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Politik & Kultur 2021/02. Titelseite
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Theos Kurz-Schluss – Wie ich einmal versuchte, mich IT-technisch nützlich zu machen, und der erste Anlauf leider etwas enttäuschend verlief

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Offengestanden ist so ein staatlich heruntergefahrenes öffentliches Leben auch für einen eigentlich abgehalfterten ollen Kulturjournalisten nicht nur materiell sehr unangenehm, sondern auch gewissermaßen ideell recht langweilig und inhaltsarm. Statt Festival-Infos, kleinen finanziell interessanten Denunziationen oder opportunistischen und deshalb auch rentablen Interviewanfragen füllen mein Postfach fette Mails von Lieferdiensten für Pizzas oder günstige Treppenliftangebote. Das Nachrichtenstudium gerade im Netz gerät schmalspurig unangenehm. Da fand ich in mehreren recht glaubwürdigen Infoangeboten – völlig unerwartet – eine nahezu märchenhafte Story. Übereinstimmend und scheint’s authentisch – ausgerechnet über unseren Holpermaut-Produzenten und Daten-Highway-Schläfer, den Bundesminister für digitale Infrastruktur – ja, den gibt es und er heißt Andreas Scheuer, CSU.

Damit Sie verstehen, weshalb mich diese auf den ersten Blick kleine, menschelnde Geschichte bazookamäßig pushte, kurz der Content: Um angesichts wirklich guter Absichten vor allem natürlich weitere Beteiligte gleichermaßen vor Nachahmungsversuchen, aber auch Neid-Shitstorms zu schützen, habe ich ausnahmsweise die Namen von etlichen Personen, Firmen und Örtlichkeiten etwas verfremdet.

Also: Weil ihre ländliche Internetverbindung so schlapp war, hat eine Abiturientin, nennen wir sie Yvonne Ranzenbauer, ihr Referat im verschneiten heimischen Garten halten müssen. Dem Online-Unterricht der Städtischen Fachoberschule für digitale Transformation in München konnte sie nur passiv folgen. »Schon mein Mikrofon funktioniert wegen der schlechten Verbindung nicht. Ich schicke den Lehrern meine Fragen deshalb immer per Brieftaube«. Doch für ihr Wirtschafts-Englisch-Referat sei das keine Option gewesen. »Ich habe dann zu meiner Lehrerin via Handy eher im Scherz gesagt: Ich kann ja rausgehen in den Garten, dort funktioniert das Internet.« Die Lehrerin habe gleich zugestimmt. – Infolge eines hämischen Kommentars von Sascha Lobo in Spiegel Online nach Bekanntwerden dieser Notlage dank Bild am Sonntag geschah ein kleines elektronisches Wunder mit unverhofft positiven Folgen für die Schülerin und ihr Heimatdorf Zehnkirchen. Der eingangs zitierte Bundesminister für digitale Infrastruktur, Andreas Scheuer, las – wie immer – den Lobo-Text, kümmerte sich umgehend persönlich um das Problem, wie Yvonne wenig später auf Instagram samt Selfie mit Hausgockel namens Dreizehn berichtete – binnen zweier Stunden 10.000 Likes.

»Der Andi – also Herr Scheuer – hat einfach angerufen«, sagte die 18-Jährige im Computermagazin des Bayerischen Rundfunks. »Er war superduper extrem informiert, wo die Kabel bei uns im Ort verlegt sind, wo Netz ist und wo nicht. Schon wenige Minuten nach diesem Telefonat habe sich dann der Internetanbieter gemeldet und versprochen, binnen 24 Stunden Glasfaserkabel und Anschlüsse zu verlegen. Echt geil. Dann hat mir der Andi noch ein liebes Foto gewhatsappt und einen BMW X6 samt Fahrer vorbeigeschickt. Wir haben uns dann unter Beachtung aller Sicherheitsabstände im Münchner Ministerium getroffen und einen Schnelltest gemacht, – alles im fairen Andy-Style in brutalst möglicher Transparenz – und dann sehr nett über meine Berufsplanung als Influencerin für christlich sozial angemessene Trachtenkleidung geplaudert. Und ich hab ihm erzählt, wie elend es insgesamt in unserem Laptop- und Lederhosen-Musterland ums Internet und damit das Homeschooling bestellt ist, das hat mir vor dem Interview die Rundfunk-Redakteurin klargemacht.«

So weit der für mich entscheidende Handlungsimpuls. Ich entsann mich unseres letzten 50-Jahre-Abi-Treffens im mathematisch-handwerklichen Waldorf-Gymnasium Hinterfacking voriges Jahr. Damals gab es einen heftigen Streit, ob die eingesammelten Spenden, 200 Euro von den verbliebenen 17 Absolventen, für den Einkauf von Balsaholz – fürs »freie Basteln« – investiert werden sollte oder für einen Nadeldrucker, der zum günstig gebraucht erworbenen 386er-SX-Computer passte, um endlich das Spiritus-Vervielfältigungsgerät zu ersetzen. Die Balsaholz-Fraktion siegte und ich fand via Google die Telefonnummer meiner ehemaligen Qual-Anstalt heraus. Mein Plan: Als IT-Berater per Fernwartung etwas Erfahrung zu sammeln, um dann in der bekannten ländlichen Elektronikwüste computertechnisch einigermaßen fit segensreich tätig und vor allen Dingen reich werden zu können.

Prompt und sehr freundlich verband mich das Sekretariat mit der noch recht jungen Direktorin. Auf meine Frage, wie es denn in Hinterfacking mit dem Internet stünde, ob die Schule mit der nötigen Hard- und Software für Lehrpersonal und Schüler ausgestattet sei, um qualitätsvollen Distanzunterricht anbieten zu können, erschlug mich eine überraschende Antwort: Das Gymnasium sei per Glasfaser am Netz. Alle Lehrer und Schüler hätten iPads der jüngsten Generation, seien dank einer stabilen, allen Anforderungen des Datenschutzes entsprechenden omnifunktionalen Plattform in ständiger Kommunikation – alles bestens. Zu verdanken hätte man diese Spitzenposition unter den bayerischen Schulen einigen Alumni, vor allem dem aktuellen Bundesminister für digitale Infrastruktur, Andreas Scheuer, der zwar ein sehr problematischer Schüler gewesen sei, sich aber jetzt für gewisse Hilfen beim Abitur seinerzeit sehr anständig bedankt hätte. Da sei man dem bayerischen Kultusminister von den »Freien Wählern« namens Piazzolo und dessen staatlichen Schulen eben weit voraus. Im Kultusministerium werkle man nämlich immer noch mit Windows 3.1 und Telefax zur landesweiten Kommunikation.

Obwohl ich sachlich und ideologisch sehr weit von den sogenannten »Freien Wählern« entfernt bin (Zwerg Aiwanger!), erwäge ich eben mal den Beitritt …Es gibt immer was zu tun, ich pack’s an. Mehr in der kommenden Ausgabe ...

  • Theo Geißler ist Herausgeber von Politik & Kultur

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