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Angelika Express finanzieren Album durch Band-Aktien
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Platten ohne Plattenfirma - Angelika Express finanzieren Album durch Band-Aktien

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Berlin - Der Kölner Band Angelika Express ist der große Coup gelungen: Finanziert wurde ihr jüngstes Album «Goldener Trash» durch den Verkauf von Band-Aktien. In wenigen Tagen verkauften sie 500 Anteile à 50 Euro an Fans und nahmen so 25 000 Euro ein.

«Die wenigsten werden es als finanzielle Investition gesehen haben, ihnen gefiel die Aktion», sagt Sänger Robert Drakogiannakis im ddp-Interview. Trotzdem haben die Fans die Band nicht rein selbstlos unterstützt. Jeder Aktionär habe bereits zwei Tonträger sowie eine erste Ausschüttung erhalten und damit «seinen Einsatz ungefähr wieder zurück», sagt Drakogiannakis. Ausgeschüttet wird sieben Jahre lang. Halbjährlich wird mit den Aktionären abgerechnet.

Für Drakogiannakis ist eine Plattenfirma «ein Zwischenschritt, den man nicht braucht». «Ich weiß Bescheid, wie der Hase läuft», sagt der Sänger der 2002 gegründeten Band. «Man braucht nicht unbedingt ein Label, sondern vor allem einen Sponsor.» Er räumt jedoch ein: «Unser Modell ist nicht übertragbar auf eine Band, die gerade aus der Garage kommt.»

Zunehmend tauchen in der Musikbranche Geschäftsmodelle auf, bei denen nicht mehr ein Label bestimmt, was produziert wird, sondern die Hörer selbst. So angelegt ist auch die Onlineplattform SellaBand, auf der Musikfans Anteile à zehn Euro an ihrer Lieblingsband kaufen können. Haben die sogenannten Believer insgesamt Anteile im Wert von 50 000 Euro an einer Band erworben, finanziert SellaBand die Produktion des Albums. Die Believer bekommen die CD und sind auch am möglichen späteren Erfolg der Band oder des Künstlers beteiligt.

Laut dem Unternehmen MM MerchandisingMedia gibt es bisher aber noch keine deutsche Band, welche die erforderliche Summe zusammen und ein Album aufgenommen hat. Insgesamt sind derzeit 202 deutsche Künstler bei SellaBand verzeichnet, an denen Musikliebhaber Anteile erwerben können. International haben derweil bereits 34 Künstler ihr Finanzierungsziel erreicht. Und als erste bereits erfolgreiche Gruppe versuchen die US-Rapper von Public Enemy, bei SellaBand Geld für die nächste CD einzusammeln.

Pioniere solcher Modelle sind die Einstürzenden Neubauten mit ihrem «Supporter's»-Projekt. Die Band brachte 2003 ein Album heraus, an dem sich kein Label, aber 2000 Fans finanziell beteiligt hatten. Denn nicht nur Newcomer wenden sich von den Plattenfirmen ab, die sich ihrerseits gerade vorgenommen hatten, als sogenannte 360-Grad-Firmen an sämtlichen Einnahmen des Künstlers teilzuhaben.

Auch Marius Müller-Westernhagen, 32 Jahre lang bei Warner Music unter Vertrag, verzichtete für sein aktuelles Album «Williamsburg» auf ein festes Label und nutzte stattdessen das neue Angebot von Tim Renners Motor Music: Rent a Record Company. Gegen eine Umsatzbeteiligung stellt Motor die Dienstleistungen einer Plattenfirma zur Verfügung. Die Produktionskosten trägt der Künstler selbst.

Renner sagt auf ddp-Anfrage, da durch die Digitalisierung die Produktionskosten sinken und durch das Internet die Vertriebshürden fallen, sei es «für Künstler unattraktiv und nur bedingt sinnvoll, ihre Rechte bei einer Plattenfirma abzugeben». Bei großen deutschen Künstlern wie Xavier Naidoo und den Söhnen Mannheims, den Ärzten und den Toten Hosen habe sich die Selbstständigkeit jenseits der Konzerne «so gut wie durchgesetzt». Künftig würden sich solche Konzepte auch beim «musikalischen Mittelstand» etablieren.

Der Geschäftsführer der Popakademie Baden-Württemberg und Leiter des Studiengangs Musikbusiness, Hubert Wandjo, sieht die jüngsten Entwicklungen zwar positiv. «Alle zusätzlichen Möglichkeiten eröffnen ein weiteres Spektrum für junge Künstler, sich in Szene zu setzen», sagt er. Allerdings könne man noch von keinem Konzept sagen, «daraus sind bisher neue erfolgreiche Talente hervor gegangen». Bei Portalen wie SellaBand dürfe zudem das Engagement von Fans nicht überschätzt werden: «Das hat doch eher Hobby-Mäzen-Charakter, die Rendite-Aussichten sind derzeit als gering einzuschätzen.»

Die alteingesessene Branche bleibt daher noch gelassen. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie, Stefan Michalk, sagt, bei den neuen Angeboten handle es sich »eher um Randerscheinungen des Musikmarktes, die den klassischen Labels bisher keine Konkurrenz machen«. Lediglich für »unbekannte Bands, die keinen Plattenvertrag bekommen oder wollen, kann das ein spannender Versuch zur Finanzierung ihrer Musik sein».



 

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