Hauptbild
Komischer Oper innen. Foto: Hufner
Komischer Oper innen. Foto: Hufner
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Ostdeutsche Bühnen entwickeln sich auseinander – Die ostdeutschen Theater und Orchester stehen zwischen Sekt und Selters

Autor
Publikationsdatum
Body

Der Rotstift führt Regie oder ersetzt bisweilen den Taktstock: Viele Theater und Orchester in Ostdeutschland befinden sich knapp 25 Jahre nach dem Mauerfall in einer schwierigen Lage. Sinkende Zuschüsse und steigende Tarife führen zu Personalabbau, Fusionen oder sogar zur Abwicklung von Sparten und ganzen Ensembles. +++ Deutscher Bühnenverein beklagt Kürzungen bei Theatern +++ Brandenburger Theater klagen über Spardruck +++ Intendanten: Zeit bis 2016 für langfristige Lösungen nutzen

Wer an Personal nicht mehr sparen kann oder will, hat weniger Geld für Produktionen. Dabei ergibt der Blick in die einzelnen Länder ein höchst unterschiedliches Bild. Denn in einigen Ländern steigen die Kulturausgaben sogar - ein Hoffnungsschimmer am dunklen Bühnenhimmel.

BERLIN

Die Hauptstadt gibt für Kultur inklusive Museen und Gedenkstätten mehr Geld aus. Der Kulturhaushalt für die Jahre 2014 und 2015 steigt überproportional im Verhältnis zu anderen Ressorts. Nach dem Entwurf sollen die Kulturausgaben in beiden Jahren um 27 Millionen auf insgesamt 773 Millionen Euro steigen. Der Löwenanteil fließt laut Verwaltung allerdings in die Anpassung der Tarifstrukturen für die Beschäftigten. Umstritten ist dagegen die Förderung der Freien Szene.

Die unabhängigen Gruppen fühlen sich von der Verwaltung finanziell vernachlässigt - zum Beispiel die Tanzcompagnie von Sasha Waltz.

BRANDENBURG

Brandenburgs Theater leiden unter permanentem Kostendruck. Zwar gibt es bisher keine größeren Einschnitte bei Aufführungen. Doch 2014 sollen weitere Stellen gestrichen werden. Teils müssen die märkischen Bühnen jeden Euro umdrehen, um ihr im Bundesvergleich ohnehin bescheidenes Programm aufrechtzuerhalten. Die Uckermärkischen Bühnen in Schwedt wollen ihren Künstlern deshalb Blumen und Premierensekt streichen. Insgesamt liegt der Landesetat für Theater und Orchester zusammen mit Zuweisungen aus dem Finanzausgleich 2014 bei rund 38,7 Millionen Euro, gut 4,3 Millionen Euro mehr als 2009. Experten sehen lediglich eine Grundversorgung in den Regionen abgedeckt.

MECKLENBURG-VORPOMMERN

Im Norden des Ostens ist die Bedrohung greifbar. Dort gibt es kaum ein Theater, das in jüngster Zeit nicht knapp vor der Insolvenz stand und mit Extra-Geld gerettet werden musste. Grund: Die Regierung hat ihren Theaterzuschuss von 35,8 Millionen Euro seit 1995 nicht mehr erhöht. Die Kommunen können das nicht auffangen. Kulturminister Mathias Brodkorb (SPD) will den Zuschuss bis 2020 weiter deckeln und fordert Fusionen und Personalabbau. Der Aderlass ist spürbar. In der ersten Spielzeit nach der Wende (1990/1991) hatten die hiesigen Bühnen noch 1787 Mitarbeiter, 2011/2012 waren es nur noch 1027.

SACHSEN

Sachsen nimmt für sich in Anspruch, das Flächenland mit den höchsten Kulturausgaben pro Einwohner zu sein. So ist es zumindest im bisher aktuellsten Kulturfinanzbericht von 2009 vermerkt. Damals lagen die Ausgaben für Kultur im Freistaat bei 706,5 Millionen Euro, etwa 169 Euro pro Einwohner. Der deutsche Mittelwert betrug 96,5 Euro. Die Flaggschiffe in Regie des Freistaates befinden sich mit Semperoper und Staatsschauspiel in Dresden. Für beide Häuser hat das Land bei sinkendem Personalbestand die Zuschüsse seit dem Jahr 2000 von knapp 50 Millionen Euro auf rund 64,8 Millionen Euro erhöht. Die Kultur in der Fläche wird über ein Kulturraumgesetz vom Land mitfinanziert. Derzeit gibt es dafür pro Jahr 86,7 Millionen Euro vom Land.

