Es gab Zeiten, als nicht nur Praktikantinnen und Praktikanten in den Redaktionen der Kulturzeitschriften vor Wahlen die Programme der Parteien nach möglichst positiven, konkreten Aussagen über das künftige Engagement der Möchtegern-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier durchforsteten. Komplexe Listen und Gegenüberstellungen wurden generiert. Hoffnung wuchs. Tempi passati – denn solche Forschung ist weitgehend überflüssig.
Wie schon öfters kann man den Kultur-Appendix in den jahrealten Märchen- und Sagen-Textkonvoluten unserer prospektiven Volksvertreterinnen und -vertreter via copy and paste fortpflanzen: allenfalls materiell etwas bereichert aufgrund der grausigen Seuchen-Defizite. Welche Parteien stellen oft fast gleichlautend folgende Versprechen oder Forderungen in den parlamentarischen Chat-Room?
„Soziale Absicherung: Stärkung der KSK auch für Künstler:innen in kurzen Produktionszeiten, vereinfachter Zugang zum Arbeitslosengeld, faire Bezahlung und Beendigung prekärer Arbeitsverhältnisse an öffentlichen Kulturinstitutionen. Film/Kinoförderung: Entflechtung von Strukturen in TV-Gremien, kriterienbasierte und automatisierte Förderung v. a. von Stoffen und Drehbüchern und Nachwuchs, Quoten für Frauen, soziale Mindeststandards und faire Verwertung, ökologisches Produzieren wird belohnt. Zugang zu Kulturangeboten, Teilhabe: Kultureinrichtungen sollen allen offenstehen und weiter geöffnet werden, Stärkung der Vielfalt, Programme für schulische und außerschulische Bildung …“ und so fort mit der kulinarisch-rhetorischen Bepflasterung allseits bekannter Gemeinplätze, gelegentlich farblich aufgehübscht dank Grasbüscheln aus immerhin recyceltem Lobes-Plastik in Sachen Notwendigkeit kultureller Aktivitäten.
Erste Schätzungen weisen darauf hin, dass in der Corona-Hungersnot mindestens dreihunderttausend freie Kulturberufler ihre Tätigkeit aufgegeben haben und neue Sicherheit zum Beispiel als Amazon-Packer, Taxifahrer oder Straßenreiniger gesucht und vielleicht gefunden haben, darunter auffallend viele im Musik-Business Beschäftigte, ob Instrumentalisten, Bühnenbauer, Beleuchter oder Gitarrenlehrer.
Wenn man mal rein materialistisch gedacht bedenkt, dass allein der Musikbereich zu den umsatzstärksten Wirtschaftszweigen unseres Landes der Dichter, Denker – und Musiker – gehört, darf man ein wenig neidisch auf die Subventionsmilliarden blicken, die in Luxusdampfer, Lufthansa oder ebenfalls dreckschleudernde Autofirmen aus Steuergeldern gepumpt wurden.
Nicht nur neidisch, vor allem traurig. Denn dass an die Stelle kultureller Zukunftsinkubatoren hochsubventioniert mittlerweile distanzloses Stadiongedrängel, Ballermann-Gehirninfusionen oder Crack-Raves auf dem Kinderspielplatz getreten sind, generiert in einer Gesellschaft, die einmal den Anspruch hatte, in überwiegender Zahl der Gattung Homo sapiens anzugehören, die Sehnsucht nach dem Wandel zum Planet der Affen.