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Tietelseite der nmz 2022/03.
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Editorial von Andreas Kolb
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„Wer den Kaske-Preis bekommt, der wird später Siemens-Preisträger – oder er stirbt vorher.“ An diesem Zitat eines deutschen und noch quicklebendigen Komponisten ist manches Wahre dran. Beispielhaft seien György Ligeti, Wolfgang Rihm oder Pierre Boulez genannt. 2021 ist der griechisch-französische Komponist Georges Aperghis ausgezeichnet worden. Erst 2016 hatte er den Preis der Christoph und Stephan Kaske Stiftung entgegengenommen.

Wer dieses Jahr den Ernst von Siemens Musikpreis erhält, kann an dieser Stelle nicht bekannt gegeben werden, die Sperrfrist ist der 8. März. Egal – hier geht es nicht um Namen, sondern um Musikförderung und um große und kleine Stiftungen. Im FAZ-Interview Ende 2021 hatte der scheidende Sekretär des Kuratoriums, Michael Roßnagl, der mehr als ein Vierteljahrhundert die Geschicke des Preises mitbestimmt hat, noch postuliert: „Leider gibt es in Deutschland nur noch zwei Stiftungen, die sich um die Förderung neuer Musik kümmern: Die Ernst von Siemens Musikstiftung und die Aventis Foundation.“ Das ist nicht richtig: Auf der Seite des Deutschen Musikinformationszentrums finden sich über 150 Einträge von Stiftungen, von denen viele auf dem Gebiet der zeitgenössischen Musik aktiv sind. Preisgelder und Fördersummen fangen bei wenigen tausend Euro an und erreichen beim Klassenprimus EvS-Musikstiftung im Jahr 2021 mit einem Gesamtfördervolumen von über 5 Millionen Euro ihren Höhepunkt. 1972 hatte Gründer Ernst von Siemens das Stiftungskapital konservativ und krisensicher anlegen lassen und so konnte sich der Preis über die Jahrzehnte weiterentwickeln und insbesondere in den hinter uns liegenden zwei Corona-Jahren in einer Zeit ohne Aufführungen als wichtiger Stabilitätsfaktor fürs Überleben der zeitgenössischen Musikkultur dienen.

Inwieweit das Musikleben, wie man es kannte, in nachpandemischer Zeit wieder zurückkommt, muss sich noch zeigen. Gefährdet sind nicht nur die Solist*innen und Komponist*innen als Soloselbstständige, sondern der gesamte institutionelle Bereich, der sich zukünftig bei vermutlich schwindender Auslastung gegenüber den klammer werdenden öffentlichen Kulturhaushalten wird legitimieren müssen. In einer Zeit, in der die Kulturpolitik gerne ihren Zuwendungen das Kriterium der „Wokeness“ beigibt, bleibt es wichtig, dass Förderkriterien Kompositionen nicht zu musikalisch untermalten Lectures werden lassen.

Wie sich engagierte Musik im besten Fall anhören kann, erlebte man Ende Februar in der Münchner Muffathalle beim Preisträgerkonzert für Georges Aperghis. Auf dem Programm stand das einstündige „Situations“, das Aperghis den Instrumentalisten des Klangforum Wien auf den Leib geschrieben hat. Uraufgeführt 2013 bei den Donaueschinger Musiktagen, gab das Werk ganz nebenbei mit seinem Untertitel „Convivialité musicale“, also musikalische Geselligkeit, dem prominent besetzten und hochmotivierten postpandemischen Come together der Neue-Musik-Welt sein Programm.

Klar ist: Der Ernst von Siemens Musikpreis bleibt „das“ Symbol für den klassisch orientierten Kulturbegriff, aber die Kraft für einen Neustart des Musiklebens kann nur von vielen diversen Akteuren gemeinsam kommen.

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