt hatte und auch viel günstigere Alternativen in der Beschallung von Kneipen und Lokalen bot. Alte Lokale wurden aufgegeben oder die nachfolgende Generation wollte moderner sein – so konnte Carlson an diese wunderbaren Automaten relativ preisgünstig herankommen. Dabei sammelte er wenig differenziert absolut alles, was er bekommen konnte. Als sein Platz in Braunschweig knapp wurde und das Dach seiner Halle einem Regenguss nicht standhielt, wollte er Anfang des 21. Jahrhunderts die Sammlung veräußern.
Inn Braunschweig hatten die beiden ortsansässigen Museen kein Interesse an der Sammlung, da sie zu wenig braunschweig-spezifisch war und auch einen erheblichen Platzaufwand gefordert hätte. In Königslutter, das touristisch recht gut erschlossen war, gab es zu der Zeit nur ein kleines städtisches Museum und ein Dommuseum. Eine Stiftung, die von der Stadt Königslutter, dem Landkreis Helmstedt und der Kulturstiftung des Bundes gegründet wurde, übernahm zwei Drittel der Sammlung – mehr war finanziell nicht zu schaffen. Das letzte Dritte ging an das bereits bestehende Deutsche Musikautomaten-Museum in Bruchsal.
In Königslutter werden etwa 250 Jahre Musikautomatengeschichte ausgestellt – und alles ist spielbar, kann angehört werden. Da gibt es die kleine Vogeldose (etwa in der Größe einer kleinen Pillendose), die – wenn die Feder aufgezogen wurde – ihren Deckel automatisch öffnet und ein kleiner Vogel herauskommt, der sich bewegt und tschilpende Geräusche von sich gibt. Eine mit einem Fächer wedelnde Japanerin und ein sitzender Hund, der sich umschaut – alles von Musik begleitet. Musikautomaten, die durch einen Groschen (wir erinnern uns an diese alte Währungseinheit: „wenn der Groschen fällt“) in Gang gesetzt wurden – fast ausschließlich in öffentlichen Räumen standen. Selbstspielenden Klaviere, die durchaus selbst bespielt werden konnten, aber auch mit einem pneumatischen Lochstreifensystem automatisch betrieben werden konnten.
Und im letzten Saal diese großen selbstspielenden Orchestrien, die wir heute fast nur noch von Jahrmärkten kennen. Diese gab es aber auch für den privaten Bereich oder für Lokale. – All das wird man am Internationalen Museumstag sehen und hören können. Dazu holt die Leiterin des Museums, Frau Edelmann, auch einige Stücke aus dem Magazin, die sonst nicht in der regelmäßigen Ausstellung zu sehen sind. Als besonderes Highlight gibt es eine historische Hitparade: Die Musikautomaten hatten ja ein großes Manko – sie machten zwar gigantisch laute und schöne Musik, allerdings ohne Text. Das war als Radio und Schallplatte aufkam auch ihr wahrscheinlich entscheidender Todesstoß. Man stelle sich den „kleinen grünen Kaktus“ ohne Text auf einem Orchestrion vor – schöne Musik, aber der Witz fehlt. Deshalb werden am Museumstag einige alte Schellackplatten auf das Grammophon gelegt – Klänge aus der Zeit nach den Musikautomaten.
Weitere Informationen:
- Das Programm des diesjährigen Internationalen Museumstages mit allen Einzelveranstaltungen, die über eine Suchmaske individuell abgefragt werden können
- Das Festival „Dorfrock“ bei wikipedia
- Homepage von Bibliothek, Stadtmuseum und Ostrockmuseum in Kröpelin
- Homepage des MMM (Museum Mechanischer Musikinstrumente) in Königslutter
- Homepage des Deutschen Musikautomaten-Museums in Bruchsal
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