Hauptbild
Theo Geißler. Foto: Martin Hufner
Theo Geißler. Foto: Martin Hufner
Hauptrubrik
Banner Full-Size

(Neu: 21. 7.) Rücktrittsforderung an den Präsidenten des Bayerischen Musikrats, Thomas Goppel (mit einem Statement des Rundfunkrats-Kollegen Robert M. Helmschrott, Goppels Antwort an die nmz und Anmerkungen von Enjott Schneider)

Publikationsdatum
Body

Der Herausgeber der neuen musikzeitung, Theo Geißler, fordert in einem offenen Brief den Präsidenten des Bayerischen Musikrats dazu auf, von seinem Amt zurückzutreten und wertet das Verhalten Goppels als „weitgehenden Betrug an über 60.000 getäuschten Petitenten“. Nachfolgend der Offene Brief im Wortlaut:

Verehrte Freundinnen und Freunde qualitätvoller Musikkultur,

mit Empörung haben wir sowohl die Stellungnahmen des Bayerischen wie des Deutschen Musikrates zum „Wellentausch“ für BR-Klassik zur Kenntnis genommen. Wir haben den Präsidenten des Bayerischen Musikrates rechtzeitig vor einer Präsidiumssitzung am 22. 7. um Stellungnahme gebeten. Das fatale Kulturvernichtungs-Signal, das unter Vorspiegelung falscher technischer Qualitätsversprechen des BR zum Anlass eines „Kompromisses“ missbraucht wurde, kann nur als – Entschuldigung: weitgehender Betrug an über 60.000 durch goppelsche Versprechen getäuschte Petitenten gewertet werden. Offenbar ohne Rücksprache mit den Mitgliedern des Bayerischen Musikrates. Goppel hatte im Petitionstext versprochen, für BR-Klassik bis zur Abschaltung aller UKW-Frequenzen den Erhalt der On-Air-Präsenz zu erfechten.

Wir geben dem Politiker und selbsternannten „Nichtmusiker“ gern die Gelegenheit, angemessen anständige Konsequenzen zu ziehen. Das befreit den Deutschen Musikrat nach unserer Meinung nicht davon, seine unqualifizierte Stellungnahme im Schlepptau Goppelscher Anbiederungstaktik zurückzunehmen und zu korrigieren.

Mit freundlichen Grüßen
Theo Geißler (Herausgeber der neuen musikzeitung)

Kleine Ergänzung: Die Amigos und der Goucho-Tanz:

BR-Intendant Ulrich Wilhelm war zunächst im Bayerischen Innenministerium tätig. Hier war er in der Kommunalaufsicht tätig, später im Pressereferat. Im Juni 1993 – kurz nach der Wahl von Edmund Stoiber zum Bayerischen Ministerpräsidenten – wechselte Wilhelm in die Bayerische Staatskanzlei. Von Januar 1995 bis Ende 1998 war er dort verantwortlich für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. 1999 wurde er Pressesprecher des Ministerpräsidenten und der Bayerischen Staatsregierung. In der Staatskanzlei leitete Wilhelm in dieser Zeit die Medienabteilung, in der neben den klassischen Referaten Rundfunkrecht und Medienrecht auch die Filmförderung, das Verlagswesen, der Fernsehpreis und der Filmpreis angesiedelt waren. 2004 wurde Wilhelm Amtschef des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Er arbeitete als jüngster bayerischer Ministerialdirektor für Minister Thomas Goppel.

 

Anbei Thomas Goppels Antwortschreiben auf Bitte um Stellungnahme der nmz:

Sehr geehrter Herr Kolb,

Sie und mit Ihnen Dr. Koch in der Chefredaktion der nmz interessieren sich für die Hintergründe und die Sachverhalte, die die Musikverbände in Bayern mit dem Bayerischen Rundfunk und seiner Führung ob eines für 2018 geplanten Frequenzwechsels zwischen BR-Klassik und BR-PULS in diesen Tagen kontrovers debattieren sahen. Dabei kann man zu den Schlüssen kommen, die Sie in Ihrem Schreiben ziehen. Für mich ist das rätselhaft. Aber: Wer wie Sie nicht in die Verhandlungen eingebunden war, die Robert Helmschrott und ich mit dem BR und seinem Rundfunkrat (Hörfunkausschuss) geführt haben, mag und kann da Vieles vermuten, auch spekulieren.

