Das zu Ende gehende Jahr war für die Musikstadt München ein Jahr des Umbruchs. Mit drei Renommierorchestern, den Münchner Philharmonikern, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BR) und dem Bayerischen Staatsorchester sowie drei international bekannten Dirigenten an deren Spitze, kann sich München zu Recht als Nabel der Klassik-Welt bezeichnen. Eine Stadt, auf die selbst Metropolen wie London, Paris oder New York mit Neid schauen.
Doch mit dem glamourösen Triumvirat wird es bald ein Ende haben. Zuerst ging der Stadt im Juli 2009 Christian Thielemann von der Fahne, der streitbare Generalmusikdirektor (GMD) der Münchner Philharmoniker. Dem Abschied - Thielemann wechselt 2012 zur Sächsischen Staatskapelle nach Dresden - ging eine wochenlange Schlammschlacht voraus, die das Orchester und die städtischen ulturverantwortlichen nicht immer gut aussehen ließ.
Maazel soll es richten
Mit der ungewöhnlich raschen Verpflichtung von Lorin Maazel zum Nachfolger Thielemanns versuchte Kulturstadtrat Hans-Georg Küppers (SPD) im März dieses Jahres den Befreiungsschlag. Maazel, der schon von 1993 bis 2002 das BR-Symphonieorchester leitete, soll von der Konzertsaison 2012/2013 an den Philharmonikern den Takt vorgeben. Er gilt als genialer Musiker, auch wenn seine Interpretationsweise von Kritikern schon mal als «glatt» geschmäht wird. Außerdem ist der in den USA beheimatete Maestro schon 80 Jahre alt, was nicht gerade nach Aufbruch aussieht. Immerhin will Maazel der Stadt bei der Suche nach einem jüngeren GMD behilflich sein.
Der nächste Paukenschlag folgte im Juli, als Kent Nagano, Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper, überraschend verkündete, dass er auf eine Verlängerung seines Vertrages über 2013 hinaus verzichte. Die Gründe für diese Entscheidung liegen weitgehend im Dunklen. Vermutet wird, dass Nagano nicht mit Staatsopernintendant Nikolaus Bachler harmoniert. Um den durchaus erfolgreichen Österreicher, nicht zuletzt ein begnadeter PR-Mann
seiner selbst, zu halten, soll Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP) Nagano fallen gelassen haben.
Glücksgriff Petrenko
Auch in diesem Fall wurde in Gestalt des jungen, charismatischen Russen Kirill Petrenko schnell ein Nachfolger präsentiert. Die Personalie gilt als Glücksgriff, weil Petrenko als wohl größte Begabung der jüngeren Dirigentengeneration angesehen wird. Allerdings werden immer wieder auch Zweifel laut, ob man Nagano nicht hätte halten sollen. Jüngst stellte der Kalifornier mit japanischen Wurzeln mit einer genial zerklüfteten Interpretation von
Anton Bruckners 9. Symphonie wieder einmal seine Extraklasse unter Beweis.
Der Dritte im Bunde der Münchner Maestri, Mariss Jansons, machte sich dieses Jahr an der Isar rar. Etliche Konzerte musste er krankheitsbedingt ausfallen lassen. Da blieb nicht mehr viel Zeit für sein Münchner Orchester und das Amsterdamer Concertgebouw, dem der Workoholic ebenfalls vorsteht. Eigentlich stünde jetzt eine Verlängerung seines 2012 auslaufenden Vertrages an. Gebetsmühlenhaft lässt der BR verlauten, die Gespräche seien auf einem guten Weg, doch ein Abschluss lässt auf sich warten.
Falls der gesundheitlich labile Stardirigent sich künftig nur noch auf ein Orchester konzentrieren möchte und den Niederländern den Vorzug gäbe, wäre dies für das Orchester und die Stadt München ein großer Verlust. Dann wäre auch beim BR die Nachfolgedebatte eröffnet. Und es dürfte schwer sein, noch einmal einen Mann (oder eine Frau) von Jansons Kaliber zu verpflichten, der als bester lebender Dirigent der Welt gefeiert wird.
Todesfall reißt weitere Lücke
Nach einem neuen Chefdirigenten umsehen muss sich schließlich auch das für die leichtere Muse zuständige Münchner Gärtnerplatztheater, kleiner Bruder des Nationaltheaters. Völlig überraschend verstarb im Oktober der langjährige Chef des Gärtnerplatzorchesters, David Stahl, ein Schüler des legendären Leonard Bernstein. Ein weiterer Schlag in unsicheren Zeiten mit Intendantenwechsel und anstehender Generalsanierung.
Mit einem Übergangschef (Maazel), einem angeschlagenen Superstar (Jansons) und einer Vakanz (Gärtnerplatz) ist die Zukunft der Musikstadt München ungewiss. Und die Verpflichtung von Petrenko ist zunächst auch nur ein Versprechen.