Stuttgart (ddp). Im Stuttgarter Autohaus «Schwabengarage» zeigen die Staatsoper und das Theater Rampe am Donnerstag (18. Dezember) die gemeinsame Uraufführung des Stücks «Die Jagd». Es zeigt unter anderem die «Schizophrenie, dass man mit dem Auto in die Natur fährt», sagte Regisseurin Eva Hosemann der Nachrichtenagentur ddp am Montag in Stuttgart.
Das Auto soll für Technologie stehen, modernes Leben, Kultur als Gegenstück zu Natur. Dass der Mensch gerade dieses Fahrzeug nutzt, um ins Grüne zu kommen und der Natur näher zu sein, ist eine «Schizophrenie», die die Stuttgarter Regisseurin Eva Hosemann nun vor ungewöhnlicher Kulisse auf die Bühne bringt. Das Auto ist in dem Stück «Die Jagd» der Staatsoper Stuttgart in Zusammenarbeit mit dem Theater Rampe als Protagonist mit eingebunden. Am Donnerstag ist im Stuttgarter Autohaus «Schwabengarage» die Uraufführung des bizarren Stücks über eine dreiköpfige Familie zu sehen, einer «Naturoper mit Auto».
Regisseurin Hosemann, Intendantin des Theater Rampe, ist begeistert von der «Schrägheit des Ortes». Sie hat die Zusammenarbeit mit der Staatsoper angestoßen, nachdem die «Schwabengarage» sich «mit einem großen Kunstbedürfnis» an sie gewandt hatte. Das Stück sei durch kreative Zusammenarbeit gewachsen, alle hätten «über das Auto gesponnen», sich an «selige Automomente» in der Kindheit erinnert und das Fahrzeug als «emotionalisierten Ort» ins Zentrum gestellt, berichtet sie. Als einzigen Ort, an dem «die Familie heute überhaupt noch zusammentrifft». Herausgekommen sei ein Stück, das vor allem schildere, wie die Städter die Nähe zur Natur suchten, «dort aber rumgehen und rumjagen und sie dabei zerstören».
Die Protagonisten, drei Familienmitglieder und zunächst Kunden in einem Kaufhaus, gleiten gleich zu Beginn in Wunschwelten ab. Sie erleben eine erträumte Waldpartie, einen Familienausflug mit Kühltaschen und Picknick. Bedrohliche Klänge und stockendes Geplapper deuten jedoch die zunehmende Störung der Harmonie an. Die Eltern geben sich ihrer Ehekrise hin, die Tochter fühlt sich von der Natur bedroht. Sie sucht Schutz im Auto, während draußen ein Pulk dunkel gekleideter Gestalten mit zu Geweihen gewundenen Drahtgestellen am Fahrzeug rüttelt und das Gefährt erklimmt.
Nacheinander gehen Vater, Mutter und Tochter auf die Jagd und kehren entrückt bis hysterisch und teils blutverschmiert zurück. Am Ende kommt ein Mann ins Spiel, der sich als Besitzer der Garage ausgibt, in der sich das Trio befindet. Doch niemand weiß mehr so recht, was er glauben soll. Die Tochter beharrt zumindest darauf, in dem Ort ihren Wald gefunden zu haben. In dem Stück wirken Ensemblemitglieder beider beteiligten Häuser mit, wodurch eine Mischung aus Schauspiel und moderner Oper entsteht. Die Eltern werden von zwei Paaren verkörpert - einem Schauspielerpaar und – oft parallel dazu handelnd - zwei Opernsängern.
Die passende Musik dazu schrieb Komponist Marios Joannou Elia, der das «Auto als Instrument» einsetzt. Er arrangiert Geräusche eines «Autosextetts» wie Hupen, Motorenbrummen, Türenklappern oder Getrommel auf den Wagen zu elektronischen Einspielungen und Gesang von Solisten und Chor. «Die Jagd» hat er als «Tragödie mit satirischen Elementen» geschaffen. Es sind komplexe Tonarrangements, die vor allem den Sängern Professionalität abverlangen. «Meine Partituren stoßen oft an Grenzen», weiß der Komponist.
Auch die Sprechpartien folgen in Rhythmus und Tempo teilweise seiner Komposition. Elia hat schon mehrfach Stücke zu Fahrzeugen geschrieben. Darin verwirkliche er seine «Sehnsucht nach dem Fahren», sagt der gebürtige Zypriote, der selbst kein Auto besitzt. Es sei das Ausleben eines Geschwindigkeitsrauschs ohne Gefahr.
«Die Jagd» ist die fünfte Produktion der Reihe «zeitoper», mit der das Staatstheater unkonventionelles Musiktheater an Orten im öffentlichen Raum anbietet. Nach der Premiere sind weitere fünf Vorstellungen geplant.