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Foto: Sankt Peter Köln
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Raumbezogen, intensiv: vier Uraufführungen in Köln setzen sich mit dem „Stabat mater“ auseinander

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Stabat Mater Dolorosa – „es stand die Mutter schmerzerfüllt“: diese uralte Klage der Mutter über den Tod des Sohnes ist im christlichen Verständnis mehr als die archaische Trauer um den toten Sohn; sie ist Symbol und Zeichen des Todes und Symbol der Erlösung. In der Kunst-Station Sankt Peter in Köln wurden am Reformationstag Auseinandersetzungen mit dieser Klage von Komponistinnen verschiedener Generationen uraufgeführt.

Initiiert hatte dieses Konzert die Sopranistin Irene Kurka, die auch die Sopranpartien sang. Die Kompositionen waren alle für die Besetzung Sopran und Violoncello komponiert, eine sparsame Wahl, die aber den Komponistinnen eine besondere Intensivierung des Ausdrucks eben durch die Eingrenzung der Ausführenden gestattete. Die Folge der Uraufführungen sollte nicht nach jedem Stück durch Beifall unterbrochen werden in der Absicht, neben dem Erhalt der Spannung, auch ein als einheitlich zu hörendes Stück entstehen zu lassen. Die Dramaturgie der Folge der Stücke führte eben zu dieser gesteigerten Spannung und dem Eindruck eines viersätzigen Stückes, unterschiedlich in der Wahl der Mittel, raumbezogen und ungemein intensiv.

Wie aus dem Nichts entstand das Stück „St-mt“ für Sopran und Violoncello von Makiko Nishikaze (*1968), kaum hörbare Cellotöne, Pianissimo-Stimmklänge, sanft, tonschön, entwickelten sich über dieser leisen Celloaktion. Die Sprache war reduziert auf ihre einzelnen Laute, erkennbar waren einzelne Vokale und Konsonanten, Atemgeräusch, Sprachlosigkeit des Schmerzes.

Dieser Stille stand die dramatisch einsetzende Klage des „crux“ von Christina Messner (*1969) entgegen. Das Herausschreien des Schmerzes stand am Beginn des Stückes, die Verteilung der beiden Künstler im Raum, zunächst stand die Sängerin hinter dem Cellisten, dann zu seiner rechten und danach zu seiner linken Seite, unterstützt durch die Bewegung der Arme, entwickelte ein Bild des Kreuzes: „Crux“ – als Schmerz, als Symbol des Leidens Christi und der Mater Dolorosa, Symbol aber auch der Erlösung.

Das „Stabat Mater“ von Eva-Maria Houben (*1955) entstand aus der Stille, kaum hörbar strich der Cellist das Holz des Instrumentes, kaum hörbar setzte die Singstimme ein, diesmal standen sich Cello und Sopran im Raum gegenüber, sodass ein Raumklang der Stille, ein kaum zu bewältigender, unausgesprochener, immer gültiger Ausdrucks des Leidens entstand. Ergänzt wurde dieser Klangeindruck von einem elektronisch zugespielten Klangband, das die Pianissimo-Passagen, die ins Nichts zu verschwinden drohten, kaum merklich miteinander verband.

Die Komposition „hin und weg“ von Brigitta Muntendorf (*1982) setzt sich mit der Absurdität der Praxis italienischer Flagellanten auseinander, die das „Stabat Mater“ zu ihrer „Hymne“ erklärten und sich selbst zum Gesang des Stückes auspeitschten, Zeichen des existentiellen Leids des Menschen und des Christentums. Gesprochene Sprache, stimmlose Aktionen, gesungene Töne, Cellopizzicati und Klangfächen wurden unterbrochen und eingeleitet durch die Peitsche, intensive Ergänzung und Zeichen jener absurden Praxis.
Irene Kurka und Burkart Zeller am Violoncello hielten über die vier Stücke hinweg eine atemberaubende Spannung aufrecht. Der Ausdruck des unaussprechlichen Leidens und Leids durchdrang alle vier Stücke und teilte sich mit, intensiv und klar gesungen und ebenso intensiv spannungsvoll mitgestaltet durch den Cellisten. Langanhaltender Beifall für die ausführenden Künstler und die vier anwesenden Komponistinnen.
 

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