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Starke Bühnenbilder, vorhersehbares Seestück: Johann Kresnik inszeniert Glanerts "Holzschiff" in Nürnberg. Foto: Ludwig Olah
Starke Bühnenbilder, vorhersehbares Seestück: Johann Kresnik inszeniert Glanerts "Holzschiff" in Nürnberg. Foto: Ludwig Olah
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Seestück mit blutigen Tänzern: zur Uraufführung von Detlev Glanerts „Das Holzschiff“ in Nürnberg

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Was für ein Opernstoff: ein rätselhaftes Schiff mit unklarer Zielbestimmung, ein zwielichtiger Superkargo, der es bis in die letzten Winkel überwacht, ein blinder Passagier, der seine Verlobte verliert, um einen Geliebten zu finden und ins Ungewisse, ins Freie aufzubrechen. Detlev Glanert und sein Librettist Christoph Klimke wussten sehr genau, was sie an Hans Henny Jahnns Roman „Das Holzschiff“, dem ersten Teil seiner Trilogie „Fluß ohne Ufer“, hatten.

Von der merkwürdig aus der Zeit gefallenen Atmosphäre der Vorlage haben die Beiden einiges in das dramaturgisch geschickt kondensierende Textbuch hinüberretten können. Auf der Strecke geblieben ist ihnen aber die Mischung aus bedrohlicher Untergangsvision und utopischem Neuentwurf, dem Gustav Anias Horn und Alfred Tutein am Ende auf den Planken des havarierten Schiffes entgegentreiben.

Zu wenig Raum bleibt in der Oper, um Gustavs Charakter und seine Beziehung zur Verlobten Ellena, der Tochter des Kapitäns, zu umreißen, so luzide auch Glanerts Entscheidung ist, Ellena und den Matrosen Tutein von ein und derselben Sopranstimme verkörpern zu lassen. Zusammen mit der der Besetzung des Gustav durch einen Mezzosopran ergibt das eine erotische Ambivalenz, die zugleich musikalisch dankbar ist.

Wie überhaupt der Stoff geradezu nach einer Vertonung schreit und Detlev Glanert, der mit einem Dutzend Opern im Lebenslauf niemandem mehr etwas beweisen muss, keine Mühe hat, ihn mit illustrativer Üppigkeit zu einem veritablen Seestück auszumalen. Da tosen, von den Nürnberger Philharmonikern unter Guido Johannes Rumstadt souverän bewältigt, die orchestralen Wogen, flatterzüngige Sturmwinde nehmen von allen Instrumentengruppen Besitz, Personenmotive durchziehen die Szenerie, alles klingt schaurig gut und ist doch, vor allem auch in der Führung der Gesangsstimmen und der Choreinwürfe, über weite Strecken von einer erschreckenden Vorhersehbarkeit.

Besonders die Männerrollen sind ungenügend profiliert, was an diesem Abend auch an Nikolai Karnolskys Artikulationsschwäche (dem Superkargo geht dadurch jede Dämonie verloren) und Richard Kindleys tenoralen Problemen als Schiffskoch liegt, während Kurt Schober die undankbare Rolle des Kapitäns ohne echte Befugnisse wenigstens solide ausfüllt. Mehr als einmal beschleicht einen das Gefühl, das alles in einer motivverwandten Oper schon einmal viel zwingender gehört zu haben: in Brittens „Billy Budd“.

Am überzeugendsten gelingt Glanert dann auch eine komplett zurückgenommene Szene: Die einmal mehr überragende Heidi Elisabeth Meier, deren Zwiegespräche mit dem Mezzo Anna Lapkovskajas schon zuvor die vokalen Höhepunkte markiert hatten, erzählt - nun in der Rolle Alfred Tuteins - die Geschichte des Untoten Kebad Kenya, einzig umspielt von den Klängen eines Akkordeons. Hier und im anschließenden Zwischenspiel ist auch Johann Kresniks Inszenierung auf Augenhöhe: Zwei Tänzer vollziehen stellvertretend für die Protagonisten eine immer tiefer ins Körperliche vordringende Blutsbrüderschaft.

Ansonsten geht, trotz einiger starker (Bühnen-) Bilder Bernhard Hammers, von den Zwischenspielen, in denen die bösen Geister mehr und mehr vom Schiff Besitz ergreifen, musikalisch wie szenisch wenig Bedrohung aus, so sehr Kresnik seine hervorragenden Tänzer auch mit Bühnenblut um sich werfen lässt. Spektakulär anzusehen, aber ohne Bindung zum szenischen Geschehen, wirken überdies die Breakdancer fehl am Platze, weil Glanerts Musik ihnen rhythmisch nicht wirklich etwas zu bieten hat. Verschenkt ist das Finale, wo das Aufbrechen der geheimnisvollen Fracht, in dessen Inneres uns das Bühnenbild den ganzen Abend über eingeschlossen hatte, nebst Wassereinbruch so spannend anzuschauen ist wie der Einbruch in eine Ikea-Filiale mit anschließender Schaumparty.

Viel Zustimmung am Ende für ein routiniertes Stück nicht mehr ganz so neuen Musiktheaters.

Weitere Termine: 20./23./26.10., 14.11.

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