Es ist schon bitter. Da wird nachträglich als späte zarte Nachgabe zu seinem zehnten Geburtstag in Sachsen-Anhalt ein Musikfestival ausgehungert. Sein Name, ausgerechnet: „Impuls“ – ein Gestaltungsfaktor, den sehr viele andere Bundesländer nötig hätten. Den Landeszuschuss senkt Kulturminister Rainer Robra (CDU) eben mal um 50.000 Euro auf nur noch 100.000 mit dem Argument, Impuls böte „zu wenig Uraufführungen und zu wenig zeitgenössische Musik“. Unter das Festival-Publikum kann sich der Herr Minister nicht oft gemischt haben.
Denn von den gut fünfhundert präsentierten Werken waren achtzig Prozent junger und jüngster Provenienz. 150 Komponisten, darunter immerhin zwanzig aus Sachsen-Anhalt, bestückten im Schnitt sehr gut besuchte Konzerte. Und der von Intendant Hans Rotman durchaus frech geformte Leitsatz „Neue Musik lecker machen“ traf im Rahmen seiner Programmgestaltung sehr wohl auch die Geschmacksknospen eines jungen Publikums.
Abgesehen von der offensichtlichen sachsen-anhaltinisch-kultusministeriellen Ignoranz gibt es einen weiteren Grund, der diese Musen-Schlachtung als ebenso bedrohliches wie peinliches Signal wirken lässt. Strebt die CDU in ihrer Heimat- und Leitkultur-Sehnsucht zumindest eine „geistig-seelische“ Koalition mit der AfD an? Von dort kommt nämlich der unverhohlene Beifall für den Etat-Cut. Der AfD-Abgeordnete Daniel Rausch unterstellt den Impuls-Machern, „linke kulturelle Experimente auf Kosten des Steuerzahlers“ zu betreiben. „Es geht uns um so etwas wie eine Renaissance der deutschen Kultur.“ So beschreibt Hans-Thomas Tillschneider, der kulturpolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, kurz und knapp die Programmatik seiner Partei. Die sieht dann die Förderung von Heimatvereinen, von teutscher Dicht- und Sangeskunst vor, am liebsten in einem festumrissenen Kanon des Germanischen. Alles Fremde bringt das Ende.
Jetzt sind wir schon recht nah an der Diffamierung kulturellen Schaffens als „entartete Kunst“ und damit an einer Geisteshaltung, die in der AfD – immer noch brünett mit allerlei verbal schönfärberischen Worthülsen umschrieben – sich als kulturpolitische Leitlinie bundesweit klarmacht. Gleich im Rahmen der ersten Regierungserklärung im neuen Bundestag schlug Marc Jongen als kulturpolitischer Sprecher der AfD wider die öffnenden Worte von Kulturstaatsministerin Monika Grütters die Grenzpfosten ein: Er forderte eine „hysteriefreie Diskussion über Leitkultur“ und nannte eine Willkommenskultur naiv und gefährlich. Er warf der Bundesregierung vor, „die Ideologisierung der Kultur- und Medienpolitik“ fortzusetzen und „das Kulturleben in den Dienst der allmählichen Schleifung unserer nationalen Identität (zu) stellen und diesen Verlust der Heimat propagandistisch“ zu begleiten. Mehr Geschlechtergerechtigkeit im Kultur- und Medienbereich wird von Jongen mit Verlust an Qualität gleichgesetzt. Also: Zurück in die zweite Reihe, hysterische Frauen. Und ein Hoch auf unseren Ministerpräsidenten Markus Söder, der als Vertreter von Heimatminister Seehofer lieber den Osterhofener Rosstag besucht als ein musica viva-Konzert. Zusammen mit Bayerns Kultusminister, Herrn Sibler. Was wächst da zusammen …?