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Geschmeidig, jovial: Daniel Brenna als Aron in der Züricher Moses-Produktion. Foto: Hans Jörg Michel
Geschmeidig, jovial: Daniel Brenna als Aron in der Züricher Moses-Produktion. Foto: Hans Jörg Michel
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Tanz um den goldenen Hasen mit roten Hoden: Arnold Schönbergs „Moses und Aron“ am Züricher Opernhaus

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Man sollte durchaus im Auge behalten, daß Arnold Schönbergs „Moses und Aron“ zu den Projekten gehört, die unvollendet blieben, weil ihre Urheber aus Deutschland fliehen mußten. Auch in den knapp zwei Jahrzehnten, die Schönberg im amerikanischen Exil lebte, wurde der dritte Akt nicht ausgearbeitet. Erst posthum gelangte der Torso zu Uraufführung – 1957 in Zürich. Seither hat es nicht an Versuchen gefehlt, das um die Identitätsfindung der monotheistischen Religion und ihr Bilderverbot kreisende Musiktheater radikal zu zeigen – vornan zu nennen sind so unterschiedliche Deutungen wie die von Herbert Wernicke in Frankfurt oder die von George Tabori und Gottfried Pilz in Leipzig. Nun haben Christoph von Dohnányi und Achim Freyer das Werk am Ort der Uraufführung neu aufbereitet.

Ohne Wenn und Aber führt „Moses und Aron“ in die Region der grundsätzlichen und weitreichenden Verheißung. Diese erschien dem, welchem sie widerfuhr, zunächst ganz unglaublich und unerfüllbar. Auch besaß, was dann „das Gesetz“ genannt wurde, noch keine festen Konturen. Erst im Laufe von Jahrhunderten stellten diese sich ein. Es ging nach dem Auszug aus Ägypten auf der Halbinsel Sinai um nicht weniger als um die Durchsetzung des einzigen, ewigen, allgegenwärtigen, unsichtbaren und daher auch unvorstellbaren Prinzips bei einem bis dahin keineswegs privilegierten Volk – um die Verankerung einer Gottesvorstellung, die sich zu allem Überfluß der Zumutungen auch noch eifersüchtig erwies gegenüber all den anderen Göttern, die es nach seiner Behauptung gar nicht geben konnte.

Seinem eigenen Bekunden nach ist der biblische Moses überfordert. Der Denker des reinen Gedankens braucht den redegewandten und medieninstinktsicheren Aron, um sich der ihm von oben befohlenen Aufgabe stellen zu können (Risiken und Nebenwirkungen sind bei einer solchen toxischen Versuchsanordnung wohl unvermeidlich). Daniel Brenna absolviert in Zürich die Tenor-Partie des Aron geschmeidig und mit jener gewissen Jovialität, wie sie die agilen Agenten des leichten medialen Seins auszeichnet. In der Abwehr der Übergriffigkeit des Bruders entwickelt er aber auch Kraft und Eindringlichkeit. Der österreichische Kammersänger Peter Weber erfüllt die Sprecherrolle des Moses mit herber Cantabilität. Sie muß den erfolgreichen Schafhalter und Nomadenstammesfürsten aus Alt-Ägypten beglaubigen, schlägt am Ende freilich allzu pathetisch aus. Christoph von Dohnányi präsidiert dem musikalischen Ablauf, dessen kammermusikalische Momente eben so illuster hervortreten wie die wuchtigen Chor-Partien.

Eine der Konstanten in Achim Freyers Schaffen ist die Auseinandersetzung mit religiösen Stoffen. Vor einem Viertel Jahrhundert hat er an der Deutschen Oper Berlin Händels „Messias“ bebildert, dann im Schwetzinger Rokokotheater mit Alvin Curran „In hora mortis“ als beschauliches Todesstündchen herausgebracht. In Zürich griff er nun auf die für diese Produktionen entwickelten Muster ebenso zurück wie auf die Personen-Verdopplungen, die er 1997 der Uraufführung von Helmut Lachenmanns „Mädchen mit den Schwefelhölzern“ zudachte. Auch Moses in Zürich stellte sich auf der steinigen Bühne mit Double ein, wurde mit seinem Prophetenbart und der imposant aufgezwirbelten Haarpracht vermittels der die im Halbrund angeordneten Spiegel an der Decke des weiteren vervielfältigt. Aron mit extradicker Brille und der zum Hahnenkamm frisierten Mähne bekam zwei Spießgesellen zugeordnet – einen etwas kleineren und einen größeren (also gleichsam für jedes Medienformat einen Kompagnon). Erratische Gestalten stellen sich in der ansteigende Geröll-Landschaft ein – ein Totenkopfmann, ein Flammenengel, ein Neger mit Käppi und ein Kämpfer mit dem aufgeplatzten Gitterkarton vorm Gesicht, rote Kapuzenmänner mit langen Messern sowie vorbeidefilierende Plüschtiere, die Arons Stab-Wunder-Vorführung unterwandern. Da ist viel hinter- und abgründige kirchen- und kunstgeschichtliche Anspielung in die Reflexion der Figuren eingeflossen (und ordentliche Theaterlust). Gelegentlich patrouilliert ein Pudel mit Dienstmütze und erheitert das Publikum, dem insgesamt der Ernst des Werks stark ermäßigt wird. Schönberg entwickelte ja auf die ungemütlichste Weise eine schlüssige Antithese zwischen Moses als Denker des nicht zu „fassenden“ Gottes und dem Kommunikationsexperten Aron. Wie sehr der Dichterkomponist das im Sinnlichen befangene Volk als Zumutung für den großen Geist ansah und womöglich sogar verachtete, zeichnet sich im zweiten Akt ab.

So ergaben sich neben den äußeren Hemmnissen für die Vollendung der Partitur nach 1933 werkimmanente: es war wohl nicht die Schlüssigkeit der Antithese einer „Reinheit der Gedanken“ und zunehmend verfälschender bildkräftiger „Vermittlung“, die zum Produktionshindernis erwuchs, sondern ihre Unauflösbarkeit. Freyer reagierte sich an den zentralen Desideraten des Werks mit einer Figuren- und Bilderfülle ab, die zu den Orgien des seinem neuen Gott „abtrünnigen“ Volks eskaliert. Das „Götzenbild“ des Stiers, das Moses als „Kalb“ verhöhnt, zeigt Freyer als unermüdlich auf einem Gestänge sich drehenden goldenen Hasen. Er erinnert unmittelbar an die leckeren Produkte der Firma Lindt zur Osterzeit, aber gewiß auch an Joseph Beuys. Die israelischen Stammesfürsten präsentieren sich als sinistre Diktatoren in Operettenuniformen. Die Bettler, die ihre letzten Kleider für die große Party opfern, pellen sich dicke Schichten vom Leib. Die vier lustvoll zur Selbstopferung schreitenden Jungfrauen entledigen sich ihrer traurigen schwarzen Anzüge – und sie tanzen mit Metzgergesellen, denen man stattliche rote Gemächte vor die weißen Schürzen band. Gegenüber solchen intensiv-opulenten Bildern nimmt sich der von Theaternebel eingehüllte riesengroße Leuchtstab karg aus, der als Symbol für die Feuersäule die Richtung zum gelobten Land weist. Achim Freyer lässt Milch und Honig einer skurril-bunten Figurenwelt fließen, um Moses auf seinem Weg zur Verzweiflung über das mißachtete Bilderverbot und zum Wort, das ihm fehlt, zu begleiten. Das erweist sich als wohlfeile Volte, die in Zürich freudig akzeptiert wird.

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