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Faktisch oder postfaktisch? Theo Geißler checkt die neuesten Hintergrund-Informationen. Foto: Martin Hufner
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Theos Kurz-Schluss: Wie ich einmal auf der Suche nach Erkenntnis über gesellschaftliche digitale Transformation beim Kosmos-Experimentierkasten „Radiomann“ landete

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Da soll mir mal eine(r) sagen, die Sehnsucht nach gesellschaftlicher „Transformation“ sei eine aktuelle Invention: „Es is a Kreiz mit de oidn Manner, mit de oidn Manner is a Kreiz“ zwiefachelte man schon zu Zeiten der frühen Fünfziger des vergangenen Jahrhunderts in den finsteren Tälern meiner Heimat in der Voralpenlandschaft. [Vorab aus „Politik & Kultur“ - Ausgabe 2021/11]

Zwar war der feminine Kontra-Text (Weiber statt Männer) fast genauso verbreitet. – Aber die Version vom fiesen alten weißen Mann hatte schon damals im aufgeklärteren Teil der Bevölkerung eine deutlich höhere Glaubwürdigkeit – teils mit sympathischen Nebenerscheinungen: Männer begannen zu häkeln und zu stricken, überhaupt Verantwortung für die Hausarbeit zu übernehmen. Bei Weitem nicht alle natürlich.

Und man muss zugeben, dass nach dem Verkommen des romantischen Kavalier-Ideals hin zur Sixpack-Sexbestie und dem semisenilen Po-Tätschler es noch ein weiter Weg war (und teils noch ist) bis zu einem Zustand, den auch Alice Schwarzer als akzeptabel bezeichnen würde. Besonders unangenehm die Klebedominanz gewisser alter weißer Männer an Machtpositionen und sonstigen einträglichen Amtssitzen. Hier zeichnen sich auch hierzulande – erfreulicherweise – einschneidende Veränderungen ab, die sich eher in Equal Pay und echter Anerkennung denn in Sprachverstotterung und unsouveräner Rechtschreib-Rechthaberei als Schritte echter gesellschaftlicher „Transformation“ bewegen sollten.

Natürlich nur rein numerisch vielleicht als „alter weißer Mann“, genauer vielleicht als „rötlicher Underdog“ einzuordnen – bemühe ich mich immer wieder, solche „Entwicklungssprünge“  dank am Ende des Tages aktueller „Narrative“ und Teilnahme an kulturpolitischen Zoom-Webinaren zu begreifen und aus den zwangsläufigen Verwerfungen, die solche angeblichen Evolutionssprünge zwangsläufig auslösen, wenigsten so viel Honig zu ziehen, dass ich meine „Aktion-Mensch-Lose“ regelmäßig bezahlen kann.

Weil mich die Emanationen der gesellschafts- und kulturpolitischen Transformationen intellektuell und emotional in ihren vielfältigen, oft nebulösen, gelegentlich erkenntlich verschwafelten Ausblühungen erst mal überforderten, wollte ich mich zunächst den auf den ersten Blick natürlich politikverschwisterten, dennoch handfesteren Entwicklungen im Bereich der technischen Transformation zuwenden. Transformationen von Produktions- und Konsummustern, über rechtliche Konzepte, Organisationsformen bis hin zu kulturellen Planungen beispielsweise im Bereich der Bildung werden derzeit auf den zauberteppichbeflügelten Hoffnungen in die Allmacht digitalen Heilsgeschehens transportiert.

Klar, es gibt gute Argumente, im Bereich elektronischer Kommunikation unser Land  aus der Technik des Dampfmaschinen-Faxens in die Hightech-Welt des Glasfaser-Datentausches oder der supralichtschnellen Satelliten-Verbindung zu beamen. Was haben wir alle in den letzten Jahren beim Zoomen, Skypen oder der microsoften Team-bildung unter der bronzezeitlichen Verbindungsgeschwindigkeit unserer Inter-Netze gelitten. Andererseits sorgen solche lichtschnellen sogenannten Daten-Highways auch für die Verbreitung der 300.000 bis 400.000 täglich frisch entwickelten Computerviren und sonstigen Schadprogrammen, die mal ein Elektrizitätswerk, mal ein Ministerium, mal meinen Laptop lahmlegen. (Ich habe die geforderten 100.000 Euro nicht gezahlt, sondern meine feine IBM-Kugelkopf-Mühle mit Korrekturband hervorgekramt, geht jetzt alles altersweise etwas langsamer, was soll’s).

Als Seniorstudent für Neurolinguistik und Quantenphysik eingeschrieben und doppelt geimpft, bekomme ich an der Uni derzeit immer einen prima Rechner-Arbeitsplatz und mache mich im Netz in Sachen Robotik und Digitalität schlau. Bin gleich mal auf die ethischen Roboter-Gesetze von Isaac Asimov aus dem Jahr 1942 gestoßen: 

Ein Roboter darf einem menschlichen Wesen keinen Schaden zufügen oder durch Untätigkeit zulassen, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird. Ein Roboter muss den Befehlen gehorchen, die ihm von Menschen erteilt werden, es sei denn, dies würde gegen das erste Gebot verstoßen. Ein Roboter muss seine eigene Existenz schützen, solange solch ein Schutz nicht gegen das erste oder zweite Gebot verstößt.

Denkt man an die geschickten Arme, die unsere Autos zusammenbauen: toll. Andererseits die Killerdrohnen … was, wenn z. B. die ganzen digitalen Lernangebote von Querdenkern mit ihrem ideologischen Schrott verseucht werden? Vielleicht kann mir so ein digitales Programm samt seiner künstlichen Intelligenz als konstruktives Produkt ja wenigstens über meine aktuelle gut erkennbare Schreibhemmung hinweghelfen. Ich versuch’s mit etwas Kleinem, einem Gedicht – und gebe drei geforderte Reizwörter ein: Beule, Madonna, Hausbar. – Ha: Nach fünf Sekunden spuckt der Uni-Laser Folgendes aus: „Imperative – Kriechender schlappst Du nach Protz, saug Krokodilleder leer und fäll die Madonnen der Hausbar, beeil Dich, Sprosse düngen schon Beulen, beeil Dich, sonst wirst Du von ihnen gerettet“.

Ich stutze – und irgendwas klingelt in meinem rötlichen Underdog-Hirn: Das Ding kenn ich doch. Das Textlein ist das einzige Opus von mir, das vor etwa 60 Jahren in meiner Schülerzeitung „Den Letzten beißen die Hunde“ je veröffentlicht wurde. Alles nur geklaut? Transformation dank künstlicher Intelligenz? Eigentlich sollte ich lachen. Bei „Kosmos“ gibt’s als Experimentierkasten den „Radiomann“ – mit einem Transformator. Sehr zu empfehlen.

  • Theo Geißler ist Herausgeber von Politik & Kultur

 

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