Jazzfest Berlin +++ Klangkunst +++ Festival Out Of The Box +++ Frau Musica Nova mit dem Festival „PERFORMANCE – UTOPIE“ +++ IFPI-Report „Engaging with Music 2021“
Jazzfest Berlin: Welt im Screen
Auch das Jazzfest Berlin steht als öffentlich gefördertes Festival in aktuellen kulturpolitischen Kontexten. Auf zeitgeistige Themen wie Dekolonialisierung, cultural appropriation, Gender Gap und Diversifizierung reagiert Festivalleiterin Nadin Deventer mit der Nominierung von drei Co-Kurator*innen – Maurice Louca für Kairo, Juliano Gentile und Manoela Wright für São Paulo, und Jess White für Johannesburg. „Alle drei der genannten Städte“, so Deventer, „bilden vor Kreativität sprudelnde urbane Zentren inmitten postkolonialer Gesellschaften, in denen das komplexe Verhältnis von Globalisierung und kulturellem Erbe, Innovation und Tradition, Emanzipation und dem Rückbezug auf multiple kulturelle Wurzeln derzeit neu ausgelotet wird.“
Neben Live-Konzerten von Maurice Louca, Mariá Portugal und Nduduzo Makhathini, die sich als prägende Figuren dieser Szenen zum Festivalzeitraum in Berlin aufhalten, ist das musikalische Programm der Städte-Partnerschaften in Anbetracht der von Land zu Land unterschiedlichen pandemischen Lage aus Berliner Sicht größtenteils in Form von Videoarbeiten und Livestreams zu erleben. Eine eigens dafür entwickelte Multiscreen-Umgebung in der Betonhalle des silent green wird dabei zum Dreh- und Angelpunkt eines hybriden, dezentralen Festivalkonzepts.
Als Rahmenprogramm dieses Vierstädtekonzepts Berlin, Kairo, São Paulo und Johannesburg bekommt der Jazzhörer wie gewohnt führende musikalische Stimmen der New Yorker und Berliner Avantgarde zu hören. Dazu lädt man in zwei besondere Orte der Berliner Kulturlandschaft ein: in das beeindruckende Interieur der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und in den Pierre Boulez Saal. In Zusammenarbeit mit dem Rundfunk und dessen Konzertsälen präsentiert das Festival in diesem Jahr fünf Projekte aus dem Sendegebiet der entsprechenden Landesanstalten – vier davon online als Konzertaufzeichnungen und eines als Live-Konzert im Kleinen Sendesaal des rbb.
Klangkunst in Isolation: Glass Cage
Soziale Distanz, gar Isolation, soll Infektionen verhindern und Gesundheit fördern. Doch kommt Klangkunst ohne direkten Kontakt mit anderen Musikern und Publikum aus? Wie entsteht Musik, einzeln in gläsernen Käfigen abgeschottet? Wie empfinden Menschen Klänge aus transparenten Kabinen? Diese und andere Fragen zu Hörereignissen aus „The Glass Cage“ stellen sich am 27. November in der Münchner Rathausgalerie/Kunsthalle (Marienplatz 8), unmittelbar, wenn sieben Künstler sieben Stunden nonstop von 13 bis 20 Uhr ihre Aufführungen verschiedener Genres in Echtzeit präsentieren: Teodoro Anzellotti (Akkordeon), Gareth Davis (Bass-Klarinette), Anne Gilot (diverse Flöten), Julie Läderach (Cello), Sool Park (Philosophie), Breeanne Saxton (Tanz, Stimme), Eric Zwang-Eriksson (Noise Art). Dazu noch sieben Stunden Komposition von und mit dem Pianisten Fumio Yasuda. Stefan Winter vom Musiklabel Winter & Winter, verantwortlich für das Konzept und die Rauminstallation, möchte mit diesem Projekt nicht nur im wörtlichen Sinn Kunst-Transparenz herstellen, sondern auch individueller Kreativität ein ungewöhnliches Forum bieten, um einen Diskurs über aktuelle Aspekte menschlicher Kommunikation zu fördern – Kabinette zur Reflexion über Zeitphänomene.
