Tatort Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel: Gefahr im Verzug. Der dirigierende Komponist Peter Ruzicka befindet sich konzerteshalber auf dem Weg nach München. In seinem Handgepäck ein mörderisches Instrument. Fast vierzig Zentimeter lang, spitz und hölzern. Doch die Security ist auf der Hut. Sie findet spürsicher den brutalen Taktstock und sorgt für eine sachgerechte Entschärfung zu Sägemehl. Sicher ist sicher – denn stets bedrohlich wirkt das Fremde, das Unbekannte.
Uns ernsthafte Musikmenschen freilich sollte dieser Schutz-Akt aufrütteln. Ruft er doch schmerzlich ins Bewusstsein, dass einer überwältigenden Mehrheit von fast hundert Prozent der Bevölkerung nicht einmal mehr das Handwerkszeug des klassischen Musikbetriebes bekannt ist. Was lief schief? Haben die Lobby-Verbände versagt? Ist der verbliebene Musikunterricht zu poporientiert? Sind all die strengen Bemühungen um qualitätvolle Musikvermittlung wirkungsloser Tand?
Vielleicht müssen wir uns nur von ein paar liebgewonnenen, aber überkommenen Ritualen trennen. Mal ehrlich: Wozu braucht man im Zeitalter von Laserpointer und TFT-Partitur noch einen Taktstock?
Viel wichtiger ist doch eine marketingaffine Aufbereitung der zu transportierenden Substanz für die Konditionierungsinstrumente der öffentlichen Meinung, des gesamtgesellschaftlichen Grundwissens: die populären Medien eben. Da kann man Frack und Fiedel vergessen. Da zählen zuvörderst Connections. Die schafft man sich bekanntlich durch hochbotmäßige „Freundlichkeit“, branchenintern mittlerweile „Krügeriana“ genannt.
Gutes Beispiel deshalb: der Deutsche Musikrat. Auf seinem zukunftsträchtigen Weg in die Arme der Kreativ-Industrie hat man es sicherheitshalber geschickt vermieden, in den Kritiker-Chor am Brutalo-Casting von „Deutschland sucht den Superstar“ einzustimmen. Das überließ man geschmeidig dem gewohnt knorzig polternden Lautsprecher Kulturrat. So hielt man sich alle potenziellen Kooperationstüren zum Populär-Transrapid RTL offen. Und vielleicht gibt’s im Big-Brother-Haus bald schon SchoolJam – und Dieter Bohlen übernimmt den Streichquartett-Juryvorsitz bei „Jugend musiziert“. Welch ein Image-Push!
Ebensolchen versprach sich die attraktive Dauerbaustelle GEMA vom Plattmachen altertümlicher Kultur-Bezüge und der Einführung einer innovativen Verwaltungs-Software namens AIDA. Ersteres hat ja prima geklappt. Aber ausgerechnet das im Prinzip todsichere High-Tech-Programm holpert und beschmutzt die von Marketing-Hochton-Trompeten geschmetterte Erfolgs-Bilanz: ein paar Millionen Euro weniger allein im Außendienst-
Neukundengeschäft für den Monat Januar dank Computer-Insuffizienz. Empörte, verzweifelte Mitarbeiter: Was soll’s. Vorstand und Aufsichtsrat werden die Software-Titanic schon noch auf Traumschiff-Design trimmen. Irgendwann, todsicher.
Wir aber, in unserer Redaktions-Lästerstube, folgen weiter dem alten nmz-Leitsatz: Das Unsicherere ist das Sicherere.