Eingebettet zwischen der 9. Preisverleihung des JUNGE OHREN PREIS 2014 am Vorabend und dem Auftakttreffen des Arbeitskreises Musikvermittlung Südwest am folgenden Tag, fand am 28. November die vom netzwerk junge ohren e.V. organisierte Tagung „TAKTWECHSEL – Innovation im Musikbetrieb“ statt; in und zusammen mit der Musikhochschule Stuttgart.
Innovation ist zunächst ein alles und nichts sagender Begriff und wird heutzutage daher gern und inflationär gebraucht. Vorweg: inhaltlich wurde die Worthülse gut gefüllt und heiß diskutiert, wenn auch nicht gleichmäßig über alle angekündigten Themenfelder verteilt.
Der Tag begann mit einer Keynote, die Martin Tröndle („Das Konzert“) fast komplett seiner Mitstreiterin Esther Bishop (ebenfalls von der ZU Friedrichshafen) überließ, um ihre preisgekrönte Forschungsarbeit zum Thema: „Ist die Ausbildung von Musikstudenten (aufs Orchester hin) noch zeitgemäß?“ vorzustellen. Mittels statistischer Auswertung einer groß angelegten Absolventenbefragung und von Musikarbeitsmarkt-Daten kam sie zu dem Ergebnis und dem gefühlt offenen Geheimnis: „Nein.“ Der Fokus liege zu sehr auf dem Hauptfach-Instrument. Erforderlich seien v.a. Kontextwissen und zusätzliche Qualifikationen im Self-Management.
Nach dem Impulsvortrag verteilten sich die etwa 160 Teilnehmer aus dem deutschsprachigen Raum für den restlichen Vormittag auf vier Workshops zu den Themen Konzertformate, Musikvermittlung, Kreativitätstraining und Musikschule.
Die Panels
Zu den nachmittäglichen Panels fanden sich alle Teilnehmer – darunter erfreulich viele Musikstudenten – im Orchesterprobenraum (OPR) ein. Intensiv debattiert wurde die Rolle von Institutionen im kulturellen Erneuerungsprozess. Udo Flaskamp, Marketing-Leiter der Tonhalle Düsseldorf, betrieb zunächst Eigenwerbung fürs eigene, breit aufgestellte Musikvermittlungsprogramm: Von vor (sic!) der Wiege bis zur Bahre. Tröndle sah seine jetzt eingenommene Rolle als Moderator sehr sportlich, war mehr als bissig und provokant, und nicht selten parteiisch. Er trat unter anderem für eine (tendenziell neoliberal anmutende) Umverteilung der öffentlichen Kulturausgaben Richtung freie Szene ein. Das tat der Runde aber gut; der Wohlfühlfaktor war nicht der von ULTRASCHALL, einer Tonhalle-Veranstaltung für Schwangere mit Yogalehrer und Entspannungstee. An Impulse von außen glaubt(e) VAN-Magazin-Herausgeber Hartmut Welscher. VAN versteht sich als Gegengewicht zu den inhaltsleeren Hochglanz-Heftchen, erscheint als iPad-App und vereint Text, Bild, Video und Audio zu einem multimedialen Gesamtkunstwerk im Dienste der Musik.
Beim nächsten Panel („Plötzlich hip – neues Image für Tradition“) ging es eher zahnlos, da Eierkuchen-einig zu. Moderatorin Juliane Wandel, Dominique Mayr (Klangforum Heidelberg) und Walter Schirnik (Stuttgarter Symphoniker) waren sich schnell einig, dass das Aufbrechen von tradierten Konzertstrukturen und die Bereicherung durch Elemente aus dem Popbereich (Starkult, Orte, legerere Kleidung) als Antworten genügen. Am Titel ließ sich jedoch ablesen, woran das Panel krankte: um junge Leute tatsächlich anzusprechen, reicht es nicht, deren Jargon wie eine Fremdsprache zu lernen. Man sollte Muttersprachler sein...
Nach der Kaffeepause schloss die Tagung mit „Allianzen für den Wandel“. Host Magdalen Pirzer (KulturRegion Stuttgart), der Kulturexperte Oliver Scheytt und „Ludwigsburger Schlossfestspiele“-Intendant Thomas Wördehoff erhielten immer wieder Szenenapplaus. Sie forderten bedingungslose kulturpolitische Rückendeckung für Experimente und predigten den Mut zu programmatischen Risiken.
Innovation im Konferenzbetrieb?
Die überdimensionierte Leinwand samt Beamer über der Bühne im OPR wurde leider nur für die Anzeige von Datum und Uhrzeit verwendet. Eine dort prominent platzierte sogenannte Tweetwall inklusive Twitter-Diskussionsbegleitung und Echtzeit-Interaktion von Seiten der Gastgeber wäre neben dem kostenlosen WLAN-Zugang ein richtiges Innovations-Statement gewesen! So aber wurde das kleine Häufchen #taktwechsel-Twitterer, das sich dennoch zusammenfand, um kritisch und unterhaltsam die diskutierten Themen zu reflektieren, in die digitale Bedeutungslosigkeit befördert. Innovation ist eben nicht nur eine Frage der Inhalte(verpackung) und Gelderverteilung.