Women in Jazz ist zum Markenzeichen geworden, und damit hat auch die Stadt Halle ihren Platz in der Jazzlandschaft gefunden, weit über regionale Grenzen hinaus. Das Abschlusskonzert des siebten Festivals setzte im ausverkauften Opernhaus Meilensteine. Mit zwei Bands, die sich ausschließlich für das Festival-Projekt Deutschland / USA zusammenfanden, begaben sich die Organisatoren Ulf Herden und Janis Kapetsis im Blindflug auf Neuland.
Teil eins bestritt das amerikanische Trio um die Bassistin Anne Lieberwirth mit dem Schlagzeuger Victor Jones und dem erst 25-jährigen Jake Hertzog. Jones gilt als Urgestein und gehört zu den vielseitigsten Drummern der New Yorker Szene, er stand bereits mit Stan Getz, Lou Donaldson oder Michel Petrucciani auf der Bühne. Hertzog – das Magazin Guitar Player bezeichnete ihn als „... the blazing wunderkind“ – begeisterte mit unglaublicher Bühnenpräsenz und Unbekümmertheit. Das New Yorker Trio erhielt an diesem Abend Verstärkung durch die Lyrikerin des deutschen Jazz, die Pianistin Julia Hülsmann, und die pure polnische Lebenslust Angelika Niescier am Altsaxofon, Powerfrau nennt man so etwas wohl auch Neudeutsch. Eine mutige Konstellation der Veranstalter!
"Das Aufregendste ist, dass in unserem Projekt europäischer und amerikanischer Jazz verschmilzt", sagt Anne Lieberwirth, die in Deutschland studierte und deren Lebensmittelpunkt sich seit nunmehr sieben Jahren in New York befindet. Jetzt fühlt sie sich "irgendwo mittendrin". Und da untertreibt sie gewaltig, denn sie hat mit ihren eigenen Kompositionen viel zu sagen, die amerikanische Fraktion reagiert auch auf den kleinsten Blickkontakt.
Eine Woche Aufwärmphase während des Workshops der „JazzAkademie – WOMEN IN JAZZ“ und zwei intensive Proben reichten aus für ein aufregendes Konzert, das dann sogar in sehr freie Bereiche ausuferte - meistens dann, wenn Angelika Niescier das Zepter übernahm. Und mit der Uraufführung des von Julia Hülsmann komponierten Stücks „Spiel“ war dann fast auch schon alles gesagt. Es war ein Spiel in der von Kapetsis angekündigten Champions League. Die Workshop-Teilnehmerin Julia Kriegsmann, eine junge Saxophonistin aus Bonn, meinte nach dem Konzert: "Mein Gott, mit diesen fünf Musikern habe ich nun eine ganze Woche lang in einem gemeinsamen Workshop gearbeitet. Rückblickend war das ein einziger Glücksmoment." Das Publikum drückte es anders, auf seine Weise, mit donnerndem Applaus.
Teil zwei des Abschlusskonzerts in der Oper gehörte der Band Susan Weinert NetworkX. Der hochgelobten deutschen Gitarristin und ihrem Ehemann, dem Bassisten Martin Weinert, gelang es, für tatsächlich nur ein einziges Konzert zwei Weltstars nach Halle zu holen: die Pianistin Rachel Z und den Sting-Drummer Omar Hakim. Susan und Martin Weinert spielen seit über 25 Jahren zusammen, sie sind virtuos, originell und anspruchsvoll. Und doch, vielleicht auch deswegen, ist die Richtung vorhersehbar, es fehlt etwas die Spannung, die Überraschung. Das Projekt lebte von der Individualität der einzelnen Virtuosen, leider fehlte jedoch ein kongeniales Zusammenspiel. Eine Randbemerkung, kein Makel, Weinert und Band haben zum wiederholten Mal Halle begeistert.
Fazit: Das deutsch-amerikanische Experiment zeigte, wie Jazzmusiker östlich und westlich des Atlantischen Ozeans aufeinander zugehen. Der Treffpunkt in der Mitte wird zur Sternstunde für Publikum und Akteure. Halle wurde an diesem Abend zur Mitte.