In der früheren Zarenmetropole St. Petersburg öffnet nach acht Jahren Bauzeit die neue Bühne des legendären Mariinski Theaters. Eine halbe Milliarde Euro gab Russland dafür aus. Pultstar Valery Gergiev wird das Haus auch neben seiner Arbeit in München weiter leiten.
St. Petersburg - Zur Eröffnungsgala von Russlands neuem Musentempel in St. Petersburg haben sich Opernstars wie Anna Netrebko und Plácido Domingo angesagt. Stardirigent Valery Gergiev wird als Chef des weltberühmten Mariinski Theaters am 2. Mai nicht nur die neue Bühne des Opern- und Balletthauses übernehmen. Der künftige Chef der Münchner Philharmoniker wird auch 60 Jahre alt - und gleich noch ein Jubiläum feiern: 25 Jahre leitet Gergiev das nach dem Moskauer Bolschoi wichtigste Theater Russlands - mit internationaler Strahlkraft.
Anlass zum Feiern gibt es also genug. Wohl auch deshalb ist der Gala-Reigen des engen Freundes von Kremlchef Wladimir Putin gleich auf mehrere Tage bis zum 4. Mai angesetzt. Die achtjährige Bauzeit und Kosten von 21 Milliarden Rubel (500 Millionen Euro) sollen nach der Sanierung des Bolschoi Theaters einmal mehr zeigen, dass Russland auch in der Kultur international in der Topliga spielen will.
1000 neue Beschäftigte werden im Mariinski II, wie es offiziell heißt, Arbeit finden, darunter 70 neue Orchestermusiker. 2000 Plätze bietet der Hauptsaal. In einem Amphitheater auf dem Dach kommen noch einmal 200 Zuschauer unter. Im Vergleich zum grünlich schimmernden Altbau nebenan von 1860 hat das neue Mariinski mehr als das Doppelte der Fläche. Damit bleibe das Theater eine der «lebendigsten Kunsteinrichtungen der Welt», sagt Maestro Gergiev.
Für die Akustik sind deutsche Experten von der Münchner Firma Müller-BBM verantwortlich. «Der Rauminhalt insgesamt ist nun mit 18 000 Kubikmeter ideal für Opernklänge», erläutert der Akustiker Jürgen Reinhold in einer Mitteilung. Weil es nur drei Ränge gebe - häufig sind es in klassischen Theatern fünf -, komme mehr Energie durch den Raum. Der Effekt: Auch in den hinteren Zuschauerreihen der Ränge bleibe der volle Klanggenuss erhalten.
Valery Gergiev ist begeistert von der Weite des Raums. «Man könnte hier Fußball spielen. Je mehr Luft es gibt, desto interessanter klingt es», sagt er. Den neuen «Klangreichtum» will er erstmals Anfang Mai vor internationalen Gästen selbst präsentieren. Auf dem Spielplan stehen auch die Verdi-Oper «Nabucco» mit Domingo sowie der moderne Ballettklassiker «Juwels» von George Balanchine.
Aber auch sonst wird Gergiev, der von 2015 zusätzlich auch die Münchner Philharmoniker leiten wird, die Aufmerksamkeit der Kulturwelt nutzen. Der aus der russischen Teilrepublik Nordossetien im Nordkaukasus stammende Pultstar wird als Wagner-Experte geschätzt. Im laufenden Richard-Wagner-Jahr hat das Mariinski-Musiklabel eine Gesamtaufnahme des «Ring» auf den Weg gebracht. Auch Wagner dirigierte einst das berühmte Orchester.
Das Mariinski, das zu Sowjetzeiten Kirow-Theater hieß, wird neben seiner reichen Operngeschichte vor allem auch für sein klassisches Ballett geschätzt. Mit seinem Spitzentanz, den streng synchronen Bewegungen und den athletischen Sprüngen gilt es wie das Bolschoi in Moskau als Weltklasse. Tänzer wie Rudolf Nurejew und Anna Pawlowa, Wazlaw Nischinski und Michail Baryschnikow begründeten diesen Ruf.
Wohl nicht zuletzt deshalb bezeichnet Architekt Jack Diamond von der kanadischen Firma Diamond Schmitt Architects den Neubau mit dramatischen Glasfassaden, einem sanft geschwungenen Metalldach und Swarowski-Leuchtern im Innern als «Krönung seines Lebenswerks». Kritik von einigen prominenten Petersburgern, der kastenähnliche Bau sei ein «Schandfleck» und ein «Verbrechen gegen das romantische Bild der Altstadt», wiesen die Bauherren zurück.
Auch Valery Gergiev warb dafür, sich von dem Komfort im Innern und von dem Klang in den Bann ziehen zu lassen. Er setzt in der ehemaligen Zarenmetropole am Finnischen Meerbusen, die als Kulturhauptstadt Russlands gilt, auch auf Touristen. Die schätzen die von der UNESCO geschützte und Wasserstraßen durchzogene Altstadt seit langem als «Venedig des Nordens».
Ulf Mauder