Musik ist der Kitt, der unser gesamtes Dasein sicher zusammenhält. Musik ist eine internationale Sprache, nicht zuletzt über die Emotion ein multi-verständliches Kommunikationsmittel. Die Pflege, die Förderung und der Schutz dieses weltweiten Kulturgutes sollte und muss die oberste Priorität in unserem Denken und Tun haben. Dadurch wird Musik auch zu einem politischen Thema, denn die Politik ist dafür zuständig Strukturen, Prozesse und Inhalte zur Regelung der Angelegenheiten des Gemeinwesens zu erlassen. Der „Bundesweite Tag der Musik“ am 21. Juni will dafür immer wieder das Bewusstsein schaffen.

Musikalische Jahrestage (9) – 21. Juni – Bundesweiter Tag der Musik / Fête de la Musique
Musik umgibt uns – ob wir es wollen oder nicht – den ganzen Tag. Überall dudelt uns etwas entgegen, sei es im Büro, im Kaufhaus, beim Friseur oder anderswo. Da sind der Straßenmusiker und das vorbeifahrende Auto mit „etwas“ zu lauter Musik. Festivals und Konzerte prägen einen Teil unserer Freizeit. Die besonders Glücklichen unter uns machen selbst Musik: spielen ein Instrument oder singen im Chor. Kategorien wie Amateur und Profi haben dabei letztlich nur marginale Bedeutung. Musik allerorten also und nun auch noch quasi institutionalisiert als Feiertag: der bundesweite Tag der Musik. Muss das sein? Braucht man das wirklich?
Auf der Plattform „Kuriose Feiertage“, die so etwas wie der Pate für diese Serie mit musikalischen Feiertagen in der nmz ist, findet man zum heutigen Feiertag eine wunderbare Zusammenfassung: „Musik, so die Botschaft des heutigen Anlasses, ist kein Luxus, sondern elementarer Bestandteil der kulturellen Vielfalt des Landes.“ Dort zitiert wird auch der „olle Nietzsche“, der bemerkt hat, dass das menschliche Leben ohne Musik ein Irrtum sei. Es wird hier also nicht irgendein Phänomen künstlich aufgebläht, das ohnehin omnipräsent ist, sondern das so etwas wie der Kitt ist, der unsere Seelen mit ihren Gefühlsregungen, unser Menschsein, unsere Gemeinschaft und unsere Demokratie zusammenhält.

