Ein „Festival mit und bei Freunden“, wie der Slogan behauptet, war das 12. Snow Jazz Gastein Festival tatsächlich. Neben den auffällig freundlichen Gastgebern hatte auch die überschaubare Clubatmosphäre mit 80 bis 170 Zuhörern ihren Anteil daran. Die Verlosung von Eintrittskarten und CDs auf offener Bühne in jeder Konzertpause betonte den familiären Charakter. Und neben viel Jazz aus „Bella Italia“ gab es in der zweiten Märzhälfte trotz Föhnsturm auch (Neu-) Schnee bis hinunter ins Gasteinertal.
Reichlich lag davon vor allem aber in den vier Skigebieten rundum auf den Bergen der Hohen Tauern mit Loipen und Abfahrten bis ins Tal. Der Schnee ist nicht nur namengebend, sondern spielt auch musikalisch eine Rolle, sind doch Bergbahnen, Gipfel- und Hüttenwirte mit auf der Jazzpiste: kostenlose Konzerte fanden auch in 7 Lokalen direkt in den Skigebieten statt.
Beim 10-tägigen Jazzfest ganz im Süden des Bundeslandes Salzburg gaben sich bekannte und weniger bekannte Jazzmusiker die Klinken von Skihütten und Hotels in die Hand, und vor allem die des Sägewerks in Bad Hofgastein. Dort wird nicht mehr Holz gesägt, sondern allenfalls auf den Saiten von Bass und Violine, und gehämmert wird nur am Schlagzeug und in die Saiten des Bösendorfer-Flügels. Hier ist Sepp Grabmaier zu Hause, Sägewerks-Besitzer und Obmann des Vereins Sägewerk - Organisator von Jazzlokal und Festival. „Was wäre das Gasteinertal ohne Sie?“ fragte eine Hotelmanagerin bei der Konzerteröffnung in ihrem 5-Sterne-Haus. Und betonte, dass das Festival die Lebensqualität für Einheimische und Gäste hebe und Kultur und Tradition des Tales verbinde. Vier Hotels waren Veranstalter der Konzerte in ihren Häusern.
Das heimelige Ambiente des Sägewerks war es wohl, was die beiden freundlichen älteren Herren so aufgekratzt musizieren ließ. Gianluigi Trovesi und Gianni Coscia führten auf einer musikalischen Rundreise um das Mittelmeer eine kleine Commedia dell’arte auf. Gab Trovesi allgemein den neunmalklugen Dottore und den Spaßmacher Arlecchino, der sich über den etwas tollpatschigen Pedrolino Coscia lustig machte, konterte der doch auch schalkhaft. Dabei ging es u. a. um die dargebotenen Meisterwerke, die man immer Trovesi als Komponist oder Interpret verdankte, nicht John Lewis (Django), Kurt Weill (Mahagonny) oder Spencer Williams (Basin Street Blues-„Den haben Gianni und ich erstmals 1929 bei einem Blues-Wettbewerb gespielt.“) oder gar Gianni Coscia.
Die familiäre Atmosphäre wirkte sich auch auf die Spielwut anderer Musiker aus, die hier kaum mehr von der Bühne wollten. Zwei weitere Duos gehörten dazu: Giovanni Mirabassi und Flavio Boltro an Piano und Trompete, die zum Konzert direkt von ihrem Wohnort Paris angereist waren, zeigten neben technischer Brillianz in langen Solopassagen auch phantasievolles Zusammenspiel. Eine für Boltros Tochter geschriebene Komposition Mirabassis berührte tief. Und die beiden Zugaben „Caravan“ und „Round Midnight“ in sehr persönlicher Form sorgten für ein glanzvolles Finale des Konzerts und des Festivals. Vorher gab es das Duo Musica Nuda zu entdecken, zu dem sich Sängerin Petra Magoni und Kontrabassist Ferruccio Spinetti gefunden haben. Diese schiere Musik zwischen Canzone, Pop und Jazz faszinierte vom ersten Ton von „Eleanor Rigby“ an über „I will Survive“, „Fever“, Lucio Dalla, J. S. Bach und Bizet bis „Roxanne“ und „Come Together“. Die Stimme in allen Facetten vom Belcanto bis zum Schreien und Geräuschhaften wand sich um die Basslinien wie die Sängerin um den Bassisten. Wen wunderts, dass die beiden Al Jarreau als Vorgruppe begleiten durften und von ihm die Lyrics zu „Air“ bekamen.
Bach (hier Gavotte) und italienische Lieder wie „Bella Ciao“ in origienellen Versionen standen auch auf dem Programm des Luca Ciarla Quartet mit Geige, Akkordeon, Bass und Perkussion, dessen Jazz stark folkloristische Züge trägt (CD „Il vento die saraceni“ Violinpiano VPR 004). Die Handschrift von Violonist Ciarlo, der neben den Arrangements auch die meisten der stimmungsvollen Kompositionen lieferte, trugen auch Standards wie „Minor Swing“ und „Take the A-train“.
Kammermusikalisch dezent und fein war der Auftritt des „Just Music“-Jazz-Trios des klassischen Kontrabassisten Yuri Goloubev. Der Moskauer lebt seit 2004 in Mailand. Mit Pianist Roberto Olzer und Fabrizio Spadea an der verstärkten akustischen Gitarre spielte er weniger bekannte Standards (u. a. von Jobim, Morricone, Kenny Wheeler), die „nur Thema und Melodie“ brauchten, nichts Artifizielles. Ein harmonisch-geschlossener Auftakt zum Brunch in Bad Gastein.
Das Rosario Giuliani Italian Quartet erschlug einen dagegen beinahe mit überlangen Stücken als ausgedehnten Soloabfolgen, fast ohne Zusammenspiel, aber mit umso größerer Rasanz, Intensität und Power. Große Aufmerksamkeit forderte Solopianist Antonio Faraò in der Hotel-Bibliothek von seinen Zuhörern, die fast im Kreis um ihn saßen. Seine langen Improvisationen perlten in rasendem Fluss über die Tasten und gaben dem Publikum so wenig Gelegenheit zum Verschnaufen oder Abschweifen wie dem Meister am Flügel. Das Carlo Actis Dato Quartet schlug im Bad Gasteiner Hotel in gewisser Hinsicht einen Bogen zu Trovesi-Coscias vergnüglicher Musik, obwohl es hier wesentlich lauter und heftiger zur Sache ging. Aber auch hier machte die Musik großen Spaß.
Das 13. Festival findet unter dem Motto „Snow Jazz Gastein goes east“ vom 14. - 23.03.2014 statt (www.jazz-im-saegewerk.org).