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Titelblatt der nmz 06/2012.
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Spar-Gehorsam

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Gerhard Rohde über die Fusionspläne und den „Sparzwang“ im Rundfunk
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Mitte Juni 2012 werden sich Rundfunk- und Verwaltungsrat des Südwestrundfunks (SWR) wieder mit der Zukunft der beiden hauseigenen Sinfonieorchester – das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart und das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg – befassen. Über die künstlerischen Qualitäten beider Orchester muss nicht noch einmal diskutiert werden: Beide Ensembles, vor allem das Baden-Badener/Freiburger, markieren, neben den Bayerischen Rundfunksinfonikern, die Spitze aller ARD-Orchester. Im Einsatz für die Musik der Gegenwart – ein zentraler Auftrag für die Rundfunksinfonieorchester überhaupt – rangieren beide Orchester unangefochten auf den beiden vorderen Plätzen. Leider kann man das nicht von allen ARD-Orchestern sagen – aber das ist ein anderes Thema.

Die versammelten „Räte“ hätten einiges zu bedenken: Will man, darf man zwei hochqualifizierte Orchester einfach mal so im Wege einer von der SWR-Intendanz favorisierten Fusionslösung in ihrer in vielen Jahrzehnten unter namhaften Dirigenten gewachsenen künstlerischen Identität praktisch abschaffen? Mit welchen Fachleuten, Dirigenten, Musikern man auch spricht: Eine Fusion beider Orchester stößt auf erhebliche Bedenken, wird vorwiegend glatt abgelehnt. Dann: Bei einer Internet-/Fernsehdiskussion in Baden-Baden mit Intendanz, Kritikern und Publikum, die vornehmlich den Zweck hatte, verbale Nebelbomben zum Thema Orchester zu werfen, gaben Intendant Boudgoust und Hörfunkdirektor Hermann offen zu, dass man noch nichts über die Höhe des künftigen Gebührenaufkommens (nach der Reform 2013) sagen könne. Im vorauseilenden Spar-Gehorsam dann zwei intakte Orchester aufzulösen und von einem fragwürdigen Großorchester zu träumen, das darf man ruhig als verantwortungslos bezeichnen.

Weiter: Ständig buhlen die Funkanstalten wie ein Warenhauskonzern um neues Publikum, junges vor allem, und scheinen darüber den eigentlichen Kulturauftrag wegen ständiger Nivellierung vieler Programmteile zu vergessen. Die Rundfunksinfonieorchester bilden mit ihrer hohen Qualität gewissermaßen das Bollwerk gegen die allgemein wachsende Verflachung. Im Übrigen haben bislang fast 23.000 Hörer, viele Künstler, Musiker, auch namhafte Politiker gegen die SWR-Orchesterpläne protestiert. Ist diese Zahl nicht auch ein Argument, das man nicht einfach so wegwischen kann? Über gewisse interne Praktiken im Umgang der Intendanz mit den Orchestervorständen soll hier nicht detailliert gerichtet werden. Die SWR-Intendanz wäre, unabhängig vom Votum der „Räte“, gut beraten, sich von jeder unproduktiven Eile in der Orchesterfrage zu verabschieden. In die Orchester darf nicht länger Unruhe hineingetragen werden. Erste Anzeichen einer drohenden Erosion sind nicht zu übersehen. Auch das sollten die beteiligten Rundfunkräte mit bedenken. Ebenso die Frage, ob nicht die ständige Blockade jedweder noch so geringen Erhöhung der Rundfunkgebühren durch die Politik zu lockern ist. Der Hinweis auf den ursprünglichen Kulturauftrag könnte dabei durchaus behilflich sein.

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