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Faktisch oder postfaktisch? Theo Geißler checkt die neuesten Hintergrund-Informationen. Foto: Martin Hufner
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Theos Kurz-Schluss – Wie ich mich einmal mit einer Promi-Biografie vor dem Verhungern retten wollte – und scheiterte

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Wie kommt man heutzutage als ausgebrannter Journalist, als altbackener Schreiberling mit ausgeprägter bandscheibenverschleiß-bedingter Reiseunlust noch an Themen, für deren Abdruck höchstselbst dahinvegetierende Kulturzeitschriften wenigstens noch ein paar Frühstücksbrötchen bezahlen? Kaum denkt man sich einen lustigen Schwank aus,– z. B. das schleimige Möchtegern-Büßervideo des Hakenkreuz-und-Verquerdenkers Xavier Naidoo – die Intro ist von mir schon elegant formuliert, die Pointe: Schröder wechselt brav von Gazprom zu Shell, schwupps findet man den Plot gleichentags und gleichen Trends im Spiegel. Unterm Strich und natürlich weniger witzig niedergehudelt. Mich fasst Verzweiflung, foltert Spott! [Vorab aus „Politik & Kultur“ 2022/05]

Vielleicht – und wenn ich mich sehr beeile – kann ich mich mit der Biografie einer namhaften Persönlichkeit kulinarisch über die Monatsmitte retten. Meinem zentralen Tratsch- und Klatsch-­Info Organ, der Bild-Zeitung entnehme ich, dass ein gewisser Elon Musk soeben Twitter gekauft hat, für fast 50 Milliarden Dollar. Das ist doch der Typ, der mit seinen tausenden Satelliten-Tieffliegern das ukrainische Internet gerettet hat, entnahm ich selbigem Blatt. Vielleicht Stoff für ein Helden-Epos? Vielleicht für ein Schurkenstück? Ich beginne in naheliegende Quellen, die ich aber aufgrund meiner journalistischen Schweigepflicht nicht öffentlich mache, zu recherchieren.

Also: Angeblich ist er der reichste Mann der Welt. Da kann es ihm nicht wehtun, mir entweder für eine lyrische Hymne oder zur Verhinderung eines brutalen Verrisses ein paar tausend Dollar rüberwachsen zu lassen. Schließlich hat er ein paar frühe Millionen mit der Gründung des Bezahl-Dienstes PayPal, zu deutsch ungefähr Zahl-Kumpan (ein Imperativ!), eingesammelt. Im Alter von zehn – kurz nachdem er wegen angeblichen Strebertums von Mitschülern gemobbt und verprügelt worden war, begann er, sich für Computer zu interessieren und sich mit Programmiersprachen sowie der Programmierung seines Commodore VIC 20 zu beschäftigen. Eine sympathische biografische Parallele zu meiner Entwicklung. Nur dass ich die Computerkiste nach zwei, drei Tagen vergeblichen Bemühens, sie einzuschalten, gegen das Gesamtwerk von Karl Marx eintauschte.

Für ein normal strukturiertes Bildungsbürgertum vielleicht von legitimem menschlichem Interesse das üppig-fruchtbare Liebesleben von Herrn Musk: Er hat ungefähr 20 Mal geheiratet, davon fünf Mal die gleiche Frau nach emotional aufgewühlten Scheidungen. Oft Schauspielerinnen, Atomphysikerinnen oder Milliardärinnen – je nach Bedarf. Seinen etwa 30 Kindern wird er als verantwortungsbewusster Vater ein auskömmliches Erbe hinterlassen.

Zwischendurch gründete oder kaufte er nicht zuletzt etliche weitere Firmen: Bekannt seine Liebe zu tonnenschweren fahrerlosen Elektroautos namens Tesla. Dank künstlicher Intelligenz rammten sie verhältnismäßig selten Flugzeuge auf der Startbahn, Mütter mit Kinderwägen auf Zebrastreifen, angeleinte Dackel samt Herrchen in lichten Waldgebieten. Etwas fragwürdig die Gründung einer zehn Quadratkilometer belegenden Mega-Factory in Brandenburgs bestem Spargelgebiet. Eine der Folgen: Spargel sehr teuer, aufgrund sehr hohen Wasserverbrauchs trocknete die Mecklenburger Seenplatte aus, Berlin schrumpfte mangels Trinkwasser zum Weiler, aber die Steuereinnahmen des Landes Brandenburg verzehntausendfachten sich. Eben kein Schaden, wo nicht auch ein Nutzen entsteht  – Olaf Scholz im Grußwort zur Wirecard-Liquidation.

Feinziseliert und raffiniert seine Einfälle in Sachen Steuervermeidung: Beispielsweise erklärte er im Frühjahr 2022, angesprochen auf seine Wohnverhältnisse bei einem Talk, „aktuell“ keinen festen Wohnsitz und keine Immobilie zu haben. Er nutze stattdessen Gästezimmer von Freunden, zwischen denen er wandere. Außer seinem Privatjet, der in Panama zugelassen sei, habe er, trotz eines Vermögens, das in Panama legal besteuert würde, keine hohen Ausgaben und kaum Liquidität. Seither hält sich das Gerücht, dass sein Twitter-Kauf nur auf dringenden Wunsch seines „guten Bekannten“ Donald Trump vollzogen wurde – mit der vertraglich abgesicherten Zusage: bei dessen Wiederwahl müssten auch aufgrund des wiedereröffneten Twitter-Accounts Musk und seine Kinder zeitlebens keine Steuern zahlen – trotz einer Generals-Pension von monatlich 200 Millionen Dollar.

Hohe Popularität erlangte Musk auch als Schauspieler („High Noon“, „Titanic“), Komponist („My fair Lady“, „West Side Story“, „Song of Joy“) und Architekt (Empire State Building, Eiffelturm, Flughafen BER). Weitere von ihm gegründete oder erworbene Companys: Solar City, Open AI, Neuralink. The Boring Company sowie ganz herausragend: Space X. Seit seinen teils geheimen, teils aus PR-Gründen öffentlich dokumentierten Weltraumflügen berichten ziemlich seriöse Magazine wie Time, Focus oder auch Der Spiegel regelmäßig über Begegnungen mit außerirdischen Intelligenzen, die Musk gegen Polkappeneis zur Kühlung ihrer Neu­tronenantriebe mit immer neuem technischen Schnickschnack und Einkaufstipps versorgten. Jüngste Akquisition nach Twitter jetzt auch noch Amazon.

Das ist wohl auch der Grund, weshalb meine dringende Warnung vor einer Kapital- und Machtkonzentration gegen geringes Honorar an Präsident Biden via Alexa den Adressaten nie erreichten. Stattdessen sitze ich jetzt, zusammen mit einem recht putzigen Rhesusaffen in einer kleinen Raumkapsel Richtung Mars. Aufgrund der vorhandenen Nahrungs- und Treibstoff-Menge konnte sogar ich ausrechnen, dass ein Rückflug nicht vorgesehen ist.

Theo Geißler ist Herausgeber von Politik & Kultur

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