Unter den Komponisten und Dichtern, die sich mit dem Orpheus-Mythos beschäftigt haben, erweist sich Jacques Offenbach als der Meister der Satire. Es ist vielleicht kein Zufall, dass ausgerechnet sein „Orfée aux Enfers“ die stärkste Affinität zu dem entwickelt, was das Andere Opernensemble im Carl Orff Saal des Münchner Gasteig auf die Bühne gebracht hat.
Denn der Gründer und Leiter Hector Guedes, unermüdlich im Ergründen und Recherchieren eines Opernstoffs, wenn er ich sich denn mal einen ausgesucht hat, arbeitet in der Tradition von Bertolt Brecht. Weg vom Illusionstheater hin zu einer Haltung, die verschiedene Blickwinkel auf einen Stoff zeigt. Mit dem Orpheus-Mythos hat Guedes einen idealen Stoff gefunden.
Vom Sänger, der am Ende vom Leiden der verlorenen Liebe erlöst wird und sie für immer gewinnt, reicht der Kanon bis zum tragischen Ende der verlorenen Geliebten und des verlorenen Liebhabers. Guedes' Inszenierung versteht sich als Opern-Collage, in der sich Musik und Arien des frühen Opernkomponisten Claudio Monteverdi mit der des Vorklassikers Christoph Willibald Gluck und der von Jacques Offenbach verbinden. Dazu ein bisschen „Alberich“ aus Wagners Rheingold, aber auch „Black Orpheus“ von dem brasilianischen Komponisten Luiz Bonfa.
Die Multimedia-Operncollage aus Video-Projektion, Szene und elfköpfigem Solisten-Orchester (Leitung Julio Mirón), das auch zwischen akustischen und elektronischen Klängen changiert, wirkt im ersten Akt wie eine beliebige Ansammlung von Material. Orpheus (Franz Xaver Schlecht) hat eine Probe verschlafen und wird nun vom Regisseur (Hector Guedes) auf seine Rolle trainiert. Euridike (Eleni Ioannidou) schreitet von einem achtköpfigen Monteverdi-Chor begleitet auf die Bühne. Viel Statik, wenig Erhellendes ist zu erleben. Einzig die übertrieben antiken Posen der Darsteller deuten an, worauf Hector Guedes aus ist: Der ironische Blick auf das Thema Liebe, die niemals von Dauer ist, immer wieder neue Anreize braucht. Erst im zweiten Akt funktioniert diese distanzierte Haltung. Zu der Musik von Jacques Offenbach eben. Und plötzlich funktionieren auch die Arien von Monteverdi („Pur ti miro“ aus der „Poppea“) und Gluck („Ach ich habe sie verloren“) im Kontext der Collage. Grandios gesungen von den beiden Hauptdarstellern.
Am Ende hat das Publikum die Wahl, sich zwischen einer „Happy End“-Lösung und der „Erlösung im Himmel“ zu entscheiden. Die Mehrheit wählt erstere. Kann man das „Happy End“ bestimmen? Muss es einen nicht überkommen? Das Publikum im gut gefüllten Carl Orff Saal applaudiert jedenfalls begeistert.
Die Operncollage „Orpheus, Variationen über Liebe und Tod“ ist noch einmal zu sehen am 18. Juni, Beginn 20.00 Uhr.