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Wolfgang Rihms Oper Dionysos wird in Salzburg uraufgeführt. Foto: UE / Eric Marinitsch
Wolfgang Rihms Oper Dionysos wird in Salzburg uraufgeführt. Foto: UE / Eric Marinitsch
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Salzburger Festspiele beginnen am Sonntag – Rihm-Uraufführung im Opernprogramm

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Mit einem runderneuerten «Jedermann» beginnen am Sonntag (25. Juli) die Salzburger Festspiele 2010. Erstmals verkörpert der erst 39 Jahre alte österreichische Schauspieler Nicholas Ofczarek die berühmte Titelrolle des reichen Mannes, der erst angesichts des Todes zum Glauben findet. Die Rolle der Buhlschaft, der Geliebten des Jedermann, spielt die ebenfalls aus Österreich stammende Theater- und Filmschauspielerin Birgit Minichmayr. Regisseur Christian Stückl hat für die Premiere auf dem Domplatz seine eigene Inszenierung aus dem Jahre 2002 noch einmal völlig überarbeitet.

Die Festspiele stehen ganz im Zeichen ihres 90-jährigen Bestehens. Zugleich wird der 50. Jahrestag der Eröffnung des Großen Festspielhauses gefeiert. Offiziell eröffnet werden die Festspiele mit einem Festakt im Großen Festspielhaus am Montag (26. Juli), zu dem auch der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer erwartet wird. Die Festrede hält der Dirigent und Pianist Daniel Barenboim.

Die Festspiele gehen zurück auf Initiativen des Regisseurs Max Reinhardt und des Dichters Hugo von Hofmannsthal. Als Geburtsstunde des weltbekannten Musik- und Theaterfestivals gilt die erstmalige Aufführung des «Jedermann» auf dem Domplatz am 22. August 1920.

Großes Theater gibt es auch am Montagabend auf der Perner-Insel in Hallein bei Salzburg, wenn Peter Steins Inszenierung von Sophokles' Tragödie «Ödipus auf Kolonos» Premiere hat. Klaus Maria Brandauer ist in der Hauptrolle zu erleben. Stein war von 1991 bis 1997 Theaterchef der Festspiele und kehrt zum Jubiläum an die Salzach zurück.

Das Opernprogramm der Festspiele beginnt am Dienstag (27. Juli) mit der Uraufführung der neuesten Oper «Dionysos» von Wolfgang Rihm. Der in Karlsruhe und Berlin lebende Komponist gilt als einer der kreativsten und produktivsten Tonsetzer der Gegenwart. Am Pult des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin steht Ingo Metzmacher, Spezialist für neue Musik. Die Regie liegt in den Händen des in Beirut geborenen Regisseurs Pierre Audi. Rihm ist auch ein Schwerpunkt des Konzertprogramms der Festspiele gewidmet.

   In seiner letzten Spielzeit präsentiert Festspielintendant Jürgen Flimm noch drei weitere Opern-Neuinszenierungen: Christoph Willibald Glucks «Orfeo ed Euridice», Alban Bergs «Lulu» sowie Richard Strauss' «Elektra». In einer konzertanten Aufführung kommt Vincenzo Bellinis «Norma» heraus, mit Starsopranistin Edita Gruberova in der Titelrolle.

Im Theaterprogramm wird als Hommage an den Salzburger Dichterfürsten Stefan Zweig seine Novelle «Angst» in einer eigens für die Festspiele geschaffenen Dramatisierung uraufgeführt. Außerdem steht als weitere Premiere Jean Racines Klassiker «Phädra» auf dem Spielplan. Sunnyi Melles spielt die in ihren eigenen Stiefsohn Hippolytos verliebte Königin.

Das Konzertprogramm bietet neben dem «Kontinent Rihm» einen Brahms- sowie einen Chopin-Schwerpunkt. Mit Spannung erwartet wird der Auftritt des französischen Schauspielers Gerard Depardieu als Sprecher in Sergej Prokofjews Oratorium «Iwan der Schreckliche» mit den Wiener Philharmonikern unter Riccardo Muti. Die Festspiele präsentieren bis 30. August insgesamt rund 200 Veranstaltungen aus Oper, Schauspiel, Konzert und Lesung. Parallel zu den Festspielen läuft im Salzburg Museum eine multimediale Ausstellung zur Geschichte der Salzburger Festspiele.


