Ein Plakat an einer Bushaltestelle in Hamburg-Altona zeigt die Konzertmeisterin Juditha Haeberlin, wie sie ihre Geige streicht, mit geschlossenen Augen, ganz in die Musik versunken. Darunter der Slogan „selber denken“.
Auf einem anderen Plakat leuchtet der konzentrierte Blick ihrer Geigenkollegin Swantje Tessmann über dem Stichwort „endorphingetränkt“. Diese lebendigen Musikerporträts mit den prägnanten Schlagworten – zigfach zu sehen in Kästen der Werbefirma JCDecaux – sind Teil einer neuen Kampagne, die das Ensemble Resonanz in seiner Stadt noch präsenter machen soll.
Das ständige Hinterfragen und Überdenken der eigenen Strategien gehört zum Selbstverständnis des Kammerorchesters, das in den elf Jahren seiner Hamburg-Residenz ein unverzichtbarer Bestandteil des Kulturlebens geworden ist.
In der kommenden Saison werden Geschäftsführer Tobias Rempe und die 18 Streicher auch ihr Vermittlungskonzept noch einmal neu aufstellen.
Beim „Intro“ lädt das Ensemble seine Hörer eine Woche vor den Konzerten zum Plausch über dramaturgische Ideen, in der „Werkstatt“, ein bis zwei Tage später, zum Besuch einer echten Arbeitsprobe, ohne Netz und doppelten Boden. Ein neues Format namens „offbeat“ – entstanden in Zusammenarbeit mit der Music-Education-Meisterklasse der Körber Stiftung – nähert sich dem jeweiligen Thema des Konzerts an ungewöhnlichen Orten und aus ungewöhnlichen Blickwinkeln, etwa bei einem musikalischen Yoga-Kurs oder in einer Weinprobe mit Komponistengespräch. In der Reihe „Ausflug“ kooperiert das Ensemble Resonanz regelmäßig mit Berufsschülern, und die „HörStunde“ beschließt das Heranpirschen mit einem moderierten Vorkonzert am Vorabend.
Durch das erweiterte Vermittlungs-angebot will sich das Ensemble Resonanz noch fester im Leben der Stadt verankern. Dramaturgisches Mutterschiff dieser Aktivitäten sind die außergewöhnlichen Programme. Auch in der kommenden Saison setzen die Musiker wieder auf besondere Begegnungen: Unter dem Motto „bluesfantasie“ treffen etwa die Hamburger Sinfonien des 2014-er-Jubilars Carl Philipp Emanuel Bach auf ein neues Werk von Jan Dvorak und finnischen Blues mit dem E-Gitarristen Kalle Kalima, die „nachtsonne“ vereint Mozarts bekannte (aber eher selten aufgeführte) „kleine Nachtmusik“ mit Claude Viviers „Zipangu“ und dem Saxofonkonzert von Alexander Glasunow, in einer Bearbeitung für Bratsche und Orchester. Solistin ist die großartige Tabea Zimmermann, Residenzkünstlerin für die kommenden zwei Spielzeiten.
In der Reihe „Urban String“ verbindet das Ensemble Resonanz regelmäßig die „alte“ und „neue“ Musik mit DJing und Clubkultur – und lockt damit ein extrem bunt gemischtes, nicht per se klassikaffines Publikum in seinen Probenraum im Schanzenviertel, direkt neben der „Roten Flora“. Obwohl das Ensemble also auch die Menschen erreicht, denen die meisten Klassik-Veranstalter vergeblich den roten Teppich ausrollen, obwohl es sein internationales Renommee beständig ausgebaut hat und so viele wichtige Impulse gibt, steht es, finanziell betrachtet, noch immer auf wackligen Beinen. Für 2013 bekommt das Kammerorchester zusätzlich zur regulären Basisförderung von 200.000 Euro eine Projektunterstützung von 120.000 Euro, die die Stadt Hamburg aus ihrer viel diskutierten Kulturtaxe generiert. Trotz einer Absichtserklärung, diese Projektunterstützung zu „verstetigen“, scheint der Zuschuss für die Zukunft noch nicht gesichert zu sein, unter anderem, weil die Kulturtaxe rechtlich umstritten ist. In Anbetracht seiner künstlerischen Exzellenz und der innovativen Vermittlungsideen wäre es längst an der Zeit, diesen flexiblen und quicklebendigen Klangkörper endlich mit einer höheren Grundförderung auszustatten. Da steht die Stadt Hamburg in der Pflicht – nicht erst, seit sie sich das Ziel, Musikmetropole zu werden, auf die Fahnen geschrieben hat.