Weil das so ist, möchte ich Ihnen einen Einblick in die Entwicklung geben, die zu dem von Ihnen vorliegenden und beschriebenen Ergebnis führte. Am Ende sollten Sie nachvollziehen können, dass das Ergebnis keinen Verrat gegenüber den Unterzeichnern unserer Online-Petition „BR-Klassik muss bleiben!“ darstellt. Es präsentiert eine für alle Beteiligten gangbare Lösung. Das war und ist nicht der Auftrag in einer Position, wie wir sie als Rundfunkräte für den Musikbereich einzunehmen bemüht und verpflichtet waren.

Nicht nur die Insider erinnern sich daran, dass schon 2006 erstmals die Pläne des BR, einen Wellentausch von BR-Klassik mit einem neuen Jugendsender zu vollziehen, verschoben worden sind. Weshalb? Auch da haben sich in einer Petition über 36.000 Unterzeichner gegen solchen Tausch ausgesprochen. Als mir Mitglieder aus dem Musikrat und seinem Präsidium von dieser „Geschichte“ berichteten, kam ich mit den Freunden auf die Idee, die inzwischen anhängige Eingabe zu starten und den BR erneut mit der Meinung der BR-Klassik-Hörerschaft zu konfrontieren. Die Ankündigung des Wellentauschs durch die Intendanz war gleichzeitig das Startzeichen für unser Vorhaben, das, wie Sie wissen und woran Sie zurecht erinnern, erfolgreich läuft.

Die Reaktionen der Intendanz, auch der Mitglieder im Rundfunkrat, haben nicht nur uns beiden – Robert Helmschrott und mir, die wir für die Musik im Rundfunkrat mitarbeiten dürfen – verdeutlicht, dass es diesmal um einen sehr viel ernsthafteren Versuch des Tauschs und Wechsels ging: Intendant Ulrich Wilhelm machte Sitzung für Sitzung bewusst, dass er von seinem Kurs nicht abrücken werde. Die Reaktion der Rundfunkräte (in ihrer Mehrheit) machte rasch kenntlich, dass die schnelle Umstellung, der Frequenztausch 2016 eine Mehrheit finden würde. Dieses uns viel zu frühe Datum im Blick sind wir – die Vertreter der Mehrheit unserer Mitgliedsverbände – mit der Intendanz in Verhandlungen eingetreten, um sicherzustellen, dass eine Umstellung nur dann verschoben werden könne, wenn verschiedene andere Weichen in der Sache vorher gestellt seien. Dabei hatten wir die bereits vollzogene Umstellung der Fernsehprogramme auf den digitalen Empfang im Hinterkopf: Der Wechsel von BR-Klassik auf Digital musste nach unserer Überzeugung mindestens so reibungslos gelingen wie der Fernsehswitch.

Im Ergebnis unserer Gespräche und Verhandlungen zeigt sich der Erfolg unserer Gespräche: Der Intendant kündigte an, dass die Umstellung erneut um zwei Jahre verschoben werde. Aus der Pressemeldung des BR geht das eindeutig hervor. Ebenso eindeutig steht dort aber auch, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit tatsächlich gewechselt wird. Die Pressenachricht des Rundfunkrates und Intendanten nach unserem Beschluss vom 10.07.2014 zeigt, dass die Medien das Gesamtpaket an Umsetzungsschritten nur sehr selektiv kommuniziert haben. Alle Welt (und nicht nur die) schreibt, dass die Zielrichtung des BR erreicht sei, obwohl im Beschluss des Rundfunkrates ganz klar formuliert ist, dass sich erst in vier Jahren zeigen wird und muss, ob die verhandelte Vorgehensweise dann tatsächlich 2018 Realität geworden ist.

