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Heiner Goebbels bei der Präsentation des Ruhrtriennale-Programms 2013. Foto: Stefan Pieper
Heiner Goebbels bei der Präsentation des Ruhrtriennale-Programms 2013. Foto: Stefan Pieper
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Noch wagemutiger: Intendant Heiner Goebbels verspricht eine aufregende Ruhrtriennale vom 23. August bis 6. Oktober 2013

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Wahre Kunst ist auch immer durch eine gewisse Vagheit definiert, bei der man sich selbst gerade durch das nicht Erklärbare neu erfahren kann. Diesem Credo gemäß programmiert der Komponist und Theaterwissenschaftler Heiner Goebbels nun schon im zweiten Jahr die Ruhrtriennale. Und huldigt damit noch mutiger und kompromissloser dem Aspekt einer aufgeweckten künstlerischen Avantgarde. Davon zeugte die Präsentation des kommenden Programms – über 150 Produktionen, die mit insgesamt über 800 Künstlern an Spielstätten über die Bühne gehen werden.

Damit scheint sich die Neubelebung, die im letzten Jahr durch die neue Intendanz zustande kam, nahtlos fortzusetzen. Die dadurch vorgenommene kreative Zuspitzung hatte letztes Jahr den Besucherzustrom zunehmend internationaler werden lassen, darauf verwies die NRW-Kulturministerin Ute Schäfer. „Wie werden die eingeschlagenen Wege so interdisziplinär wie möglich weitergehen“, bekundet Heiner Goebbels hierzu.

Damit stehen Großprojekte ins Haus, die schon jetzt spannende Erwartung aufkommen lassen. Vor allem das Musiktheater ist wieder ein großes Thema für die Aufführungen in den nicht selten wegen ihrer Räumlichkeit schon spektakulären Industriedenkmälern der Region. Dafür werden dann auch mal ganze neue „Theatermaschinen“ konstruiert, mit denen im Stück „Stifters Dinge“, einer Performance von Heiner Goebbels und Klaus Grünberg, neue mikrotonale Klangwelten ausgelotet werden.

Immer wieder sind es die einzigartigen, oft skulpturalen Klang- und Raumkonzepte, die den Aufführungen an diesen Örtlichkeiten ihre Authentizität verleihen. Etwa, wenn der amerikanischeTheatermacher Robert Wilson Helmut Lachenmanns selten aufgeführte Oper Das Mädchen mit den Schwefelhölzern inszeniert, um damit nicht zuletzt die klangliche Erfahrung psychischer Zustände erfahrbar zu machen. Eine große „kollektive Halluzination“ steht ins Haus, wenn die englische Band „Massive Attack“ bei ihrem einzigen Deutschland-Auftritt auf den BBC-Dokumentarfilmer Adam Curtis trifft – um die audiovisuelle Nachzeichnung politischer Prozesse geht es nicht zuletzt in diesem konzertanten Gesamtkunstwerk.

Wie sehr die Musik Johann Sebastian Bachs auf die Gegenwart strahlt, demonstrieren die international gefeierten Choreografen Boris Charmatz und Anne Teresa De Keersmaeker, wenn sie Barockmusik mit neutönerischen Arbeiten der französischen Spektralisten und einer Tanzchoreografie reagieren lassen.

Zu den weiteren Höhepunkten des Festivals zählen die Eröffnungsproduktion „Delusion of the Fury“ von Harry Partch in einer Inszenierung von Heiner Goebbels in Zusammenarbeit mit dem Ensemble musikFabrik. Das Finale des diesjährigen Festivals bestreitet Romeo Castelluccis Version von Strawinskys Le Sacre du Printemps – gemeinsam mit dem charismatischen Dirigenten Teodor Currentzis und seinem 100-köpfigen russischen Orchester MusicAeterna.

