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Hommage an Klaus Nomi: Johannes Reichert in der Raumkugel. Foto: Pocket Opera Company
Hommage an Klaus Nomi: Johannes Reichert in der Raumkugel. Foto: Pocket Opera Company
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Numi e Nomi: zur Uraufführung von „pocs space enterprise“ in Nürnberg-Schweinau

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Die Pocket Opera Company in Nürnberg, eines der ältesten freien Opernensembles, hat in den letzten Jahren mehrere Cross-Over-Produktionen an jeweils ungewöhnlichen Spielorten herausgebracht. Die jüngste Produktion gedenkt des 1944 in Bayern geborenen Sängers Klaus Nomi, der in den Siebzigerjahren in der New Yorker Underground-Szene für Furore gesorgt hat und 1983 an Aids starb, aber in Internetforen noch immer präsent ist.

 Diese Pop-Ikone mit klassischem Background begegnet in der Handlung von „pocs space enterprise“ als Außerirdischer auf seiner „intergalaktischen Zeitreise Orte(n) der Menschheit und der Götterwelt“ (Programmheft) und erlebt so diverse Gesänge und Szenen von Monteverdi und anderen Opernkomponisten. Die „planetaren Spielstätten“ sind angesiedelt in einer ehemaligen Busdepothalle, die heute als Reparaturwerkstätte für Oldtimer dient. Inmitten dieser Autoteile und Maschinen ist ein Podestgeviert gezwängt, das die Zuschauer als Atrium umrahmen. Gesungen und gespielt wird aber auch hinter den Zuschauern, auf der Empore und in der Luft.

Denn Nomis Auftritt und Abgang erfolgen mit einer „Raumkugel“, die an einer Hängevorrichtung über die Zuschauer schwebt. Sechs Obdachlose, die sich an einer brennenden Öltonne wärmen , outen sich als Opernsänger, die sich schon mit Monteverdi artikulieren, bevor Nomi – der Counter Johannes Reichert – sein „Simple Man“ anstimmt. Zwei Tänzer der „Bounce! Dance Company“ geben die ausführenden Kämpfer in „Il Combattimento di Tancredi“, der Tragödie zweier Liebenden, die sich nicht mehr zu erkennen ermögen. Angesichts der Leiche stimmt Nomi Schumanns „Der Nussbaum“ an, wobei die Artikulation allerdings fast ebenso unverständlich bleibt, wie dem Publikum die Inhalte des italienischen Gesanges in den Monteverdi-Szenen.

Übertitel gibt es in dieser galaktischen Welt nicht, dafür Zitate daraus auf Cartoons im Foyerbereich. Den zweiten Teil des zweieinhalbstündigen Abends eröffnet das Ensemble mit Nomis „Total Eclipse“, die in militärischer Formation dargeboten wird. Nach Monteverdis „Lamento de la Ninfa“ bietet der Zweigesang der Tenöre Maximilian Argmann und Christopher Kessner mit der Forderung „Zefira torno“ einen besonderen Höhepunkt. Henry Purcells „Cold Song“ bestätigt unfreiwillig Kälte und Zugigkeit des Spielorts. Das barocke Kostümfest bei Monteverdis „Il Ballo delle Ingrate“, mit den hier beschworenen und auch mumienhaft auftretenden Göttern (Numi) wird konterkariert mit Nomis „The Twist“, diesmal nicht nachinterpretiert, sondern in Form von Einblendungen der besonders abgefahrenen Originalaufnahme. Stärker sind die Live-Eindrücke des Baritons Robert Eller und des intonationssicheren Mezzosoprans Katharina Heiligtag. Nomi besteigt wieder seine Kugel und die Sänger schlüpfen wieder in ihre Anfangsklamotten und intonieren als Hommage an Nomi die umgetextete Liebesarie aus Saint-Saens’ „Samson und Dalila“.

Die Dramaturgie des Abends erschließt sich den Zuhörern nur schwer. In Rolf P. Parchwitz’ Regie wird das Pasticcio mehr betont, als dass es sich zu einer Gesamthandlung in diesem wenig „galaktischen“ Raum fügen könnte. Sonderapplaus erhält ein Tänzer für seinen Break Dance, aber der Sängerdarsteller des Numi verfügt weder über das Charisma des Popsängers, noch über dessen stimmlichen Ambitus vom Bass bis zum hohen Sopran. Und Baudelaires Ausspruch, „Das Schöne ist immer sonderbar“, den das Programmheft bemüht, lässt sich leider nicht umkehren.

Großartig hingegen sind die ungewöhnlichen Klangfarben und -Mischungen, die Franz Killer für seine Adaption gefunden hat. Hochprofesionell dargeboten werden sie von Saxophonquartett, Harfe, Schlagzeug, Violoncello, Kontrabass und Keyboard-Cembalo, von dem aus Franz Killer, der Leiter der Pocket Opera, die Aufführung in dem akustisch ungünstigen Ambiente musikalisch souverän absichert.
Das Publikums, das die Kälte in der Pause mit Glühwein bekämpfen mochte, jubelt am Ende einhellig.

Weitere Aufführungen: 30. Oktober, 4., 5., 7. November 2010

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