Der Eintritt zu dieser Veranstaltung ist frei und jederzeit möglich. www.facebook.com/neueklangkunst
Festival Out Of The Box 2022
Vom 14. Januar bis 6. Februar 2022 findet die dritte Ausgabe des Festivals „Out Of The Box“ im Münchener Werksviertel statt. Drei Eigenproduktionen unterschiedlicher Machart stehen im Zentrum. Den Anfang macht der Komponist und Pianist Ralf Schmid, der bereits bei den vergangenen beiden Festivals mit seinem Programm PYANOOK zu Gast war und nun mit der Komposition eines Klavierkonzerts beauftragt wurde. Der zweite Kompositionsauftrag ging an den in der Schweiz lebenden britischen Jazz-Pianisten und Komponisten Django Bates. Der Komponist der weltweit ersten Riesenradoper „Umadum“ für Jazzorchester und Solist*innen ist der Wiener Komponist und Posaunist Christian Muthspiel. www.OutOfTheBox.art
Frau Musica Nova mit dem Festival „PERFORMANCE – UTOPIE“ vom 15. bis 22. November 2021 in Köln
FMN (FRAU MUSICA NOVA) präsentiert zukunftsweisende Komponist*innen, Performer*innen und Interpret*innen, die mit ihrer künstlerischen Sprache eine Konfrontation mit Gegenwart und Gegenwärtigem evozieren. Im Mittelpunkt steht dabei der experimentelle Umgang mit Musik sowie ihre Wechselwirkung mit Medien, Performance und Theatralität. Für „Eccentric Listening“ lädt FRAU MUSICA NOVA jedes Jahr internationale Künstler*innen ein, 30 Minuten exzentrische, verwegene und gewagte Musik in einem moderierten Format zusammenzustellen.
In 2021 haben die Kuratorinnen mit Sofia Jernberg, Laure Hiendl und Midori Hirano drei internationale Künstler*innen mit unterschiedlichen musikalischen Backgrounds eingeladen, ihre digitale Audio-Show zusammenzustellen.
Sofia Jernberg, geboren in Äthiopien und aufgewachsen in Vietnam und Schweden, ist Sängerin und Komponistin. Sie studierte Jazz und Komposition in Schweden und lebt und arbeitet in Norwegen. Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf unkonventionellen Techniken und Sounds, wie nicht-verbales Vokalisieren, Split Tones, tonloses Singen und Distortion. Musiktheater und zeitgenössische Oper spielen eine wichtige Rolle in Jernbergs künstlerischem Schaffen.
Die Komponist*in und Performer*in Laure M. Hiendl arbeitet in den Zwischenbereichen von Konzertmusik, Performance, Musiktheater und Installation. Instrumente und Stimmen setzt Hiendl meist in Interaktion mit elektronischen Mitteln ein und untersucht dabei das Raum-Zeit-Körper-Verhältnis in Musik als ein immer schon theatrales, performatives Ereignis. Midori Hirano ist eine klassisch ausgebildete Pianistin, Komponistin und Produzentin. Sie wurde in Kyoto geboren und lebt in Berlin. Ihre Produktionen basieren auf der Verwendung von akustischen Instrumenten wie Klavier, Streichern oder Gitarren, sind aber dennoch experimentell und eine eklektische Mischung aus modernen digitalen Sounds mit subtiler elektronischer Bearbeitung und Field Recordings.
IFPI-Report „Engaging with Music 2021“
Musik trug während der Pandemie zum Wohlbefinden bei
Wie der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) Ende Oktober mitteilte, hören die Menschen in Deutschland nach einer neuen IFPI-Studie überdurchschnittlich viel Musik – nämlich 19,3 Stunden pro Woche (2019: 19,1 Stunden). Dagegen betrug der Gesamtwert in den 21 weltweit teilnehmenden Ländern 18,4 Stunden pro Woche. Immer häufiger werde Musik hierzulande über Audiostreaming-Angebote gehört (56 Prozent; weltweit 51 Prozent). Daneben blieb aber auch das klassische Musikhören wichtig, etwa Radio (74 Prozent hören es nach eigenen Angaben vor allem wegen der Musik), Schallplatte oder CD.
Die unverändert hohe Bedeutung von Musik, so der Verband, habe sich besonders in der Zeit der Corona-Pandemie gezeigt: „85 Prozent der Befragten hierzulande gaben an, Musik habe in dieser Phase ihr Wohlbefinden gesteigert, drei Viertel (75 Prozent) sagen, sie habe ihnen zu einem Gefühl von Normalität verholfen.“