90 Jahre Salzburger Festspiele - «Olympische Spiele der Kunst»
Die erste Aufführung von Hugo von Hofmannsthals «Jedermann» auf dem Salzburger Domplatz am 22. August 1920 gilt als Geburtsstunde der Salzburger Festspiele. Doch eigentlich begann alles schon einige Jahre früher, als der geniale Regisseur Max Reinhardt im April 1917, mitten im Grauen des Ersten Weltkriegs, eine «Denkschrift zur Errichtung eines Festspielhauses in Hellbrunn» an die k.u.k. Generalintendanz der k.k. Hoftheater in Wien richtete. 1919 publizierte Hofmannsthal seinerseits eine Festspielprogrammatik, in der er die Völker verbindende Wirkung von Festspielen betonte.

Die Wirren der unmittelbaren Nachkriegszeit verhinderten den Bau dieses Hauses vor den Toren Salzburgs. Doch die Festspielidee war in der Welt und fand 1920 im «Jedermann» ihren ersten künstlerischen Niederschlag. Schon im Jahr danach gesellten sich Orchester- und Kammerkonzerte dazu, 1922 folgten die ersten Opernaufführungen, anfangs noch Gastspiele der Wiener Staatsoper. Schnell mauserte sich die kleine Provinzstadt für ein paar Wochen im Sommer zum internationalen Treffpunkt. Mit einem Male, wie der Dichter Stefan Zweig beobachtete, wurden die Festspiele zur «Weltattraktion, gleichsam die neuzeitlichen Olympischen Spiele der Kunst».

Anstelle des nicht realisierten Festspielhauses in Hellbrunn, dem Standort eines manieristischen Schlosses der Salzburger Fürstbischöfe, wurden nach und nach die 1607 erbauten Hofstallungen zum Festspielbezirk umgebaut. Neben der zum Theaterraum umgebauten Felsenreitschule entstand 1960 das Große Festspielhaus mit seiner riesigen Bühne, dessen 50-jähriges Bestehen in diesem Jahr zusammen mit dem Festspieljubiläum gefeiert wird. Zum Mozartjahr 2006 wurde anstelle des Kleinen Festspielhauses das Haus für Mozart eröffnet.

Nach der ersten Blüte der Festspiele in den 20er und frühen 30er Jahren, als legendäre Künstler wie die Dirigenten Bruno Walter, Arturo Toscanini, Clemens Kraus und Fritz Busch, Schauspieler wie Alexander Moissi und Sängerinnen und Sänger wie Lotte Lehmann und Richard Tauber an der Salzach den Ton angaben, verkümmerten die Festspiele unter den Nazis zu einem «riesigen Propagandainstrument der Machthaber», wie es in einer Selbstdarstellung der Festspiele heißt. Viele Tausend Deutsche wurden im Rahmen von «Kraft durch Freude» nach Salzburg gekarrt. Später bestand das Publikum vor allem aus beurlaubten und verwundeten Soldaten.

Schon drei Monate nach Kriegsende fanden im Sommer 1945 wieder «echte» Festspiele statt. Oscar Fritz Schuh entwarf eine neue «Salzburger Dramaturgie» und versah den Opernspielplan mit zeitgenössischen Akzenten, während Dirigenten wie Wilhelm Furtwängler sowie Karl Böhm für denkwürdige Opernaufführungen sorgten. 1948 dirigiert Herbert von Karajan mit Glucks «Orpheus» erstmals eine Opernproduktion in Salzburg. 1956 zum Künstlerischen Leiter berufen, sollte er die Geschicke des Festivals bis zu seinem Tod im Jahr 1989 bestimmen. Salzburg wurde unter seiner Ägide nicht nur zum Treffpunkt weltberühmter Stars wie Placido Domingo und Agnes Baltsa, sondern auch zu einem Dreh- und Angelpunkt des internationalen Jetset.

Die Stagnation der späten Karajan-Zeit zu überwinden, war ab 1990 das Ziel des neuen Intendanten Gerard Mortier, der Salzburg für zeitgenössische Musik und das gesellschaftskritische Regietheater öffnete und das Publikum deutlich verjüngte. Der streitbare Belgier legte sich immer wieder mit dem Salzburger Geldadel und der allgegenwärtigen Schallplattenindustrie an und erteilte der «Opernkulinarik» eine Absage.

Der Komponist und Musikmanager Peter Ruzicka setzte ab 2002 Mortiers Linie fort, rehabilitierte österreichische Exilkomponisten wie Erich Wolfgang Korngold, Alexander von Zemlinsky und Franz Schreker, vermehrte die Zahl der Uraufführungen und stemmte die erstmalige zyklische Aufführung aller 22 Mozart-Opern in einem einmaligen Kraftakt zum Mozartjahr 2006. Seit 2007 stand der Regisseur und Theatermanager Jürgen Flimm an der Spitze des Festivals, das er allerdings zum Ende dieser Spielzeit vorzeitig verlässt.

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