Eigentlich müsste ich toben. Als unsubventionierter Mini-Unternehmer im Musikmedien-Bereich wird meine kleine Kultur-Firma vor allem von den öffentlich-rechtlichen, gebührenpflichtig finanzierten Sendern mit ihrem fusionierten Musik-Angebot im Internet gewissermaßen in die Unsicht- und -hörbarkeit gedrängt. Seit Karfreitag dieses Jahres präsentiert die ARD eine Landessender übergreifende „Themenwelt“ namens „ARD-Klassik“ in ihrer Mediathek.
„Musik, die Sie hören. Stars, die Sie kennen. Schätze, die Sie suchen – tauchen Sie ein in musikalische Welten von Barock bis Filmmusik“: Unter diesem Motto stehen in der Mediathek der ARD gesammelte Filmchen mit „Klangkörpern“ der ARD-Sender sowie mit den hauseigenen und fremden Orchesterpädagogen mit und ohne Taktstock zur breiten kostenlosen Nutzung bereit. Die Bildergirlanden verbreiten dabei den Schrecken, den man vom traditionellen Konzertwesen genügend präzise kennt. Links zu Klangschöpfern kann man öffnen, hinter denen sich dann bei Beethoven auch „Für Elise“ in einer Lang-Lang-Variante findet. Echte Schätze eben.
Unter „ARD-Klassik/Oper“ finden sich neben einer 149-minütigen Fledermaus immerhin zahlreiche Werke in ADAC-Warteschleifenlänge von drei bis neun Minuten. Wie gut, dass all das in gewohnter Biederkeit den Charme eines Büroklammer-Magneten verströmt. Und wie gut, dass hier die Welten von „Barock bis Filmmusik“ unter Aussparung experimenteller Klangirritationen in Wohnlandschaften gelangen kann, die der Duft von „4711“ und „Tosca“ lieblich flutet. Bei „Gute Laune mit Klassik“ und „Italienisch Kochen mit Klassik“ landet man dann endgültig auf dem Sterbebett der Infotainment-Initiative konservativen Geschmacks-Influencings. McKinsey muss den Rundfunk da beraten und geritten haben, solche Kompilation ästhetischer Moebiusbänder zu verbrechen. Neuerdings auch noch angereichert dank jeder Menge Video-Ensemble-Mitschnitte des Zweiten Deutschen Fernsehens. Was für eine Riesen-Hochzeit mit Tiefgangs-Anspruch, was für ein Platt-Form-Klang-Turmbau zu BinkBlink in den ansonsten ach so öden World-Wide-Web-Wüsten. Das On-Demand-Musikangebot wird nach und nach natürlich um ausgewählte Dokumentationen und Wissensformate zum Thema Klassik erweitert. Es wäre präpotent, da noch von „Konkurrenz“ zu sprechen.
Sorry, für diesen zusammengeschusterten pubertär-kabarettistischen Vorspann bitte ich vorsichtshalber um angemessene Einordnung. Zu friedfertiger humanistischer Grundhaltung und ausgeprägter Liebe für allerhand erdenkliche kulturelle Emanationen erzogen, ärgere ich mich natürlich nicht – sondern bin voller Freude: endlich ein kräftiges zentrales Organ im Bild- und Klang-Splitter-Gewitter unzähliger Streams und Blogs (die meines Hauses natürlich inbegriffen). Und sicherlich ohne jeglichen politischen Sparzwang aus Lust und Verantwortungsbewusstsein zuversichtlich stimmenden Klangschaffens in Zeiten der Seuche gezeugt. Bravo, Bravissimo.
Vielleicht darf man bei all dieser großartigen Mischung aus musikalischen Hochglanz-Brillanten und Katzengold bescheiden Sehnsüchtiges in die trimedialen Redaktionsstuben übermitteln: Denkt bitte auch an das Wurzelwerk, das für Belüftung und Belebung des Bodens sorgt, von dem aus ihr eure Content-Clouds vollpustet. Die Amateur-Chöre, Blas-, Streich-, Sinfonieorchester, Kammerensembles. Vielleicht gar die von quotensüchtigen Profis öfters gern belächelten, aus solider Musikpädagogik geformten Klangkörper. Die zukunftssichernden, vielseitigen – und derzeit digital darbenden – Talente von „Jugend musiziert“ zum Beispiel. Und wenn ihr euch nicht im „Kleinen“ verzetteln, im Detail verschleißen und überarbeiten wollt: Nehmt kurzen Kontakt auf zu kompetenten „freien“ Websites, zu Podcastern und experimentierfreudigen Stream- und Doku-Produktionsinitiativen. Karfreitag ist fern. Mit Pfingsten naht doch die Erleuchtung. Und dazu können energieeffizient, also eigentlich ganz in eurem Sinne, liebe Öffentlich-Rechtliche, viele fein funktionierende übers Land verteilte Leuchtfeuer beitragen.