SACHSEN-ANHALT

Das Land hat seine Theaterförderung mit Beginn dieses Jahres deutlich zurückgefahren. Der kulturelle Kahlschlag wurde schon im Sommer 2013 eingeläutet. Demnach sollte der jährliche Zuschuss von 36 auf 29 Millionen Euro sinken. Inzwischen wurde um etwa eine Million nachgebessert. Hintergrund ist der Konsolidierungskurs des Landes.

Landkreise und Kommunen als Träger der Bühnen stehen in der Pflicht, sich neue Konzepte zu überlegen - bis hin zur Schließung von Sparten.

Nach hitziger Debatte standen bis Jahresende Verträge für sechs Standorte fest. Für Halle, Dessau und Eisleben gibt es noch immer keine Theaterverträge.

THÜRINGEN

Thüringen hat Zuschüsse für Theater und Orchester trotz sinkenden Landesetats bis 2016 festgeschrieben. Von 58,7 Millionen Euro (2013) sollen sie schrittweise auf 64,8 Millionen Euro steigen. Zusammen mit den kommunalen Beiträgen gehe es den Häusern momentan relativ gut, sagt der Vorsitzende des Thüringer Bühnenvereins und Erfurter Intendant, Guy Montavon. Für Hasko Weber, Chef am Nationaltheater Weimar, haben die Häuser ihr Limit jedoch erreicht. Dass etwa in Eisenach, Nordhausen oder Gera- Altenburg nicht nach Tarif gezahlt wird, sei ein Ergebnis der Politik der jüngsten Jahre: «Wir ringen immer um die selben Dinge, aber wir ringen.»

Ergänzung 1:
Deutscher Bühnenverein beklagt Kürzungen bei Theatern

Dessau-Roßlau/Halle (dpa/sa) - Der Deutsche Bühnenverein macht sich angesichts der Kürzung der Landeszuschüsse große Sorgen um die Theater in Dessau, Halle und Eisleben. Rolf Bolwin, Geschäftsführender Direktor des Deutschen Bühnenvereins, sagte der Nachrichtenagentur dpa: «Ich rechne in allen drei Standorten nicht mit einer Schließung. Aber wenn die Landesregierung bei ihrer Haltung bleibt, sind die genannten Betriebe stark gefährdet.» In Halle sei die Situation besonders schwierig, weil es sich um eine GmbH handele.

Bei fehlendem Geld drohe die Insolvenz. Sachsen-Anhalt hat seine Zuschüsse für die Theater und Orchester im Land von gut 36 Millionen Euro im vergangenen Jahr auf rund 30 Millionen Euro pro Jahr gekürzt.

Ergänzung 2:
Brandenburger Theater klagen über Spardruck

Potsdam (dpa/bb) - Die Brandenburger Theater leiden unter permanentem Kostendruck. Zwar gibt es keine größeren Einschnitte bei Theateraufführungen oder Konzerten, wie eine dpa-Umfrage ergab. 2014 sollen aber weitere Stellen im Kulturbetrieb gestrichen werden. Teils müssen die märkischen Bühnen jeden Euro umdrehen, um ihr im Bundesvergleich eher bescheidenes Kulturprogramm aufrechtzuerhalten.

Dabei stiegen die Zuwendungen durch das Land an: Insgesamt liegt der Landesetat für die märkischen Theater und Orchester 2014 laut Kulturministerium bei 22,96 Millionen Euro. Hinzu kämen 15,73 Millionen Euro aus dem Finanzausgleichsgesetz (FAG-Mittel).

Ergänzung 3:
Intendanten: Zeit bis 2016 für langfristige Lösungen nutzen

Erfurt (dpa/th) - Thüringer Intendanten haben langfristige Perspektiven für die Theater und Orchester im Freistaat angemahnt.

Die Frist bis 2016, in der die Häuser von Land und Trägern feste Zuschüsse bekommen, dürfe nicht ungenutzt verstreichen, betonten die Intendanten aus Weimar, Rudolstadt und Gera-Altenburg, Hasko Weber, Steffen Mensching und Kay Kunze. Bevor wieder über Geld geredet werde, müsse Klarheit über Ziele, Strukturen, Sparten und Kooperationen herrschen. Das Land hat die Zuschüsse von 2013 bis 2016 gedeckelt. Sie sollen sich schrittweise von 58,7 Millionen auf 64,8 Millionen Euro erhöhen.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!