Wissenschaftler aus zehn Ländern haben in einem veröffentlichten Brief einen Ausbau und eine Modernisierung des Richard-Wagner-Archivs in Bayreuth gefordert. Mit Blick auf den 200. Geburtstag des Komponisten 2013 müssten die im Moment sehr schlechten Rahmenbedingungen für Forscher dringend verbessert werden, sagte die in Vaduz in Liechtenstein lebende Musikwissenschaftlerin Eva Rieger am Dienstag stellvertretend für alle Unterzeichner der dapd. «Wir haben diesen Aufruf gestartet, weil wir so verzweifelt sind», betonte die Professorin.
Das Archiv sei international von ungeheurer Wichtigkeit für die Forschung. Dennoch seien die Arbeitsbedingungen vor Ort «sehr provinziell», sagte Rieger. Die Arbeit werde durch mangelnde oder auch fehlende räumliche, technische und personelle Ausstattung erschwert. «Wer nach Bayreuth anreist, muss beispielsweise über die Mittagspause das Haus verlassen», kritisierte sie.
Das Archiv enthalte den weltweit größten und wichtigsten Bestand zu Richard Wagner und seinem Werk, das Weltgeltung habe und zu den
internationalen Kulturschätzen zähle, heißt es in dem Schreiben. Darüber hinaus bewahre es zahlreiche Bestände zur Familien- und Festspielgeschichte. Es berge kulturgeschichtliche Schätze, die nach Sanierungs- und Ausbaumaßnahmen einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert und der Forschung zugänglich gemacht werden könnten. Leider flössen aber alle Mittel immer nur in die Festspiele, monierte Rieger.
Zu den 28 Unterzeichnern des Briefes gehören unter anderen der Direktor des Instituts für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin, Professor Albrecht Riethmüller, die Wiener Historikerin Brigitte Hamann, der Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München, Professor Dieter Borchmeyer, sowie weitere Professoren aus Deutschland, der Schweiz, Schweden, Portugal, den USA, Frankreich, Finnland und Österreich.
Stiftungsrat zu Gesprächen bereit
Das Richard-Wagner-Archiv ist im Haus Wahnfried in Bayreuth untergebracht. Träger ist seit 1976 die Richard-Wagner-Stiftung. Dessen Vorsitzender, Ministerialdirigent Toni Schmid vom bayerischen Kunstministerium in München, sagte auf Anfrage, er sei verwundert darüber, den Brief der Professoren nicht selbst erhalten zu haben. Frau Rieger hätte sich zuerst an ihn wenden sollen, statt gleich ein Rundschreiben an alle Medien abzuschicken. Er sei jederzeit zu Gesprächen bereit. «Aber erst, wenn ich weiß, was sie genau will, können wir auch überlegen, ob und wie wir das finanziell realisieren könnten», sagte er.
Der Leiter des Wagner-Archivs, Sven Friedrich, begrüßte unterdessen das Vorgehen der Wissenschaftler. «Ich verstehe ihr Anliegen, und ich sehe auch die Notwendigkeit von Verbesserungen», erklärte er. Die Arbeitsbedingungen sind seiner Meinung nach aber nicht wirklich schlecht, jedoch der Nachfrage und der internationalen Bedeutung Wagners nicht angemessen. «Wir haben einen Jahresetat von 600.000 Euro, das Bachhaus in Leipzig hat dagegen drei Millionen Euro», erklärte er.
Um die Arbeitsbedingungen im Wagner-Archiv auch durch personelle und räumliche Erweiterungen zu verbessern, müsste sich der Bund finanziell beteiligen. Bisher habe er - anders als das Land Bayern - kein Geld für die Stiftung zur Verfügung gestellt. «Die Politiker
müssen sich über eines klar werden: Wer Hochkultur haben möchte, muss auch finanziell hoch einsteigen», sagte Friedrich. Wagner sei
schließlich kein bayerischer Komponist, sondern von weltweiter Bedeutung.