Die Nachricht über die „Lösung“ des Münchener Konzertsaalproblems kam für die meisten dann doch sehr überraschend. Entkernen und neubauen der Philharmonie. Man weiß ja wie gut das funktioniert. Nicht nur Hamburg, Berlin und Stuttgart können auf fundierte Erfahrungen verweisen. Wolf Loeckle, bestens vertraut mit der Geschichte der Konzertsaalfrage Münchens kommentiert den Schlamassel.
Klar hat München eine Philharmonie. Münchens Top-Architekturkritiker Gottfried Knapp von der Süddeutschen Zeitung meinte 1985 anlässlich der Eröffnung, das mit auf den Beton draufgeklebtem rötlichem Backsteinversatz „aufgehübschte“ Teil würde mit der aus Kostengründen reduzierten Glasfläche der Stadt das Hinterteil zukehren. Fällt die Arena doch nicht zur Isar hin ab. Sondern nach Osten. Und die Spalte zwischen den zwei symbolischen Hinterteilen lässt die Frauenkirche grüssen.
Lenny Bernstein sagte früh schon, dass das Teil schlicht zu verbrennen sei. Celibidache nahm, was er hatte. Ein wenig dankbar konnte man dem Sozialdemokraten Kronawitter und seinen Leuten ja schon sein. Und als Kulturzentrum funktioniert der Gasteig ja prächtig, mit Volkshochschule, Stadt-und-Musik-Bibliothek, Tagungs-und-weiteren-Sälen, Anteilen der Musikhochschule. Eine gehobene vierstellige Zahl im oberen Bereich frequentiert das Gebäude täglich (dreihundert-fünundsechzig Mal pro Jahr!).
Aber die Philharmonie... Als Saal macht sie ja optisch schon was her – ohne die Plastik-Akustik-Segel. Mon Dieu – die Akustik... Nun hat die Stadt unbestritten drei wirklich sehrsehrsehr gute Orchester, manche reden von drei Weltklasseorchestern. Das Bayerische Staatsorchester hat das Nationaltheater, die Münchner Philharmoniker spielen in eben der Philharmonie. Und das BR-Symphonieorchester spielt da und dort und sonst noch wo im Nirgendwo. Ein Jahrzehnt lang wurde diskutiert und eruiert und fabuliert, gedacht und erdacht.
Isarphilharmonien kamen ins Gespräch, Deutsche Museen wurden gedanklich zerlegt, ein Weltklassekonzertsaal auf dem Deckel, der einen Autotunnel abdeckt – von spannend bis obskur stellt sich die Historie dar. Und wie immer in dieser Stadt waren da unendlich engagierte Einzelmenschen, die als Gruppenmenschen in einem Verein sich der Philharmonie annahmen.
Odeon
In Erinnerung auch an das „Odeon“, jenen legendären Saal am Odeonsplatz, wo die Legenden dirigierten (heute Innenministerium). Dem Naziwahnsinn ist zu danken, dass der Saal nur noch als gläsern überdachter Innenhof eine Ahnung zulässt, wie es gewesen sein mag. Schräg gegenüber, neben Landwirtschaftsministerium und angrenzend an den Finanz-oder-Dichtergarten fand sich ein Grundstück für ein „Neues Odeon“. Viele freuten sich, das Kultusministerium sprang auf.
Heute setzten sich Ministerpräsident Seehofer und MUC-OB Reiter zusammen – und die Hoffnungen stürzten in sich zusammen...: Gasteig entkernen, innerhalb der Außenmauern neu bauen. Diejenigen, die da meinen, den Hauptstädten werde zu viel geschenkt, werden sich freuen. Kleinbürgerliche Biedermeierei. Für das Ansehen der wirklichen Musikstadt München ist das eine Katastrophe, nicht nur aus Gründen kapitalistischer Profitmaximierungslust der privatwirtschaftlich organisierten Konzertveranstalter.
Wenn nicht ein Aufschrei durch die Stadt geht und die Menschen wie beim Nationaltheater, wie beim Prinzregententheater, wie bei der Pinakothek der Moderne, wie beim Kunstareal München in die Taschen greifen und der Politik vorgeben, wo es lang zu gehen hat, dann wird Kent Nagano (bis vor kurzem Bayerischer GMD) in wenigen Jahren von den luftigen Höhen der Elbphilharmonie zu Hamburg knapp über Normal Null den Münchnern auf 555 Metern über Normal Null zuwinken, mit ihrer dann sanierten Gasteigphilharmonie...