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Von Piratenangriff bedroht: die Bonner Oper. Foto: Theater Bonn
Erste Oper nach einem Buch von Cornelia Funke. Foto: Theater Bonn
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Piratenangriff auf Bonn: Unter dem Deckmantel eines Bürgerbegehrens betreibt die „Piratenpartei“ die Schließung der Oper

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Während der Bonner Oberbürgermeister und der Kölner Kulturdezernent darüber sinnieren, ob sich eine Stadt von 328.000 und eine von über 1 Million Einwohnern nicht (ungeachtet aller kulturhistorischen Unterschiede) einfach eine Oper teilen und damit ordentlich Geld sparen können, betreibt die Bonner „Piratenpartei“ die völlige Schließung der Oper in Bonn – und zwar unter dem Deckmantel eines Bürgerbegehrens, das, da es nicht von der Partei selbst initiiert werden darf, offiziell von drei Mitgliedern derselben betrieben wird. [aus: Oper & Tanz 6-2012]

Das Szenario könnte folgendes sein: Wenn das Begehren von knapp 10.000 Bonner Bürgern per Unterschrift unterstützt wird, kommt es zu einer Abstimmung im Rat. Lehnt dieser das Ansinnen ab, kommt es zwingend zu einem Bürgerentscheid. Das Begehren ist dann zwingend umzusetzen, wenn 50 Prozent der Abstimmenden, mindestens jedoch ca. 23.000 Wahlberechtigte zustimmen. Bei entsprechender Propaganda hängt die Hürde für den Kahlschlag nicht allzu hoch, zumal unter dem Motto „PSB – Pro Sportstadt Bonn“ die örtlichen Sportverbände, die beim Freiwerden von bislang für die Oper allokierten Mitteln eine kräftige weitere Subventionserhöhung für sich erhoffen, das Begehren zumindest unter der Hand kräftig unterstützen.

Es ist schon bemerkenswert, mit welcher Kaltschnäuzigkeit eine Partei, die in ihrem Parteiprogramm der Kultur gerade einmal zwei Zeilen widmet, zugunsten einer diffusen „Breitenkultur“ nicht nur generell professionellen Künstlern ihr Einkommen aus dem Urheberrecht, sondern nun auch mindestens 150 künstlerisch Beschäftigten der Oper Bonn die materielle Existenzgrundlage – quasi als „Kollateralschaden“ – entziehen will. Das nicht-künstlerische Personal wird hingegen als schutzwürdig anerkannt; es soll an anderer Stelle bei der Stadt weiterbeschäftigt werden.

Völlig ignoriert wird bei der Argumentation, dass die Bühnen der Stadt Bonn seit Hauptstadt-Zeiten bereits eine zweistellige Millionensumme eingespart und rund 250 Stellen gestrichen haben. Damit haben sie sich – mit bemerkenswert wenigen Einschnitten in das künstlerische Angebot – zu einem effizienten schlanken, der Größe der Stadt angemessenen Theater entwickelt. Falsch ist auch die Behauptung, jede verkaufte Opernkarte werde mit ca. 300 € subventioniert. Zutreffend ist etwa die Hälfte, und damit wird es ermöglicht, dass ein Theaterbesuch für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich ist. Er ist übrigens billiger als der Besuch eines – mittelbar ebenfalls hoch subventionierten – Fußball-Bundesligaspiels, dem niemand nachsagt, es sei eine elitäre Veranstaltung für Wohlhabende. Und dass sich das Einkommen der meisten Bühnenkünstler im einstelligen Prozentbereich dessen von Bundesliga-Spielern bewegt, sei nur am Rande erwähnt.

Dass die Stadt Bonn 2 Prozents ihres Etats für das Musiktheater ausgibt, halten die „Piraten“ für die „übertriebene Förderung einer Oper, die zudem qualitativ umstritten“ sei. Woher sie insoweit ihre Urteilsfähigkeit und ihre Maßstäbe – sie vergleichen dieses Stadttheater mit Bayreuth und Salzburg –  nehmen, bleibt unklar. Fest steht: Mit diesem „Argument“ ließen sich fast alle deutschen Theater schließen. Aber vielleicht ist ja genau das der Gedanke, der hinter der ganzen Aktion steht.

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