Wir haben es mit einem sensiblen Thema zu tun. Das ergibt sich nicht erst aus Ihrer Kommentierung. Weil das so ist, brauchen wir eine sachliche Auseinandersetzung und Darstellung mit den zu erwartenden Veränderungen. Nur so gelingt das, was wir in einem sinnvollen Kompromiss erreichen müssen: Eine Empfangbarkeit von BR-Klassik in allen Regionen (mindestens in UKW-Qualität) und auf allen handelsüblichen Geräten. Der in dem Zusammenhang wichtige Transponder Autoradio gehört dazu. Das Ziel ist also genau beschrieben und der Weg dorthin ein umfangreicher, viel klippenreicherer als Ihre kritische Nachfrage vermuten macht.

Denn: Der BR kann den Wunsch von Intendanz und Sender nicht erfüllen, den Frequenztausch 2018 vorzunehmen, wenn nicht die Teilziele und Änderungsvorhaben zufriedenstellend „im Kasten“, also davor erledigt sind.

Die beiden Vertreter der Musik im Rundfunkrat haben also konkret erreicht, dass sie im Rundfunkrat und seinen Gremien mit den anderen Räten jeden Schritt der Umstellungs-vorbereitung begleiten, kontrollieren und absegnen. Darauf hatte die Intendanz bei der Vorstellung des Planes nicht abgestellt. Dass das jetzt so kommt und das eben nicht vor 2018, ist unserer Einrede zuzuschreiben. Bis zu diesem Zeitpunkt haben wir beide, Helmschrott und ich, deckungsgleich argumentiert. Sind da die Interessen der Musikverbände verraten oder nicht doch zeitgemäß aufgegriffen und in einen neuen Vollzugsplan bis 2018 ff. eingearbeitet? Die Bewertung des Rundfunkratsbeschlusses vom 10.07.2014 wird, wenn sie denn seriös sein soll, erst am 31.12.2018 tatsächlich möglich sein.

Weil das so ist, bitte ich die Mitstreiter auf der Seite des BMR und seiner Online-Petition, aber auch eine aufgeschlossene Redaktion der nmz um eine differenzierte Betrachtung einer sichtlich komplizierten Aufgabenstellung. Sie wird nur gelingen, wenn die Beteiligten an einem Strang ziehen. Dass das in durchaus unterschiedlicher Intensität geschieht, konnten Ihnen diese Zeilen hoffentlich verdeutlichen.

Mit freundlichem Gruß

Dr. Thomas Goppel, MdL, Präsident

 

Aus gegebenem aktuellem Anlass: Ein Statement von Robert M. Helmschrott und Anmerkungen von Enjott Schneider:

In einem Schreiben vom 18. Juni 2014 teilte der Präsident des BMR, Herr Dr.Thomas Goppel dem Vorsitzenden des Rundfunkrates des Bayerischen Rundfunks,Prälat Dr. Lorenz Wolf, mit, unter welchen Voraussetzungen der BMR bereit sei, der Beschlussvorlage zum Frequenztausch 2018 zuzustimmen. Diese Voraussetzungen waren ein Ergebnis von vielen Beratungen der BMR-Gremien und fanden auch Zustimmung beim Vertreter des Deutschen Komponistenverbandes im Rundfunkrats des Bayer. Rundfunks, dem Unterzeichneten, der in diesem "Voraussetzungskatalog" auch mitgewirkt hat.

In einem Schreiben vom 1o. Juli teilte Herr Dr. Goppel dem Unterzeichneten mit, dass er sich intensiv bemüht habe, die Vorschläge des BMR in die Beschlussvorlage einzubringen. Nichts ist geschehen. Herr Dr. Goppel unterstützte in seinem Statement in der Sitzung am 10. Juli die Linie des Intendanten. Er hat damit 60.000 Klassikfreunde des BR verraten, weil diese davon ausgegangen sind, dass sich der BMR, wie auf der Titelseite der Online- Petition des BMR angekündigt, BR-KLASSIK so lange auf UKW auszustrahlen, bis "generell eine Abschaltung von UKW" erfolgen würde.

