Unter den Künsten ist Musik die am hierarchischsten gegliederte: Da blickt man noch zum Maestro hinan, bejubelt den Primarius, die Primadonna und entwickelt viel Verständnis für notwendige Disziplin im Orchester – bis in die letzte Verästelung von Kleiderordnung und Tarifvertrag hinein. Dabei will niemand die natürliche Autorität wahrer musikalischer oder musikantischer Meisterschaft je bekritteln. Es sind erstarrte Rituale, die solche Meisterschaft mangels innovativer Potenziale und Mut zur Identität formal vorspiegeln wollen und die uns letztlich daran zweifeln machen. Sie erzeugen Schwellenangst wie Bibliotheks-, Museums- oder Kirchen-türen. Sie erzeugen Persönlichkeiten, die es selbst schwer haben, den Wert ihres zu Recht geliebten „Gegenstandes“ Musik überhaupt noch zu benennen oder gar weiter zu vermitteln. Sie nehmen der Musik den freien Atem.
Wie an Marionettenfäden einer künstlichen und deshalb unkünstlerischen Grundhaltung gefangen agieren leider nicht selten auch die Exponenten unseres Musiklebens in den Feldern Bildung und Verbandswesen. Da wird mit viel zuviel Respekt Abstand gehalten zu den gewählten und bestallten Vertretern des öffentlichen Lebens. Man wartet auf die huldvolle Anerkennung durch Banausen und erstarrt in Ehrfurcht vor der scheinbaren Macht.
Auch der Umgang miteinander ist bestimmt durch Distanzverlangen, resultierend aus der Sorge um eigenen Profilverlust. Einer Sorge, die nahtlos in Angst vor dem Schrumpfen der hart errungenen häuslichen Pfründe übergeht. Aggressiv geschnappt wird nur in Momenten, da dieses Fell vermeintlich in Gefahr gerät. Ansonsten sucht man den Frieden nach dem Motto: „Tust du mir nichts, tu ich dir nichts“. Und so entstehen bestenfalls kraftlose Koalitionen, harmlose Seilschaften mit dem Verlauf: Reaktion, Resolution, Frustration. Musikpolitik im Schuhkarton.
Gut, dass sich die Zeiten ändern: Mit Zaghaftigkeit und Klüngelwirtschaft, mit taktischen Mätzchen oder Eigenbrötelei ist heutzutage nichts mehr zu erreichen. An die Stelle der kleinen Karos auf dem Planungs-Papier ist längst Fuzzy-Logik getreten. Kreative Planung, planvolle Assoziation, sinnvolle Vernetzung.
Die konstruierten Autoritäten, die zwanghaften Ordnungen haben ausgedient – auch in unserem Musikleben. Schön zu erleben, wie sich so glaubwürdige und zukunftsträchtige neue Projekte formen; wie gleichberechtigte, interessenorientierte und projektbezogene Kooperationen entstehen. Wie sich alte Konkurrenzen im Dienst an der Sache in Luft auflösen: „Gute Musik für Kinder“, „Konzerte für Kinder“ – und vielleicht ja bald auch noch eine umfassende „Hauptsache: Musik“.