Der Staat (hier repräsentiert durch das Reichstagsgebäude) braucht Menschen, die dafür sorgen, dass „jeder Mensch die Chance hat, mit Musik in Berührung zu kommen“ (Antje Valentin). Hier im Bild (v.l.n.r.) Anke Rehlinger, Bevollmächtigte der Bundesrepublik für kulturelle Angelegenheiten im Rahmen des Vertrages über die deutsch-französische Zusammenarbeit, Claudia Roth, Bundesbeauftragte für Kultur und Medien und Morena Piro, hauptamtliche Koordinatorin bei Fête de la Musique. © Xander Heinl
Der Initiator des bundesweiten Tages der Musik, der Deutsche Musikrat, will seit 2009 mit diesem Tag die musikalische Vielfalt in Deutschland fördern und schützen. „Primäres Ziel dieses Aktionstages ist es“, so liest man bei „Kuriose Feiertage“, „den hohen Stellenwert und die gesellschaftliche Bedeutung der Musik zu verdeutlichen bzw. diese auch im öffentlichen Bewußtsein zu verankern“. Fördern und schützen ist dabei am ehesten wohl eine politische Aufgabe. Bezahlbarer Musikunterricht für alle und jeden und überall – so könnte die Kurzfassung lauten. Das ist nicht immer gegeben.
Musik braucht aber auch eine positive Wahrnehmung und darf nicht als lieblich klingendes Unterdrückungs- und Manipulationsmittel missbraucht werden. „By the rivers of Babylon … we wept when we remembered Zion“, singt Boney M über die verschleppten Israeliten, „There the wicked … requiered from us a song. How shall we sing the Lord’s song in a strange land?“. Im Kampagnevideo zum diesjährigen Tag der Musik stellt Benjamin-Immanuel Hoff, der Thüringische Minister für Kultur-, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei des Freistaats Thüringen, fest, dass das Sprichwort „böse Menschen kennen keine Lieder“ nicht immer zutreffend ist, vielmehr „grölen böse Menschen häufig sogar sehr schlimme Lieder“.
„Gleichzeitig“ weiß Hoff aber auch, dass „Musik Menschen zusammenbringt“. Daher präsentierte sich der Tag der Musik in den vergangenen Jahren mit teilweise weit über 1000 Veranstaltungen bundesweit. Ab diesem Jahr wurden erstmals Kräfte gebündelt und der Aktionstag findet nun (nur noch) unter der dem Dach des Netzwerkes „Fête de la Musique“ statt.
Fête de la Musique
Das Festival Fête de la Musique wurde 1982 in Paris durch den französischen Kulturminister Jack Lang ins Leben gerufen. Seine Idee war es, einen Tag im Jahr zu schaffen, an dem die Straßen und Plätze in Paris mit Musik erfüllt werden und sowohl professionelle Musiker als auch Amateurmusiker die Gelegenheit bekommen, kostenlos aufzutreten.
Die Geschichte der Fête de la Musique in Deutschland ist eng mit dieser französischen Entstehung und Entwicklung verbunden. Im Jahr 1985 fand in München als erster deutscher Stadt eine eigenständige Fête de la Musique statt und seitdem wird das Netzwerk an teilnehmenden Städten jährlich größer. Seit Ende vergangenen Jahres gibt es eine es hauptamtliche Kraft, Morena Piro, die seit ihrem Dienstantritt die Anzahl der Städte von 76 im November 2023 bis heute verdoppelt hat. Noch ist diese halbe Stelle leider auf ein Jahr begrenzt – der Boost, den Piro in den wenigen Monaten erzeugt hat, zeigt, wie wichtig und unabdingbar hier die feste Etablierung dieser Stelle ist!
Es ergibt Sinn, Kräfte zusammenzuführen! Musikrat und das Netzwerk Fête de la Musique haben lange Zeit letztlich dasselbe Feld beackert, ohne auf die Arbeit des jeweils Anderen zu schauen. Der „Bundesweite Tag der Musik“ ist also Geschichte. Vive „Fête de la Musique“! Denn: die „Fête“ hat sich in den vergangenen Jahren zu einem weltweiten Musiknetzwerk entwickelt, das zu nutzen nur allseits von Vorteil sein kann. Musik ist eine internationale Sprache, eine Sprache, die nicht nur übers Ohr gehört wird, sondern viel tiefer – über Emotionen – verstanden werden kann. So ist sie letztlich die einzige wirklich internationale verständliche Sprache.
Der langen Rede kurzer Sinn: Musik muss man hören oder selbst machen! Die Vielfalt, die sich darin auftut, ist von unerschöpflicher Kraft. – Der 21. Juni ist also ein Tag, um unterwegs zu sein. Etwa 140 Orte in Deutschland nehmen an diesem großen Fest teil. Die musikalische wie organisatorische Arbeit in den einzelnen Städten wird ehrenamtlich geleistet. Manche Städte sind seit vielen Jahren dabei, manche erst seit kurzem, manche greifen auf ein großes Portfolio von Erfahrungen und Verbindungen (= Netzwerk) zurück, manche müssen sich in diese Arbeit noch hineinfinden und üben noch.
Kinderschuhe, die unübersehbar wachsen
Über die noch im Aufbau befindliche Homepage der Fête de la Musique kann man derzeit zumindest die Orte ausfindig machen, in denen es eine Fête gibt. Die Links zu den Programmen, den Veranstaltern und auch die Eigendarstellung der Städte als Fête-Partner oft noch in den Kinderschuhen. Nur wenige Städte wie Berlin haben einen ausgefeilten Web-Auftritt. Da muss – insbesondere vor Ort – noch vieles geschehen. Die halbe hauptamtliche Stelle der Fête kann nur anregen, aufzeigen und motivieren, Ideen liefern, das Netzwerk fortknüpfen und Visionen haben und weitererzählen. Die Arbeit vor Ort müssen andere machen.
Man könnte bei der derzeitigen Homepage der Fête unzufrieden bis verstört sein. Für einen bundesweiten Aktionstag bietet sie konkret derzeit noch viel zu wenig! Der Geist der Fête aber ist ohnehin ein anderer. Fête – das ist (als Lehnwort bereits im Deutschen angekommen) eine Fete, eine Feier, eine Party, ein (Zusammen-)Treffen, ein Event, ein (gesellschaftlicher) Anlass, und vieles mehr. Die Begegnung und der Austausch stehen im Mittelpunkt. Nur ein „alter weißer Mann“ benötigt ein Programmheft – alle anderen gehen einfach in ihren Fête-Städten auf die Straße und lauschen, wo etwas los ist. Dort gehen sie hin und sind einfach dabei! Nicht Arbeit und Büro stehen auf dem Spielplan, sondern Spaß und Geselligkeit!
Es lebe die Demokratie!
Aus dem Auge darf man den Kitt des Lebens aber auf keinen Fall lassen! Die Kulturstaatsministerin Claudia Roth sagt dazu: „Die Fête de la Musique steht für Lebensfreude, Offenheit und Toleranz. Jedes Jahr können wir am 21. Juni Musik in all ihrer Vielfalt erleben, in tausenden von Veranstaltungen kommen Menschen unterschiedlicher Hintergründe zusammen. Das macht die Fête de la Musique nicht nur zu einem Fest der Lebensfreude, sondern auch zu einem Fest der Demokratie. Gerade jetzt, wo Demokratiefeinde in ganz Europa unsere Gesellschaft spalten wollen, brauchen wir die Fête de la Musique mehr denn je.“

„Musikmenschen“ stellen sich schützend vor den Staat (hier repräsentiert durch das Reichstagsgebäude): Morena Piro, hauptamtliche Koordinatorin bei Fête de la Musique, Claudia Roth, Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Anke Rehlinger, Bevollmächtigte der Bundesrepublik für kulturelle Angelegenheiten im Rahmen des Vertrages über die deutsch-französische Zusammenarbeit, und Antje Valentin, Generalsekretärin des Deutschen Musikrates. Foto: © Xander Heinl
Weitere Informationen:
- Homepage der „Kuriosen Feiertage“
- Homepage der „Fête de la Musique
- Auf dem Instagram-Kanal des Deutschen Musikrates gibt es eine wunderbare Video-Kampagne zur diesjährigen „Fête de la Musique“ – unbedingt hineinschauen.
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