Es verliert: die Kultur. Nicht nur an Aufmerksamkeit angesichts der emotionalen Sog- und Schwapp-Wirkung eines übermächtigen Fußball-Tsunamis (Konzerte vor leeren Auditorien, menschenleere Ausstellungshallen), sondern auch an politischer Beachtung, an gesellschaftlichem Gewicht.
In einer Nacht-Sitzung des nahezu abgeordnetenfreien Bundestages wurde die erste Lesung der eher euphemistisch „Korb II“ genannten Änderung des Urheber-Vertragsrechtes papieren zu Protokoll gegeben. Dabei geht es im Wesentlichen um eine drastische materielle Schlechterstellung von Autoren und Komponisten. (Allein die bei der GEMA angesiedelte Zentralstelle für private Überspielungsrechte – ZPÜ – errechnete circa 50 Millionen Euro geringere jährliche Einnahmen nur im Bereich der Gerätevergütung.) „Entlastet“ werden die industriellen Hersteller von Speicher-Medien. Deutschland – Land der Ideen, wie allerorten satt plakatiert? Eher doch eine Wirtschafts-Zone, in der knapp gehaltene Kreativ-Knechte das Mahlwerk der Börsen zum Rotieren bringen. Man darf gespannt sein, wie intensiv sich das urheberrechtliche Bewusstseins-Transfer-Potenzial unserer Bundeskanzlerin raus aus den Patent-Appellen in der Volksrepublik China, rein ins Land der Dichter und Denker auswirkt. Oder auch nicht.
Zwischendurch: kräftige Zuwendungs-Kürzungen bei den Mittler-Organisationen für die deutsche Kulturarbeit im Ausland. Gerupft wird zum Beispiel das Goethe-Institut. Wozu schon brauchen wir in der proper funktionierenden Euro-Region teure Deutsch-Kurse oder sonstige Kunst-Repräsentanzen (von Klängen ganz zu schweigen). Im Gegenteil: Verhökern wir doch die wohl sortierten, mit Steuermitteln beschafften Bibliotheks-Bestände der dänischen oder französischen Institute auf dem Flohmarkt und speisen den Erlös in die „Gesundheitsreform“. Vox pecuniae – vox humana. Kulturland Deutschland. Dann jene als „Föderalismus-Reform“ gelabelte Grundgesetz-Änderung: Der Deutsche Kulturrat hat in unserem „Kultur-Informations-Zentrum (nachzulesen unter www.nmz.de/kiz) seit langem eingehend auf die kulturschädlichen Wirkungen dieses verwaltungstechnischen Rationalisierungspaketes hingewiesen. In einer Resolution stellt jetzt auch die Jeunesses Musicales Deutschland (JMD) fest, dass wichtige Aspekte in den Bereichen Bildung und Kultur außer Acht gelassen wurden. Der Wegfall jeglicher Bundesverantwortung werde negative Folgen für Qualität und Effizienz musikalischer Nachwuchsförderung zeitigen: Förderprojekte wie der Bundeswettbewerb Komposition seien in Gefahr. Und, da schließt sich der circulus vitiosus: Hoch kreative junge Menschen verlören eine wertvolle Förderung… An wen eigentlich soll die JMD ihren fünf Punkte umfassenden Forderungskatalog abschicken? An den Staatsminister für Kultur und Medien im Bundeskanzleramt, dessen Existenz nach der Fusion der Kulturstiftungen zur sicherlich hoch differenziert gelöcherten Bund-Länder-Kultur-Gießkanne noch weiter an Einfluss und Berechtigung verloren hat?
Der Volks-Jauchzer „Finale“ bekommt für unser Kulturleben eben doch einen ganz besonderen Sinn…