Der Präsident des BMR hat auch den Interessen seines Verbandes geschadet und im Grunde auch den Interessen des Deutschen  Musikrates. Wenn die Kulturgrößen im Lande mehrmals und mit Nachdruck mitteilen, dass der BR ein "fatales Zeichen" setzt, so kann sich der Präsident des BMR nicht über Nacht gegen dieses "fatale Signal" stellen.

Aus der Innensicht der Gremienarbeit des Rundfunkrates ist es völlig undenkbar, dass Herr Dr. Goppel ab Herbst weiterhin die Interessen der Musik im Rundfunkrat vertritt, nachdem er diese Interessen durch seinVerhalten in der Sitzung am 10. Juli konterkariert hat.

Robert Helmschrott

(Mitglied des Rundfunkrates des Bayer. Rundfunks seit 1991)


...und eine Stellungnahme von Enjott Schneider:

Über Robert M. Helmschrott wurde mir die in der NMZ geplante Klarstellung von Thomas Goppel zugeleitet. Da muss ich tatsächlich sagen, dass hier schlimme Halb-/Unwahrheiten enthalten sind, wie z.B. Zitat (Goppel): Als mir Mitglieder aus dem Musikrat und seinem Präsidium von dieser „Geschichte“ berichteten, kam ich mit den Freunden auf die Idee, die inzwischen anhängige Eingabe zu starten und den BR erneut mit der Meinung der BR-Klassik-Hörerschaft zu konfrontieren.

Es waren nicht "Freunde", die Goppel berichteten, sondern Fakt ist vielmehr,  dass der Deutsche Komponistenverband DKV (ich als Präsident des deutschen Gesamtverbandes und Ralf Weigand als Vorsitzender des bayerischen Landesverbandes) - informiert und wachgerüttelt von dem Informationshintergrund von seiten Robert M. Helmschrott - auf Thomas Goppel zugegangen sind (siehe unten meine Beleg-Mail an Th.Goppel vom 22. Februar 2014) und wir uns dann im März 2014 im Besprechungsraum des Bayer. Musikrates getroffen hatten. Die Idee einer Petition kam von Ralf Weigand und mir. Wir überlegten, auf welchem Forum ob DKV oder BMR diese Petition ablaufen sollte. Wir entschieden uns dann für den BMR, weil dies "bayrischer" und daher populärer sein würde. Am 23.3.2014 schickte mir Ralf Weigand den ersten Textentwurf der Petition (basierend auf Fakten von Robert M. Helmschrott), den wir dann immer weiter verfeinerten.
Ums klarzustellen: Es geht hier nicht darum, Lorbeeren zu ernten, wer nun die Petition initiierte. Fakt ist aber, dass es Thomas Goppel nicht (alleine) war. In der Folgezeit hat er dann allerdings diese Petition zunehmend als sein Kind verkauft und als alleinigen Erfolg des BMR dargestellt.

Angesichts dieser verdreherischen Darstellungen von Th.Goppel muss ich nun leider auch sagen, daß es hier anscheinend mehr um politische Größenspiele zu gehen schien, als um ein vornehmlich kulturelles Interesse. Die logische Folge - so scheint mir - ist dann auch die Leichtfertigkeit, mit der die Petenten um ihre Unterschrift geprellt wurden und Th. Goppel einem weichen Kompromiss zugunsten des BR-Intendanten zustimmte, der so in keiner Weise eine Forderung der Petition war. Thomas Goppel in Ehren aller seiner Verdienste, - aber etwas mehr Wahrheit und Teamplay hätte ich mir gewünscht. 

Liebe Grüße

Enjott Schneider

 

 

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!