Er hat sich überraschend lange gehalten, der ZDF-Claim „Mit dem Zweiten sieht man besser“. Dabei hält sich Protagonistin/Protagonist schon mal ein Auge zu und grinst, was das Ganze noch etwas absurder geraten lässt. Mit den Ohren hat es der Sender werbetechnisch gesehen deutlich weniger. Sieht man vom verbreiteten Easy-Listening-C-Stargesäusel ab, verdünnisiert sich Anspruchsvolleres – eher konventionell gestrickte Aufzeichnungen – in die Nachtstunden. Musikalische Kulturberichterstattung kommt in einschlägigen Magazinen gestelzten Schrittes und optisch bis an die ästhetischen Grenzen der Kino-Zigarettenwerbung aufgepeppt zwischen Zeitgeist-Philosophenschmand und literarischer Rasterfahndung nach geschlechtergerechter Hyperkomplexität eingeklemmt eher selten daher.
Da freut man sich in unserem Branchenwinkelchen erst mal, wenn ein offensichtlich musikpädagogisch ausgerichtetes Projekt in vier Folgen zu einer erträglichen Zeit (22:15 Uhr) im Hauptprogramm gesendet wird: „Don’t Stop the Music“ – so der einem Rihanna-Song abgeknipste Titel. Angekündigt als vierteilige Langzeit-Doku mit Comedian Bülent Ceylan (soll auch singen und tanzen können) als Moderator und Szenen-Klebstoff. Das alles als soziale Hilfsaktion: Kinder „aus benachteiligten Familien“ der Berliner Grundschule Campus Efeuweg sollen Musikinstrumente lernen oder in einem Chor singen – mit einer Gemeinschaftsaktion als Big-Abschlussevent im Berliner Konzerthaus.
Nun könnte das Ganze eine wirklich feine Sache sein, informativ und motivierend – wenn nicht das Bedürfnis nach mediengerechtem, vielfältig glattpoliertem Verhalten die vierköpfige Regietruppe samt Protagonisten befallen hätte. Da ließ sich der ansonsten so kluge und glaubwürdige Arzt Eckart Altenmüller zum hippen Satz bewegen: „Für Kinder ist Musik ein unglaubliches Boosting-Instrument für das Gehirn“. Geil. Und die dazwischengeschnittene Professorin Mirjam Boggasch hatte alle Werbefunk-Plattitüden über die zauberische Wirkung von Musik der letzten zwanzig Jahre in Kurzform parat.
Der gern zappelnde Comedian strahlte samt seinem sozialen Impetus die Glaubwürdigkeit einer auf das begattende Männchen liebevoll wartende Gottesanbeterin aus, immer wieder im Zweifel, ob das große Ziel, das Konzert auch zu realisieren wäre. Es war: unter anderem mit Superstar Conchita Wurst, der beim Finale im Konzerthaus eine Strophe „Song of Joy“ jodelte.
Besser als nix – möchte man sagen. Und zweifellos war diese Produktion für die beteiligten vierzig, fünfzig Kinder eine sehr feine Sache, ein Höhepunkt ihrer schulischen Laufbahn mit sicherlich motivierendem Effekt. Zwar wurde irgendwann mal erwähnt, dass in Deutschland über zwanzigtausend Musiklehrer und -lehrerinnen fehlen. Zwar wurde erwähnt, dass Privatmusikunterricht sehr teuer sei. Nicht erwähnt wurden die zahlreichen Gebührenreduzierungen der von öffentlichen Händen mitfinanzierten Musikschulen beispielsweise im Verband deutscher Musikschulen. Nicht ausreichend erwähnt wurde, wie es denn jetzt musikalisch weitergehen könne mit den Schülerinnen und Schülern der Grundschule Campus Efeuweg. Nicht erwähnt wurden die Verbände und Initiativen, die sich teils ehrenamtlich und hochkompetent um die musikalische Bildung unserer Kinder kümmern, auch derer „aus benachteiligten Familien“. Nicht erwähnt wurden die immer noch zahlreichen, in der Nachwuchsarbeit sehr aktiven Musikvereine und die Kinderchöre gerade im ländlichen Bereich. Was uns nicht zur Hoffnung verleiten soll, dass sich in den kommenden Jahren aufgrund negativer wirtschaftlicher Entwicklungen hierzulande die Situation unserer musikalischen Bildung im Vergleich zur heutigen ärmlichen Situation auch nur einen Deut verbessern könnte.
Wenn man den eigentlich sehr vernünftigen Appell „Don’t Stop the Music“ im ZDF ernst nehmen wollte, kann man dem Sender nur empfehlen, die prekäre Situation musikalischer Bildung hierzulande ausgiebig und genau mit beiden Augen zu betrachten.