Unter Absingen fröhlicher Fastnachtslieder und jeder Menge munterem Helau besuchte eine Mainzer Narrengilde eines der zahlreichen Flüchtlingsheime der Landeshauptstadt. Die selbstgestellte Aufgabe: Asylsuchenden gewachsenes, heiteres deutsches Brauchtum nahezubringen. Das stieß, berichtete der SWR, nicht nur auf munteres Einverständnis; generierte beim psychisch nicht unbedingt stabilen Publikum einige Irritation, gar Ängste. Immerhin: Die Aktion war sicherlich einigermaßen gut gemeint, eben das Gegenteil von gut gemacht.
Dabei gibt es im allgemein gern unterbewerteten Bereich unserer musikalischen Zivilgesellschaft mittlerweile eine Fülle von Best-Practice-Beispielen, wie mit Kultur, mit Musik rasch und sensibel Kommunikations-Brücken gebaut werden können zu Menschen jeden Alters, die unsere Sprache (noch) nicht sprechen, die den lebensgefährlichen Weg oft traumatisiert in den vermeintlich sicheren Hafen unserer Bundesrepublik geschafft haben. Gemeinsam mit dem Verband deutscher Musikschulen sammelte und sammelt der Deutsche Musikrat Anschriften und Tätigkeitsbeschreibungen von bislang weit über hundert Initiativen und Organisationen, die sich meist ohne wesentliche materielle Unterstützung des Bundes oder der Länder um Integration kümmern (www.miz.org).
Das reicht vom Bremer syrisch-deutschen Orchester über Augsburgs kostenlosen Musikunterricht für Flüchtlingskinder in den Fächern Klavier, Geige und Cello, über die „Mondiale“ in Berlin oder integrative Schultanz-Projekte in München bis zum Engagement von Theatern und Opernhäusern mit Freikarten für Asylsuchende samt klaren Bekenntnissen gegen die dumpfe Ausländerfeindlichkeit. Um nur wenige Beispiele zu nennen.
Willkommenskultur, mittlerweile fast schon ein Schimpfwort, wird von vielen Künstlern und Pädagogen freiwillig und kaum entgolten kontinuierlich praktiziert. Sie ist – im Unterschied zu den pseudopragmatischen, zahlengesteuerten, teils heuchlerischen, teils wirkungslosen „Plänen“, den widersprüchlichen bis widerlichen und bislang wirkungslosen Lippenbekenntnissen einschlägig bekannter Politikerinnen und Politiker – der eigentliche kultivierte Mutterboden, auf dem die empfindlichen Integrationspflänzchen Wurzeln schlagen und wachsen können. Nur eine finanziell und ideell maximal aufgewertete Kultur- und Bildungspolitik wird in der Lage sein, die gewaltigen anstehenden Probleme der Flüchtlingswelle grundgesetzkonform und human zu bewältigen.
Ob dazu Figuren wie Bayerns Ministerpräsident in spe Söder (erhielt gerade irgendwie zu Recht den Orden wider den tierischen Ernst), ein verknorzter de Maizière, der Mehrwert-Steuermann Schäuble oder der Meinungs-Brummkreisel Gabriel die richtige Besetzung abgeben, darf stark bezweifelt werden. Für sie reduziert sich die diffus herbeigesehnte deutsche Leitkultur doch auf eine Art Wohlverhaltens-Knigge. Wer als Flüchtling sein Fahrrad falsch parkt oder eine deutsche Frau anguckt, wird verhaftet und ausgewiesen. Es lebe das deutsche Dschungelcamp-Kulturverständnis.