Vor allem auch werden mehrere installative Arbeiten zu sehen sein, die den Zuschauer ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Heiner Goebbels, Künstlerischer Leiter der Ruhrtriennale, betont die Wichtigkeit solcher aktiver Teilnahmemöglichkeiten: „Wahrnehmung und Erfahrung sind etwas sehr persönliches, stellen sich für jede und jeden von uns anders dar, und auch im Theater ist man in den Momenten, die am stärksten berühren, alleine. Vielleicht haben wir aus diesem Grunde die Begegnungen in unserem Programm erweitert, bei denen man selbst entscheiden kann, wann man einen Raum betritt, wie lange man darin verweilen mag, wie schnell man ihn verlässt und ob man wiederkommt.“

In der Großen Halle des Museum Folkwang wird William Forsythe mit „Nowhere and
Everywhere“ in diesem Jahr eine neue raumgreifende Installation sowie weitere Arbeiten zeigen, bei denen die Besucher selbst zu Performern werden und zum Gelingen der Performance beitragen.

Der Elektronik-Künstler Ryoji Ikeda entwirft mit „test pattern [100m version]“ für die gesamte Kraftzentrale einen pulsierenden Parcours, in dem digitaler Noise und visuelle Impulse den Zuhörer bzw. Betrachter umgeben und die Räumlichkeit dieser riesengroßen Halle neu erfahren lassen. Das Londoner Studio rAndom International wird mit „Tower“ einen beeindruckenden begehbaren Wasserturm bauen.

Die Reihe der Ciné-Concerts vervollständigen mit „In Absentia“ und der Uraufführung von „Kwartet Smyczkowy“ die amerikanischen Quay Brothers, zuletzt mit einer Retrospektive im MoMA New York gewürdigt, und die französischen Musiker, Improvisateure und DJs Xavier Garcia und Guy Villerd, die unter dem Titel „ACTUAL REMIX“ einen völlig neuen Soundtrack zu Fritz Langs Stummfilmklassiker „Metropolis“ vor der beeindruckenden Kulisse der Gießhalle im Duisburger Landschaftspark spielen.

Zahlreiche Veranstaltungen sind auch 2013 dem Tanz gewidmet. Die spektakuläre Open-Air Bergarena der Halde Haniel in Bottrop nehmen dieses Jahr Boris Charmatz und 24 Tänzer mit „Levée des conflits“ ein. Für die Uraufführung der Choreographie zu „Vortex Temporum“, dem Spätwerk des französischen Komponisten Gérard Grisey, versammeln sich in der Jahrhunderthalle Bochum zwei belgische Ausnahme-Ensembles: die von Anne Teresa De Keersmaeker gegründete Kompagnie ROSAS und das Ictus Ensemble. Weitere wichtige Choreografinnen und Choreografen
sind La Ribot und Bruno Beltrão sowie Meg Stuart und Philipp Gehmacher gemeinsam mit dem Bildenden Künstler Vladimir Miller, die ihre Arbeiten bei PACT Zollverein (künstlerischer Leiter Stefan Hilterhaus) zeigen.

An jedem Montagabend finden in der intimen Atmosphäre des Maschinenhauses der Zeche Carl klassische Kammermusikabende und Konzerte mit improvisierter Musik statt. Unter anderen mit der Bratschistin Kim Kashkashian, dem Arditti Quartet und zwei Protagonistinnen der New Yorker Improvisationsszene Zeena Parkins (Elektronische Harfe) und Ikue Mori (Electronics).

Neben dem hr-Sinfonieorchester in Lachenmanns „Mädchen mit den Schwefelhölzern“ sind zwei große Klangkörper aus Nordrhein-Westfalen zu hören: Die Bochumer Symphoniker spielen Gavin Bryars’ „The Sinking of the Titanic“ und „Jesus‘ Blood Never Failed Me Yet“. Das WDR Sinfonieorchester widmet sich Jonathan Harveys „Glasgow Trilogy“ und mit der Solistin Alina Ibragimova dem Violinkonzert von Alban Berg.

Der Vorverkauf startet am 17. April 2013. Die Ruhrtriennale beginnt am 23. August und endet am 6. Oktober 2013.

 

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