Bremen - Die Welt versinkt in Hektik. Ob in der Arbeit oder in der Freizeit - ein hohes Tempo gibt vielen Menschen den Lebenstakt vor. Diese Schnelllebigkeit inspirierte den aus Bayern stammenden Komponisten Bernd Redmann, Jahrgang 1965, zu seiner ersten Oper. Am Freitagabend feiern «Die Gehetzten» ihre Uraufführung am Theater Bremen.
Musikwissenschaftler und Komponist Redmann und Regisseur Kay Kunze gehen mit ihrer Oper künstlerisch ungewöhnliche Wege. Beide wissen aus dem Stegreif keine Antwort auf die Frage: Die Gehetzten – wer sind die eigentlich? Die Oper erzählt keine zusammenhängende Geschichte, hat nicht einmal einen erkennbaren Inhalt. Umso größer sei die Herausforderung gewesen, das Libretto in Szenen umzusetzen, sagt Kuntze, langjähriger künstlerischer Leiter der Berliner Kammeroper. Entstanden sind 21 Einzelszenen. «Die fünf Sänger schlüpfen immer wieder in neue Masken, die ad hoc entstehen», erklärt Kunze.
Redmann und Kuntze wollen überraschen. Reales gebe den Anknüpfungspunkt für das Abgleiten ins Irreale, sagen sie. «Wir nehmen Material der Gegenwart als Gestaltung, greifen Weltprobleme auf, machen einen philosophischen Rundumschlag», sagt Kuntze. Dem Grotesken und Absurden werde großer Raum gegeben. Für Komponist Redmann geht es um die Balance zwischen Abstrusem und Realistischem. «Für mich ist diese Oper am ehesten als Komödie und Farce zu lesen», sagt er.
Wie es keine feste Handlung gibt, so fehlen dem Stück auch eindeutige Charaktere, mit Ausnahme der Figur eines blinden Bettlers. Dazwischen agieren immer wieder Figuren, die sich aus einer scheinbaren Improvisation ergeben sollen. Die Musik orientiere sich an allen Strömungen der Zeit, jede Szene bekomme eine eigene Klangfarbe, sagt Redmann. Multimediaeinspielungen sind im Dauereinsatz.
Eine klare Botschaft für das Publikum gebe es nicht, sagt Redmann. Lebe ich mein Leben oder lebe ich die Erwartungen anderer - dies sei so eine Frage, die man in den Raum stellen wolle, erklärt das Künstler-Duo. Kuntze sagt: «Je mehr ich mich mit dem Stoff auseinandergesetzt habe, umso leichter wurde es, neue Bilder zu erfinden.» Diese Bilder seien mal pathetisch, mal kabarettistisch und immer wieder auch primitiv. Szenen sind überschrieben mit «Der Börsenmakler-Song», «Jüngstes Gericht» oder «Augen zu und durch -Spiel».
Mit dem Auftragswerk setze das Neue Schauspielhaus Bremen seine Tradition als Förderer des zeitgenössischen Musiktheaters fort, sagt Generalintendant Hans-Joachim Frey. «Theater lebendig und aktuell zu gestalten, sehe ich als wesentlichen Kulturauftrag. Es ist wichtig, sich für neue Werke einzusetzen», fügt er hinzu.
In finanziell schwierigen Zeiten werde das aber immer schwieriger, räumt Frey ein. Das Schauspielhaus könne nur deshalb jedes Jahr eine zeitgenössische Oper uraufführen, weil es neben diesen Werken auch immer wieder Klassiker wie etwa den «Barbier von Sevilla» präsentiere, bei denen man mit einem großen Zuspruch der Zuschauern fest rechnen könne.
Komponist Redmann und Regisseur Kuntze bezeichnen ihre Arbeit als «Nachtwanderung ohne Taschenlampe». Ein Abenteuer, für das sie das Theaterpublikum gewinnen wollen. «Zeit ist für mich kostbar», sagt Redmann. Mit 95 Minuten zeitgenössischem Musiktheater wolle er dem Publikum eine Auszeit aus der hektischen Lebenswelt bieten.
Opern-Uraufführungen am Theater Bremen
Die jährlichen Uraufführungen zeitgenössischer Opern am Theater Bremen gibt es bereits seit mehreren Jahren. Sie wurden unter der Generalintendanz von Klaus Pierwoß (1994-2007) zur Marke ausgebaut. Pierwoß' Nachfolger Hans-Joachim Frey hält an dieser Tradition fest.
Die zuletzt uraufgeführten Werke waren Ludger Vollmers «Gegen die Wand» und «Zaide/Adama» (beide 2008) von Andrea Moses sowie «Celan» (2009) von Peter Ruzicka. Für besondere Furore hatte im Jahr 2004 Giorgio Battistellis «Der Herbst des Patriarchen» gesorgt.
Das Haus war 2007 in einer Kritikerumfrage der Zeitschrift «Opernwelt» zum «Opernhaus des Jahres» gewählt worden. Zur Begründung hieß es, Pierwoß sorge für Oper auf der Höhe der Zeit.
Premiere "Die Gehetzten": 19. März, 20 Uhr, Neues Schauspielhaus