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Foto: Landestheater Altenburg
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Personalschutz oder Abbau bei Theater und Philharmonie Altenburg-Gera? Eine Podiumsdiskussion im Theater Altenburg mit Staatsminister Benjamin-Immanuel Hoff

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Lebhaft entwickelte sich die Podiumsdiskussion am 1. Dezember um das Theater Altenburg im Verband „Theater und Philharmonie Altenburg-Gera“ (www.tpthueringen.de). Wie in über zwanzig anderen Meetings und Gesprächen davor forderte Thüringens Staatsminister Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff (Kultur-, Bundes- und Europaangelegenheiten) auf der Bühne des Theaters Altenburg zur aktiven Mitwirkung auf. Im März fallen erste Vorentscheidungen, im Juni 2016 beginnen die Veränderungen.

Staatsminister Hoff formulierte zur Finanzierungsvereinbarung für die Theater und Orchester im Freistaat Thüringen Konzeptansätze wie den letzten Vorhang für das Musiktheater in Weimar, die Landeskapelle Eisenach und die Philharmonie Thüringen (Gotha). Als Fakten dienen Zahlen, Bemühungen wie die Listung und Definition des immateriellen Kulturerbes in der Deutschen UNESCO-Kommission blieben außen vor.

Für Theater und Philharmonie Altenburg-Gera sind die engere Kooperation mit der Philharmonie Jena und ein sicher aufgestellter Personalplan ohne Gehaltverzicht ein Teil des Konzepts. Generalintendant Kay Kuntze sagte zu, auf Veränderungen reagieren zu können, die Spielzeit 2016/17 sei noch nicht wesentlich betroffen. Die Angst vor Personalschwund sitzt tief in allen Abteilungen: Zwei zeitgleiche Orchester-Auftritte von Musikern in einem Neujahrskonzert und zu einem Bürgermeister-Empfang sind damit Vergangenheit.

Orchestervorstände und –musiker artikulierten Misstrauen gegen eine mögliche ungleiche Informationsverteilung vor den Entscheidungen. Sie befürchten nach ihrer Verkleinerung von 148 auf 73 Musiker seit 1989 nun das Szenarium der Herabstufung auf die Klassifizierungs- und Besoldungsstufe C mit nur noch 66 Musikern. Schon jetzt ist die Philharmonie Altenburg-Gera stärker geschrumpft als z. B. das für den ständigen Musiktheater-Betrieb an unterster Personalgrenze agierende Loh-Orchester Sondershausen. (Dort sank in fünf Jahren bis 2015 die Zahl der Orchester-Planstellen von 56 auf 51. Der aktuelle Haustarifvertrag liegt derzeit knapp 4% unter dem Flächentarif. Die Musiker/innen verzichten freiwillig auf weitere 4%, um weitere Orchesterstellen, aktuell 53, zu finanzieren).

Von Politiker-Seite gab es klare Statements zu einer Lösung der Kosten- und Strukturfrage: Für Landrätin Michaele Sojka (Altenburger Land, Die Linke) ist die Nichtbesetzung von Stellen nach dem Ruhestand-Beginn von deren Inhabern die vertretbare Form von Personalabbau. Und sie bekundete Neigungen für bald mögliche Massenevents der Philharmonien Altenburg-Gera und Jena, „wie in Berlin oder mit dem Gewandhaus Leipzig“.

„1 Million für das Schloss, 1 Million für das Theater, 1 Million für die Feuerwehr“, dieses als „Ja zum Ostthüringer Kulturschiff“ gedachte Plädoyer von Altenburgs Oberbürgermeister Michael Wolf erweckte nicht nur Vertrauen. Die Politiker klagen über finanzielle Zurückhaltung für Kultur aus dem Saale-Holzland-Kreis und dem Landkreis Greiz.  

Argumente über die Image-Bedeutung von „www.tpthueringen.de“ für die Metropolregion, die Frequenz von Schulen im Theater, des Theaterfördervereins Altenburg für die Vernetzung, im demografischen Wandel nötige Personal- und Finanzkürzungen, aber auch die relativ hohe Prokopf-Kultursubvention im Freistaat Thüringen brachten keine gemeinsame Verständigungsebene.

Felix Eckerle, Chefdramaturg  des Theaters Altenburg-Gera, referierte in Schlaglichtern die der Landeshauptstadt Erfurt ebenbürtige Chronik von Theater- und Musikprojekten mit überregionaler Ausstrahlung. Damit lenkte er kurz die Diskussion von Vernetzungen, Kommunikation und soziokultureller Effizienz auf die Legitimation von Kultur durch Qualität und Ausstrahlungskraft. Staatsminister Hoff widersprach nicht der Anmerkung, dass er in seiner inzwischen dreijährigen Amtsperiode am „tpthueringen“ noch nie eine Vorstellung oder ein Konzert besucht habe.

Es ist klar, dass die Fronten an einem Abend nicht geklärt werden konnten. Die Gründe und Themen sind freilich existentiell: Angst um den Arbeitsplatz, die Angst, mit Gehaltsverzicht im Haustarifvertrag „angeschissen“ zu sein, die Angst vor Identitätsverlust durch Auszehrung der Region.

Von der Bevölkerung Altenburgs kamen wenige. Schauspiel und Musiktheater, dessen Veränderungen auch für die Philharmonie Thüringen Konsequenzen haben würde, wurden in allen Redebeiträgen nur kurz gestreift. Staatsminister Hoff warf noch selbst in die Runde, dass das Staatsballett Altenburg-Gera (im Freistaat Thüringen das einzige) niemand zum Thema machte. Ebenso wenig wie das Puppentheater, mit dem „tpthueringen“ als einziges Thüringer Theater fünf Sparten hat.

Trotz fast 20jähriger Theaterehe bewahren Altenburg und Gera noch immer respektvollen Abstand. Das Bewusstsein eines Miteinanders für „tpthueringen“, das sich als Identifikationsfaktor für die Region versteht und darauf sein künstlerisches Handeln richtet, ist offenbar nicht so ausgeprägt wie nötig in dieser Situation. Dabei sind die Bürgersteige in Altenburg schon jetzt nach Einbruch der Dunkelheit gähnend leer und das Theater (150. Baujubiläum 2021) an Spielbetrieb-Abenden einer der wenigen Sterne im Stadtbild.

Eine drastische Vorstellung, dass sich dort ähnliches ereignen könnte wie gerade in Rostock: Dort hat der Oberbürgermeister die Theaterleitung von der Mitwirkung am Konzept zur finanziellen Strukturumwandlung entlastet und betreibt mit einem eigenen (überwiegend branchenfremden) Beratergremium das „Modell 2+2“, den Ersatz der eigenen Sparten Musiktheater und Tanz mit Gastspielen.

Am Dienstag, 8. Dezember, um 19.00 Uhr tagt eine weitere Diskussionsrunde um Staatsminister Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff und Generaintendant Kay Kuntze im Theater Gera.

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